Rheinische Post - Xanten and Moers
Europas Plan für das Klima
Kurz vor Weihnachten gelang der Politik in Brüssel noch eine Reihe von Beschlüssen.
BRÜSSEL Mitten in der Nacht twitterten die Chefverhandler des EU-Parlaments Videos von Freudentänzen. Nach 30 Stunden hatten sich Parlamentarier, Regierungsvertreter und Kommission auf das Herzstück des „Fit for 55“-Projekts geeinigt: Der neue Emissionshandel kommt, und er soll den größten Beitrag dazu liefern, in der EU die Treibhausgase bis 2030 um 55 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren. Es war eine letzte Entscheidung von vielen kurz vor Weihnachten. Ein Überblick.
CO2-Zertifikate Wer klimaschädliche Gase ausstößt, muss Verschmutzungsrechte erwerben. Weite Bereiche des Lebens (60 Prozent) waren bislang davon ausgenommen (wie Heizen oder Tanken), oder die Zertifikate waren in großer Stückzahl gratis zu erhalten. Schrittweise werden nun immer mehr Bereiche erfasst, die Zertifikate verringert, die Gratisrechte ebenfalls. Als Höchstpreis setzten die Institutionen 45 Euro fest, was den Spritpreis um zehn Cent erhöhen würde. Ausnahmen für energieintensive Betriebe und den Mittelstand entfallen.
Klimasozialfonds Mit den Einnahmen und nationalen Mitteln wird ein 87-Milliarden-Euro-Fonds gefüllt, aus dem ärmere Haushalte bei steigenden Energiekosten entlastet werden. Das ist mehr als geplant, aber weniger als zwischenzeitlich gefordert. Gefördert werden damit auch Investitionen in bessere Isolierung.
Innovationsfonds Aus der Zertifikate-Versteigerung fließen zudem bis zu 50 Milliarden Euro in einen weiteren Fonds, der die Wirtschaft beim Umstellen auf klimaneutrale Produktion unterstützt. Nachzügler müssen Pläne für den Umbau vorlegen.
CO2-Grenzausgleich Damit Produzenten in Drittländern ohne Zertifikate-Auflagen die EU-Betriebe nicht übervorteilen, müssen sie für solche Produkte an den EU-Außengrenzen eine Art CO2-Zoll bezahlen. Damit soll auch verhindert werden, dass europäische Firmen die Produktion nach außen verlagern. Allerdings: Zunächst sind nur einige Produkte betroffen, nämlich Eisen, Stahl, Zement, Düngemittel, Aluminium und Strom. Experten erwarten, dass das Werkzeug nicht funktioniert. Für diesen Fall bekommt die betroffene Industrie die Zusage, dass der Abbau von Gratis-Zertifikaten gestoppt wird.
Genehmigungen Das Parlament verständigte sich auf den „Repower-EU“-Plan, wonach alle Genehmigungen für regenerative EnergieErzeugung drastisch beschleunigt werden. Windräder sollen statt bislang nach fünf Jahren binnen neun Monaten an den Start gehen können, private Wärmepumpen und Solaranlagen binnen eines Monats. Das Projekt muss noch mit Kommission und Regierungen glattgezogen werden.
Schiffsverkehr Bereits zuvor hatte es einen Durchbruch zur Einbeziehung der Schifffahrt in den Zertifikatehandel gegeben. Ab 2024 werden die größten Verschmutzer herangezogen, die die Luft an der Küste und in den Städten entlang der Flüsse verpesten. Drei Jahre später auch alle anderen.
Luftfahrt Flüge sind bereits seit zehn Jahren im Zertifikatehandel, die Airlines fliegen aber mit Gratis-Tickets. Die werden nun zügig gegen Rechnungen ersetzt. Nach Schätzungen der Luftverkehrsunternehmen kostet sie das fünf Milliarden Euro extra, was die Tickets teurer machen werde. Europäische Airlines, die international von EU-Flughäfen starten, müssen zudem alles zahlen, andere Anbieter, die ihre Drehkreuze in der Nähe haben, nur für kurze Distanzen.
Konsequenzen Anders als bei ähnlichen Einigungen im sogenannten Trilog, also der Kompromisssuche zwischen Parlament, Rat und Kommission, ist die nun noch nötige Bestätigung durch das Plenum des Parlamentes und den Ministerrat aller EU-Regierungen keine bloße Formsache. Da kann sich Anfang nächsten Jahres noch einmal Widerstand aufbauen.