Rheinische Post - Xanten and Moers
Flick plant Testspiele in Übersee
Der Blick geht für den Bundestrainer nach vorne, doch der WM-K.o. tut noch weh.
FRANKFURT (dpa) Dieser FernsehNachmittag war das Letzte, was Hansi Flick wollte. Den bewunderten Lionel Messi aus nächster Nähe sehen, wahlweise auch Kylian Mbappé, im Goldstadion von Lusail aus der eigenen Coachingzone, versteht sich – und dann im WM-Finale besiegen. Das war der mittlerweile total überambitioniert klingende Plan. Stattdessen: Fußball im TV. Argentinien gegen Frankreich. Im Wohnzimmer in Bammental. „Natürlich ist die Enttäuschung noch da“, sagte der Bundestrainer in seinem ersten Interview nach der viel zu frühen WM-Rückkehr der Deutschen Presse-Agentur. Nach vorne schauen fällt noch schwer im Turnier-Kummer.
„Wenn man die Spiele sieht, kommt der Gedanke, „hätten wir da auch sein können?“Die Frage muss man sich stellen“, sagte Flick und man könnte meinen, er würde gerne anfügen: Ja, wir hätten auch im Finale sein können. „Aber es ist nun mal so, dass wir frühzeitig ausgeschieden sind, und dafür müssen wir die Verantwortung übernehmen. Es ist einfach sehr, sehr schade“, beschreibt Flick seine Adventsstimmung.
Die Ursachenforschung geht für den Bundestrainer bis nach Weihnachten weiter. Gespräche mit seinem Trainerteam, dem „Staff“wie es im Flick-Deutsch heißt, sind geführt. Alle Assistenten bleiben. Jetzt kommen die Spieler dran. Auch Thomas Müller, der gleich nach dem Scheitern in Al-Chaur live im Fernsehen irgendwie schon seinen Rücktritt formuliert hatte und Minuten später wieder zurückruderte, wird einen Anruf bekommen.
Sorgen muss sich der 33-Jährige wie auch der nach seinem Beinbruch lange verletzt fehlende Kapitän Manuel Neuer (36) als Teamsenior nicht machen. Flick sieht keine Veranlassung für Rücktritte oder gar einen radikalen Personalschnitt. Hier und da soll das Team mit jungen Hoffnungsträgern um den schon etablierten Jamal Musiala (19) ergänzt werden. Youssoufa Moukoko (18), Armel Bella Kotchap (21) und Karim
Adeyemi (20) waren in Katar schon zum Lernen dabei. Florian Wirtz (19) kommt nach seinem Kreuzbandriss als EM-Hoffnung zurück.
Die Aufarbeitung geht für Flick auch in andere Bereiche, die er nicht kontrollieren konnte. Politisierte Weltmeisterschaft, schlechte Stimmung bei den Fans daheim, zu viele Themen abseits des Fußballs, beklagt der 57-Jährige. Mit der „One Love“-Binde als Kulminationspunkt. Flick will den Fokus wieder auf den Fußball lenken. „Das ist unsere Aufgabe - es wäre schön, wenn man uns das zugesteht. Für die Politik sind andere ausgebildet“, kritisierte er.
In der Verpflichtung sieht Flick natürlich sich selbst und seine Spieler. „Wir sind in der Bringschuld. Wir müssen wieder Begeisterung erzeugen“, sagte er. Die Grundstimmung sei durch das Turnier in Katar in den Keller gerauscht. „Wir wollen als Mannschaft den Fans zeigen: Wir haben es kapiert, wir sind stolz darauf und wir freuen uns auf diese Heim-EM.“
Geplant wird, auch wenn ChefPlaner Bierhoff weg ist. Flick setzt dabei auch auf eine Testspiel-Reise in die USA. „Das wäre denkbar, aber ich weiß nicht, ob es im Juni sein wird“, sagte der Bundestrainer auf die Frage nach den Sommerplänen 2023.