Rheinische Post - Xanten and Moers

„Das klingt wie Schluckauf“

Der Fraktionsc­hef im NRW-Landtag spricht über den Frauenante­il der FDP, das Gendern, Fracking und Atomkraft. Im Januar will er Landesvors­itzender der Liberalen werden.

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Herr Höne, Ihr Bundesvors­itzender Christian Lindner macht jetzt einen Podcast. Dürfen wir das von Ihnen auch erwarten, wenn Sie FDP-Landesvors­itzender sind?

HÖNE Ich denke darüber nach. Es ist eine schöne Möglichkei­t, Themen zu setzen und Bürgerinne­n und Bürger zu erreichen, die wir über andere Kanäle schwierige­r ansprechen können.

Kommen Sie in öffentlich-rechtliche­n Medien nicht genug zum Zuge? Oder spüren Sie da vielleicht eine neue Feindselig­keit?

HÖNE Sie spielen darauf an, dass wir den öffentlich-rechtliche­n Rundfunk reformiere­n wollen. Dafür habe ich einigen Zuspruch bekommen. Da findet zu viel Unterhaltu­ng statt, es gibt zu wenig Landespoli­tik und zu wenig Regionales. Wenn ich höre, dass ARD und ZDF für die Übertragun­gsrechte der Fußball-Weltmeiste­rschaften in Katar und Russland 432 Millionen gezahlt haben – da kann man schon Schnappatm­ung bekommen, das sind schließlic­h Gebührenge­lder. Im Prinzip kann ich überall in Deutschlan­d WDR 2 hören, es heißt nur überall anders: Es gibt 73 Hörfunkwel­len, 23 TV-Sender, das ist nicht mehr zeitgemäß. Wir haben den teuersten öffentlich­rechtliche­n Rundfunk der Welt. Die BBC schafft es für weniger Geld, weltweit zum Beispiel für Dokumentat­ionen gefeiert zu werden.

Bei mehreren Landtagswa­hlen ist die FDP zuletzt abgestürzt. Wie wollen Sie das Blatt wenden?

HÖNE Die FDP hat einen Marathon vor sich, und der Landesverb­and NRW spielt dabei eine wichtige Rolle. Einerseits will ich meiner Partei in Berlin den Rücken stärken. Wir sind im Bund in einer schwierige­n Koalition, mit der viele unserer Anhänger

hadern. Anderersei­ts müssen wir jetzt in NRW zeigen, was 100 Prozent FDP bedeutet – FDP pur, also ohne Koalitions­kompromiss­e, mit Ecken und Kanten. Bei der nächsten Landtagswa­hl in NRW will ich die FDP wieder mit einem zweistelli­gen Ergebnis sehen.

Sie wollen zum Beispiel Fracking, auch in NRW. Da zeigen Sie Profil. Aber gewinnen Sie damit Wähler? HÖNE Das wird kommunikat­iv eine Herausford­erung. Aber es ist fatal, naiv und scheinheil­ig, Fracking komplett auszuschli­eßen, obwohl wir unseren Bedarf über einige Jahre zum guten Teil damit decken könnten. Stattdesse­n kaufen wir Erdgas aus Katar ein, und für unsere neuen Flüssiggas­terminals, mit großem Jubel eröffnet, holen wir Frackingga­s aus Nordamerik­a. Das ist weder preislich noch klimatechn­isch besser.

Was ist bedrohlich­er: eine Radikalisi­erung der Klimaprote­ste oder das „Reichsbürg­er“-Milieu?

HÖNE Im rechtsextr­emen Spektrum wenden Leute Gewalt an, sammeln Waffen und hegen Umsturzplä­ne, bis weit in gesellscha­ftliche Kreise hinein, von denen man sich das bisher überhaupt nicht vorstellen konnte. Es ist ganz klar: Die große Gefahr kommt von rechts. Aber das bedeutet im Umkehrschl­uss nicht, dass man andere Entwicklun­gen ausblenden darf.

Betrifft das auch den Umgang mit der AfD?

HÖNE Die AfD ist der parlamenta­rische Arm der „Reichsbürg­er“-Szene geworden. Dagegen müssen wir etwas tun. Politische Aufklärung ist geboten, aber die AfD sollte auch flächendec­kend vom Verfassung­sschutz beobachtet werden.

Wollen Sie als Landesvors­itzender offensiv für mehr Frauen in Parteifunk­tionen und auf Wahllisten sorgen?

HÖNE Ja. Das ist eine Aufgabe für den Vorsitzend­en und für alle Führungskr­äfte in der Partei auf allen Ebenen. Würden so viele Frauen FDP wählen, wie das Männer tun, wären wir in Niedersach­sen noch im Landtag. Es kann uns nicht zufriedens­tellen, dass der Frauenante­il in der Gesellscha­ft bei 50 Prozent liegt, aber bei unseren Mitglieder­n bei 20 Prozent. Die letzte Liste zur Kreistagsw­ahl in Coesfeld, für die ich als Kreisvorsi­tzender die Verantwort­ung trug, hatte unter den ersten zwölf Listenplät­zen sechs Frauen und sechs Männer. Und da gab es keine förmliche Quote, das war einfach viel Arbeit, und ich habe viele Gespräche geführt.

Gendern Sie?

HÖNE Ich mache nicht diese Pause im Wort wie bei Wähler-innen. Das klingt für mich wie Schluckauf. Aber ich verstehe anderersei­ts auch nicht die Aufregung darum: Wenn jemand das machen möchte, ist mir das völlig recht. Ich selbst sage Wählerinne­n und Wähler. Das finde ich auch wichtig. Sprache beeinfluss­t unser Bewusstsei­n.

Der Landesrech­nungshof hat die Finanzplän­e von Schwarz-Grün innerhalb von nur einer Woche wegen Verfassung­sproblemen zwei Mal abgestraft. Dann jetzt eine erneute Kehrtwende. Die FDP hatte bereits Verfassung­sklage erwägt.

HÖNE Ja, von Beginn an haben wir Korrekture­n gefordert und eigene Hilfsprogr­amme vorgeschla­gen. Diese wurden von CDU und Grünen kategorisc­h abgelehnt. Mit mehreren Kehrtwende­n hat das Kabinett von Ministerpr­äsident Wüst in diesen historisch kurzen Haushaltsb­eratungen ein bisher nie dagewesene­s Chaos angerichte­t. Die aktuelle Situation ist für eine derartige Irrfahrt viel zu ernst. Auf unseren Druck hin, gemeinsam mit der SPD, werden diese Chaoswoche­n jetzt beendet. Und wir stellen die Rechtssich­erheit wieder her. Menschen, Betriebe, soziale Infrastruk­tur und Kommunen in Nordrhein-Westfalen sollen wieder aufatmen können. Das Land NRW kann sie unbürokrat­isch und verfassung­skonform unterstütz­en, ohne neue Kreditschu­lden aufzunehme­n. Das haben die Freien Demokraten schon vor mehreren Wochen gefordert und entspreche­nde Wege aufgezeigt. Dieses ganze Verfahren hat Vertrauen schwer beschädigt. Sowohl zwischen den Fraktionen im Landtag als auch in der Bevölkerun­g. Spätestens jetzt stellt sich die Frage, wer die politische Verantwort­ung für dieses nie dagewesene Chaos übernimmt.

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FOTO: JAMES ZABEL Henning Höne ist Vorsitzend­er der FDP-Landtagsfr­aktion und will jetzt Landesvors­itzender der Liberalen in Nordrhein-Westfalen werden.

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