Rheinische Post - Xanten and Moers
Ein Geheimlager mit 90 Spielautomaten
Kriminelle verdienen Millionen Euro mit illegalem Glücksspiel. Duisburgs Polizeipräsident Alexander Dierselhuis will den Sumpf trockenlegen und geht entschieden gegen die Täter vor. Er gewährt Einblicke in die Ermittlungen.
DUISBURG Es ist ein Ort, den es offiziell nicht gibt. Nur wenige wissen überhaupt von seiner Existenz. Irgendwo in Duisburg, versteckt in einem unscheinbaren Gebäude, befindet sich die größte inaktive Spielhalle Nordrhein-Westfalens, in der 90 illegale Glücksspielautomaten untergebracht sind, die die Polizei in diesem Jahr beschlagnahmt hat. „Sie stehen in einem Gebäude, dessen Standort streng geheim gehalten wird. Die Automaten müssen bis zum Abschluss des jeweiligen Verfahrens als Beweismittel aufbewahrt werden. Danach werden sie vernichtet“, sagt der Einsatzleiter der Duis- burger Ermittlungs- kommission „EK Fun“. Es dürfte die derzeit größte und geheimste Asservatenkammer des Landes sein.
Sichergestellt worden sind die Geräte bei den vielen Durchsuchungen in Sisha-Bars, Teestuben und Spielhallen, die es auch im Zuge der landesweiten Kontrollen im Clanmilieu nahezu wöchentlich gibt. Wie kein
Zweiter hat es sich Duisburgs Polizeipräsident Alexander Dierselhuis zur Aufgabe gemacht, dem illegalen Glückspiel den Nährboden zu entziehen, indem er den Kriminellen das wegnimmt, womit sie ihr Geld verdienen: ihre illegalen Automaten. Und er möchte verhindern, dass Menschen spielsüchtig werden. Denn das Suchtpotenzial bei illegalem Glücksspiel sei viel stärker als beim legalen, sagt er: „Die Spielgeschwindigkeit ist viel höher und die Aussicht auf höhere Gewinne zieht die Spieler an die Automaten“, so Dierselhuis, der sich schon seit längerer Zeit mit dem Thema auseinandersetzt und einen viel beachteten Aufsatz darüber geschrieben hat. Legale Automaten seien hingegen so programmiert, dass ein Spieler maximal 60 Euro pro Stunde verlieren und maximal 400 Euro pro Stunde gewinnen kann. „Illegale Automaten sind nahezu beliebig programmierbar und bieten teilweise die Chance auf einen Gewinn von 2000 Euro pro Spiel – man hat also theoretisch viel höhere Einzelgewinne,
aber gleichzeitig natürlich viel höhere Verluste“, sagt er.
Der Verein für Spielsucht hat ein Experiment gemacht und überprüft, wie lange man braucht, um an einem illegalen Automaten 3000 Euro zu verlieren. Das Ergebnis: Drei Stunden, 59 Minuten und zehn Sekunden. Zum Vergleich: Bei einem legalen Automaten hätte man mehr als 50 Stunden gebraucht, um diese Summe zu verspielen. „Es gibt so viele Familienväter, die spielsüchtig sind und die Familien dadurch ins Unglück stürzen. Sie verspielen alles, was sie haben und verschulden sich ins Unermessliche“, sagt der Polizeipräsident. Viele Spieler seien so süchtig, dass sie Hunderte Kilometer fahren, um an einem bestimmten Automaten zu spielen: „In der Szene wird sich intensiv darüber ausgetauscht, wo illegale Automaten stehen, und wo die Wahrscheinlichkeit auf einen hohen Gewinn am größten ist. Die Automaten werden fast überall aufgestellt“, so der Leiter der „EK Fun“. „Die Zocker wollen die Reglementierungen an den legal zugelassenen Geldspielgeräten nicht. Sie lehnen diese ab. Lieber wollen sie mit höheren Einsätzen und der Chance auf höhere Gewinne an den illegalen Geräten spielen.“
Es ist extrem unterschiedlich, wie viel Geld ein Automat einbringt. Es kommt hauptsächlich auf den Aufstellungsort
an. „Der durchschnittliche Einwurf pro Automat liegt laut Polizei zwischen 9000 und 14.000 Euro im Monat. Der bislang festgestellte Rekord bei einem Automaten in NRW liegt bei einem Jahreseinwurf von 423.000 Euro. Hinzu kommt der Steuerschaden. Bei einem illegalen Automaten, der ein Jahr läuft, kann man in einem Verfahren auf einen Steuerschaden von einer Million Euro kommen“, sagt Dierselhuis. „Darum ist es extrem wichtig, nicht nur die Automaten zu beschlagnahmen, sondern auch die Steuerfahndung mit ins Boot zu holen. Und die Stadt, die Gelder für Ordnungswidrigkeiten eintreibt. Dann kommen auch ganze andere Strafen heraus.“Denn Steuerhinterziehung ab einer Million Euro zieht zwingend eine Gefängnisstrafe ohne Bewährung nach sich. „Das bekommt man für illegales Glückspiel üblicherweise nicht als Strafe“, so Dierselhuis.
In Duisburg und einigen anderen Ruhrgebietsstädten ist in der jüngsten Zeit sehr viel illegales Glücksspiel aufgefallen. Das müsse aber nicht zwangsläufig heißen, dass dort mehr Glücksspiel betrieben wird als woanders. „Wer viel kontrolliert, deckt auch vieles auf“, sagt er.
So hat die Polizei Duisburg seit Anfang des Jahres ganz gezielt Personal für den Themenbereich illegales Glücksspiel eingesetzt und mit Netzwerkpartnern mehr als 235 Objekte angesehen. „Wir konnten 85 Verfahren wegen unerlaubten Glücksspiels, Steuerhinterziehung und Verstößen gegen das Urheberrecht sowie gegen das Markengesetz einleiten“, sagt der Polizeipräsident. Daher ist davon auszugehen, dass es nicht bei den 90 Automaten bleiben wird, die derzeit an Duisburgs geheimsten Ort aufbewahrt werden.