Rheinische Post - Xanten and Moers
Genüsse für gespitzte Ohren
Die Geigerin Isabelle Faust und Il Giardino Armonico traten in der Düsseldorfer Tonhalle auf.
DÜSSELDORF Das WM-Finale zwischen Argentinien und Frankreich ist offenbar nicht wichtig genug, um auf italienische Barockmusik und die neue Residenzkünstlerin Isabelle Faust zu verzichten. Um 16.30 Uhr – 30 Minuten nach dem Anpfiff in Katar – staunt Moderator Christian Ehring daher nicht schlecht, als er ins ausverkaufte Rund der Tonhalle blickt: „Schade, dass Gianni Infantino das nicht sehen kann“, sagt er voller Freude und empfiehlt, den aktuellen Spielstand ab jetzt nur in seinen Moderationspausen via Smartphone abzurufen, aber auf keinen Fall, wenn die Musik spielt.
Das klappt tatsächlich, dafür aber ist ein Rückfall in präpandemische Zeiten zu beklagen, denn im Publikum sitzen etliche Hörer, die ohne schützende Masken lauthals ins Volk husten. Solches Verhalten galt kürzlich noch als überwunden und ist in diesem Fall doppelt ärgerlich, weil es nicht nur gesundheitlich rücksichtslos ist, sondern auch das filigrane musikalische Geschehen auf der Bühne empfindlich stört.
Denn das famose Ensemble Il Giardino Armonico unter Giovanni
Antonini und die Residenzkünstlerin Isabelle Faust spielen historisch informiert in kleiner Besetzung auf alten Instrumenten mit Darmsaiten und barocken Bögen. Das klangliche Ergebnis ist weitaus zarter als das moderner Instrumente, deren Stahlsaiten ein völlig anderes Obertonspektrum entwickeln und weitaus durchschlagskräftiger sind. Man muss also die Ohren spitzen, wenn das italienische Ensemble mit einem genussvoll atmenden „Largo“zu Beginn des Concerto grosso in c-Moll von Pietro Antonio Locatelli anhebt und Isabelle Faust ihre ersten kunstvoll phrasierten Girlanden mit süß timbriertem, leicht verhangenem Ton anstimmt.
Locatelli bildet den Schwerpunkt des Programms. Der bislang weniger bekannte italienische Barockmeister liegt der Stargeigerin besonders am Herzen, gerade hat sie mit dem Ensemble Solokonzerte von Locatelli aufgenommen, der zu Lebzeiten als Teufelsgeiger galt und eine Vorliebe für die allerhöchsten Lagen
hatte. Was Faust eindrucksvoll demonstriert mit Locatellis A-DurKonzert, bei dem sich insbesondere die Kadenzen ganz am Ende des Griffbretts in aberwitzigen Tempi abspielen.
Faust bewältigt das alles makellos, nach der Pause gibt sie ein paar Locatelli-Anekdoten zum Besten und stellt ihre Stradivari-Geige vor, die aufgrund ihrer Geschichte – das kostbare Instrument schlummerte lange unentdeckt in einem Schrank – auf den schönen Namen „Dornröschen“hört und sowohl mit modernen Stahlsaiten als auch mit den historischen Darmsaiten bespielt wird. Und ziemlich fragil ist, wie sich nach den Anekdoten zeigte, als das herrliche Instrument sich nicht mehr so stimmen ließ, wie Faust sich das vorstellte. „Wir haben zu lange gesprochen“, erklärt sie die Laune der Geige, verschwindet ein paar Minuten hinter der Bühne, bevor sie dann souverän strahlend das wunderbar melancholische Locatelli-Concerto-grosso „Il Pianto di Arianna“mit dem fabelhaften Ensemble zelebriert. So spannend und mit seinen Piano-Momenten und Generalpausen derart fordernd, dass endlich auch die Huster verstummen. Großer Jubel.