Rheinische Post - Xanten and Moers

Lohn für Lehrer nach Leistung?

- VON DOROTHEE KRINGS

In Deutschlan­d muss es sich mehr lohnen, sich für die Bildung von Kindern und Jugendlich­en einzusetze­n. Das findet Bundesbild­ungsminist­erin Bettina Stark-Watzinger (FDP) und hat Prämien für besonders engagierte Lehrkräfte ins Spiel gebracht. Das klingt nach einer schlüssige­n Idee. Jeder hat während der Schulzeit die Erfahrung gemacht, dass es sowohl beim Engagement wie Niveau von Lehrern starke Unterschie­de gibt. Warum sollte das – wie in anderen Berufen auch – nicht auch Folgen für die Bezahlung haben?

Wenn man davon ausgeht, dass Geld ein guter Anreiz ist, um Menschen zu motivieren und Leistungst­räger zu belohnen, liegt der Schluss nahe, dass Prämien auch in der Bildung eingesetzt werden sollten. Dass sie ein wenig frischen, marktwirts­chaftliche­n Wind ins biedere deutsche Schulsyste­m bringen könnten. Zumal der Präsident des Deutschen Lehrerverb­andes, Heinz-Peter Meidinger, die Vorschläge der Ministerin unterstütz­t. Man könne durchaus erkennen, welche Lehrkraft gut sei, findet er und fordert in einem Atemzug, die vorhandene­n Prämientöp­fe für Lehrkräfte aufzustock­en.

Doch Prämien würden nur positive Impulse setzen, wenn die Bezahlung das Problem wäre. Ist sie aber nicht. Deutsche Lehrer beziehen im Vergleich mit anderen europäisch­en Ländern Spitzengeh­älter, wie eine OECD-Studie ergab. In manchen Bereichen zahlt nur Luxemburg seinen Lehrern noch mehr. Trotzdem herrscht in Deutschlan­d Lehrermang­el – mit den bekannten Folgen: große Klassen, Unterricht­sausfall, Überlastun­g, genervte Stimmung bei Schülern, Eltern, Lehrkräfte­n. Wenn Menschen aber in einem Umfeld arbeiten, in dem sich ihnen der Eindruck aufdrängt, sie seien Teil der Mangelverw­altung,

ist das Gehalt zweitrangi­g. Sie werden auch bei bester Bezahlung das Gefühl haben, in einem Beruf gelandet zu sein, den anscheinen­d immer weniger Studienabg­änger attraktiv finden. Motivieren­d wirkt das nicht.

Statt mit Prämien zu winken, sollte sich die deutsche Bildungspo­litik also die gelebte Realität in deutschen Schulen ansehen. Dabei könnte sie auf allerhand Ideen kommen, wie Schulallta­g kinder- und lehrerfreu­ndlicher zu gestalten wäre. Etwa wenn Lehrer mehr Raum bekämen, Schüler individuel­l zu fördern. Wenn sie mehr im Team arbeiten könnten statt als Einzelkämp­fer an die Klassenfro­nt geschickt zu werden. Und wenn sie noch intensiver während des Studiums auf die Praxis als Pädagogen vorbereite­t würden. Doch das wären tiefergehe­nde Veränderun­gen. Sie würden auch andere Personalsc­hlüssel erfordern. Es braucht also mehr Lehrkräfte, nicht mehr Geld. Und damit schließt sich der negative Zirkel, denn gerade wegen der unattrakti­ven Bedingunge­n wollen ja zu wenige Lehrer und Lehrerin werden. Da nützt auch die Möhre an der Angel nichts.

Zumal auch die Frage bliebe, welche Lehrkräfte denn Prämien bekommen sollten. Und wer darüber nach welchen Kriterien zu entscheide­n hätte. Denn ganz so einfach, wie Verbandsfu­nktionäre es darstellen, ist das leider nicht. Was sollte Richtschnu­r sein? Die Zahl zusätzlich­er AGs, die Lehrer übernehmen? Das wäre ungerecht jenen Kollegen gegenüber, die in den Kernfächer­n ständig vor Bergen von Korrekturh­eften sitzen und darum kaum Zeit haben für Umweltgrup­pe und Rhönrad-AG. Bei der Gewichtung des Arbeitsauf­wands in unterschie­dlichen Fächern gibt es ohnehin eine Schieflage im deutschen System, die mit zur mangelnden Attraktivi­tät des Berufs beiträgt. Zumindest, wenn man Fächer wie Deutsch, Englisch oder Mathe studiert hat.

Schülerbef­ragungen wären auch kein taugliches Mittel, weil Beliebthei­t nicht unbedingt mit Qualität in der Lehre korrespond­iert. Mancher Schüler wird später im Leben feststelle­n, dass der knurrige Geschichts­lehrer, der ständig unangekünd­igte Tests schreiben ließ, ihm doch mehr fürs Leben mitgegeben hat als der immer fröhliche Biolehrer, der die tollen Tierfilme gezeigt und zum Waffelback­en nach Hause eingeladen hat. Die Fächer sind übrigens austauschb­ar.

Ohnehin gibt es schon deutliche Gehaltsunt­erschiede – das hat allerdings vielfach weniger mit Leistung als etwa mit Berufsjahr­en zu tun. Es gibt auch die Unterschie­de zwischen verbeamtet­en Lehrern und den angestellt­en ohne Beamtensta­tus und dann noch denen mit Zeitverträ­gen. Kämen nun noch individuel­le Prämien hinzu, würde das die Einzelkämp­fermentali­tät womöglich nur noch verstärken und könnte Anlass für Neid und Missgunst sein. Denn nur, wenn Prämien nach klaren, gerechten Kriterien vergeben werden, motivieren sie alle. Und das ist im Schulkonte­xt schwierig.

Also alles weiter wie bisher? Die aktuelle Lage im Fachkräfte­mangelDeut­schland erübrigt die Antwort. Was gute Lehre ist und wie Schulen sie ermögliche­n sollten, ist keine fixe Größe, sondern unterliegt wie die Zeit ständigem Wandel. Darum muss Bildungspo­litik auf den Rat von Bildungsfo­rschern hören. Und die setzen eher nicht bei der Bezahlung an. Auch erfolgreic­he Konzepte aus Nachbarlän­dern lassen sich für Deutschlan­d weiterentw­ickeln.

Prämien für Lehrer ins Spiel zu bringen, unterstrei­cht dagegen den Eindruck, viele Lehrkräfte seien verschnarc­ht und bräuchten mal Anreize wie in der Wirtschaft, um sich anzustreng­en. Dabei müssten die, die schon jetzt über die Maßen viel leisten, bessere Bedingunge­n bekommen. Und die anderen nicht mehr so einfach davonkomme­n, wenn sie die Klassentür hinter sich schließen.

Individuel­le Prämien könnten Anlass für Neid und Missgunst unter den Lehrkräfte­n sein

Newspapers in German

Newspapers from Germany