Rheinische Post - Xanten and Moers

Ein Geheimlage­r mit 90 Spielautom­aten

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

Kriminelle verdienen Millionen Euro mit illegalem Glücksspie­l. Duisburgs Polizeiprä­sident Alexander Dierselhui­s will den Sumpf trockenleg­en und geht entschiede­n gegen die Täter vor. Er gewährt Einblicke in die Ermittlung­en.

DUISBURG Es ist ein Ort, den es offiziell nicht gibt. Nur wenige wissen überhaupt von seiner Existenz. Irgendwo in Duisburg, versteckt in einem unscheinba­ren Gebäude, befindet sich die größte inaktive Spielhalle Nordrhein-Westfalens, in der 90 illegale Glücksspie­lautomaten untergebra­cht sind, die die Polizei in diesem Jahr beschlagna­hmt hat. „Sie stehen in einem Gebäude, dessen Standort streng geheim gehalten wird. Die Automaten müssen bis zum Abschluss des jeweiligen Verfahrens als Beweismitt­el aufbewahrt werden. Danach werden sie vernichtet“, sagt der Einsatzlei­ter der Duis- burger Ermittlung­s- kommission „EK Fun“. Es dürfte die derzeit größte und geheimste Asservaten­kammer des Landes sein.

Sichergest­ellt worden sind die Geräte bei den vielen Durchsuchu­ngen in Sisha-Bars, Teestuben und Spielhalle­n, die es auch im Zuge der landesweit­en Kontrollen im Clanmilieu nahezu wöchentlic­h gibt. Wie kein

Zweiter hat es sich Duisburgs Polizeiprä­sident Alexander Dierselhui­s zur Aufgabe gemacht, dem illegalen Glückspiel den Nährboden zu entziehen, indem er den Kriminelle­n das wegnimmt, womit sie ihr Geld verdienen: ihre illegalen Automaten. Und er möchte verhindern, dass Menschen spielsücht­ig werden. Denn das Suchtpoten­zial bei illegalem Glücksspie­l sei viel stärker als beim legalen, sagt er: „Die Spielgesch­windigkeit ist viel höher und die Aussicht auf höhere Gewinne zieht die Spieler an die Automaten“, so Dierselhui­s, der sich schon seit längerer Zeit mit dem Thema auseinande­rsetzt und einen viel beachteten Aufsatz darüber geschriebe­n hat. Legale Automaten seien hingegen so programmie­rt, dass ein Spieler maximal 60 Euro pro Stunde verlieren und maximal 400 Euro pro Stunde gewinnen kann. „Illegale Automaten sind nahezu beliebig programmie­rbar und bieten teilweise die Chance auf einen Gewinn von 2000 Euro pro Spiel – man hat also theoretisc­h viel höhere Einzelgewi­nne,

aber gleichzeit­ig natürlich viel höhere Verluste“, sagt er.

Der Verein für Spielsucht hat ein Experiment gemacht und überprüft, wie lange man braucht, um an einem illegalen Automaten 3000 Euro zu verlieren. Das Ergebnis: Drei Stunden, 59 Minuten und zehn Sekunden. Zum Vergleich: Bei einem legalen Automaten hätte man mehr als 50 Stunden gebraucht, um diese Summe zu verspielen. „Es gibt so viele Familienvä­ter, die spielsücht­ig sind und die Familien dadurch ins Unglück stürzen. Sie verspielen alles, was sie haben und verschulde­n sich ins Unermessli­che“, sagt der Polizeiprä­sident. Viele Spieler seien so süchtig, dass sie Hunderte Kilometer fahren, um an einem bestimmten Automaten zu spielen: „In der Szene wird sich intensiv darüber ausgetausc­ht, wo illegale Automaten stehen, und wo die Wahrschein­lichkeit auf einen hohen Gewinn am größten ist. Die Automaten werden fast überall aufgestell­t“, so der Leiter der „EK Fun“. „Die Zocker wollen die Reglementi­erungen an den legal zugelassen­en Geldspielg­eräten nicht. Sie lehnen diese ab. Lieber wollen sie mit höheren Einsätzen und der Chance auf höhere Gewinne an den illegalen Geräten spielen.“

Es ist extrem unterschie­dlich, wie viel Geld ein Automat einbringt. Es kommt hauptsächl­ich auf den Aufstellun­gsort

an. „Der durchschni­ttliche Einwurf pro Automat liegt laut Polizei zwischen 9000 und 14.000 Euro im Monat. Der bislang festgestel­lte Rekord bei einem Automaten in NRW liegt bei einem Jahreseinw­urf von 423.000 Euro. Hinzu kommt der Steuerscha­den. Bei einem illegalen Automaten, der ein Jahr läuft, kann man in einem Verfahren auf einen Steuerscha­den von einer Million Euro kommen“, sagt Dierselhui­s. „Darum ist es extrem wichtig, nicht nur die Automaten zu beschlagna­hmen, sondern auch die Steuerfahn­dung mit ins Boot zu holen. Und die Stadt, die Gelder für Ordnungswi­drigkeiten eintreibt. Dann kommen auch ganze andere Strafen heraus.“Denn Steuerhint­erziehung ab einer Million Euro zieht zwingend eine Gefängniss­trafe ohne Bewährung nach sich. „Das bekommt man für illegales Glückspiel üblicherwe­ise nicht als Strafe“, so Dierselhui­s.

In Duisburg und einigen anderen Ruhrgebiet­sstädten ist in der jüngsten Zeit sehr viel illegales Glücksspie­l aufgefalle­n. Das müsse aber nicht zwangsläuf­ig heißen, dass dort mehr Glücksspie­l betrieben wird als woanders. „Wer viel kontrollie­rt, deckt auch vieles auf“, sagt er.

So hat die Polizei Duisburg seit Anfang des Jahres ganz gezielt Personal für den Themenbere­ich illegales Glücksspie­l eingesetzt und mit Netzwerkpa­rtnern mehr als 235 Objekte angesehen. „Wir konnten 85 Verfahren wegen unerlaubte­n Glücksspie­ls, Steuerhint­erziehung und Verstößen gegen das Urheberrec­ht sowie gegen das Markengese­tz einleiten“, sagt der Polizeiprä­sident. Daher ist davon auszugehen, dass es nicht bei den 90 Automaten bleiben wird, die derzeit an Duisburgs geheimsten Ort aufbewahrt werden.

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FOTO: DPA Das Glücksspie­l an Automaten – wie hier in Kleve – kann zu einer Sucht werden, die nur schwer zu besiegen ist. Die erzielbare­n Profite rufen immer wieder auch Kriminelle auf den Plan.
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FOTO: REICHWEIN Duisburgs Polizeiprä­sident Alexander Dierselhui­s

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