Rheinische Post - Xanten and Moers
Der Traum von der weißen Weihnacht
Der Traum von der weißen Weihnacht, er bleibt wohl auch in diesem Jahr unerfüllt. Stattdessen sorgt das Weihnachtstauwetter (das heißt wirklich so) mal wieder für nasskalte und damit eher graue Feiertage, die sich nur mit viel Lametta und Lichterzauber aufhellen lassen. Wobei auch das ja schwieriger geworden ist in diesen Zeiten. Also diesmal erneut kein leises Schneerieseln bei Kerzenschein, kein Rodeln am Weihnachtsmorgen, weder Schneemann bauen noch Schneeballschlacht. Wieder nicht das Gefühl, dass eine weiße Decke das Getriebe und Getöse da draußen für ein paar Stunden zum Schweigen bringt. Denn das ist ja die kollektive Sehnsucht, für die die weiße Weihnacht steht: Dass sie den zeitweiligen Rückzug ins Private ermöglicht und entschuldigt. Eine schöne Illusion eben.
Aber wie das so ist mit Illusionen, mit derart romantischen zumal – sie verkaufen sich gut (Hollywood und die Musikindustrie lassen grüßen), werden aber nur selten Wirklichkeit. Ganze sechs Mal hat es in den vergangenen 100 Jahren in Deutschland flächendeckend weiße Weihnachten gegeben, rechnete der Deutsche Wetterdienst nach, von höher gelegenen Regionen mal abgesehen. Es schneit einfach seltener – und dieser Trend wird sich im Zuge der Klimaerwärmung weiter verstärken.
Andererseits, das sollte man sich klarmachen, schneit es, wenn es denn schneit, nicht nur passend an den Feiertagen. Was dann schnell nicht mehr so romantisch ist. Ohne Schnee lässt es sich auch leben: Man muss nicht in aller Herrgottsfrühe Bürgersteige freischaufeln oder Scheiben freikratzen, sich vor dem Betreten der Wohnung die Schuhe ausziehen oder dem Besuch zähneknirschend erlauben, seine matschverschmierten Stiefel anzubehalten. So mag man sich damit trösten, dass mancher schöne Traum umso schöner bleibt, wenn er sich nicht erfüllt.