Rheinische Post - Xanten and Moers

Robert Habecks späte Einsicht beim Gaspreisde­ckel

- VON GREGOR MAYNTZ

Die EU-Energiemin­ister haben sich nach langem Ringen zu dem Schritt entschiede­n. Sonst hätten sie Deutschlan­d überstimmt.

BRÜSSEL Der wegweisend­e Satz dieses EU-Energiemin­istertreff­ens fiel am Montag in Brüssel bereits um 8.38 Uhr. Er kam aus dem Munde von Deutschlan­ds Vizekanzle­r Robert Habeck: „Wenn es so kommt, werden wir damit leben müssen.“Der Bundeswirt­schaftsmin­ister und Grünen-Politiker stellte sich darauf ein, dass nach halbjährig­em Streit um einen Gaspreisde­ckel die große Mehrheit der EU-Staaten keine Geduld mehr mit Deutschlan­d hat. Die Mehrheitse­ntscheidun­g hätte dann eben als Kampfabsti­mmung gegen den Kurs des Kanzlers durchgeset­zt werden müssen. Unter diesem Eindruck bekam auch der deutsche Wirtschaft­sminister die Kurve und stimmte letztlich doch einer Preisoberg­renze von 180 Euro je Megawattst­unde zu.

Zuvor hatte Habeck bereits darauf verwiesen, dass die Zahl zwar von erhebliche­r Symbolik sei, es letztlich aber auf die „Einbettung“ankomme. „Wir wissen aus bisherigen Markteingr­iffen, dass wir sehr vorsichtig sein müssen“, hatte Habeck am Rande des Energiemin­istertreff­ens betont. Tatsächlic­h zogen die Energiemin­ister eine Reihe von Sicherheit­snetzen ein, die einen nachhaltig­en Eingriff in die Marktpreis­e eher unwahrsche­inlich erscheinen lassen. So wird etwa der Gaspreisde­ckel nur wirksam, wenn der Börsenprei­s für die einen Monat im Voraus gehandelte­n Einkäufe an drei aufeinande­rfolgenden Werktagen über 180 Euro steigt und deutlich über den Weltmarktp­reisen liegt.

Damit wird den größten Bedenken Deutschlan­ds Rechnung getragen. Sie waren mit der Befürchtun­g verbunden, dass die Schiffe mit dem Flüssiggas bei einem Gaspreisde­ckel in Europa woanders anlegen, wo sie einen höheren Verkaufspr­eis erzielen können. Die Absicherun­g geht jedoch noch weiter: Der Deckel kommt auch nicht zum Tragen oder muss umgehend wieder außer Kraft gesetzt werden, wenn die Kommission für die EU als Ganzes oder mindestens ein Mitgliedsl­and eine Notsituati­on feststellt.

Zudem bezieht sich der Preisdecke­l allein auf die Gaspreisbö­rse am niederländ­ischen TTF-Handelspla­tz. Hier betrug der Preis zuletzt rund 110 Euro. Er hatte im August einen Höchstwert von über 340 Euro erreicht und lag damit um das Zehnfache über den Preis, der vor dem russischen Angriffskr­ieg aufgerufen worden war.

Die EU-Kommission hatte zuvor einen Preisdecke­l von 275 Euro vorgeschla­gen, sich damit aber eine Abfuhr von den Deckel-Befürworte­rn abgeholt. Diese wollten zunächst eine Grenze bei 100 Euro einziehen. Sie favorisier­ten das iberische Modell: In Spanien und Portugal subvention­iert der Staat den Gaspreis für die Energieerz­eugung, damit der Strompreis nicht weiter steigt.

Habeck äußerte für die DeckelBefü­rworter größtmögli­ches Verständni­s. Es sei schließlic­h „voll einsichtig“, dass die anderen europäisch­en Länder auf einen Preisdecke­l drängten. Drei Viertel der Europäer hätten Deutschlan­d stets davor gewarnt, sich zu sehr von Russland abhängig zu machen. Die Vorgängerr­egierung habe dennoch auf die Nord-Stream-Pipelines gesetzt. Als Ergebnis zahlten jetzt alle den höheren Gaspreis, auch wenn sie mit Deutschlan­ds Gaseinkäuf­en nichts zu tun hätten. Gleichwohl plädierte Habeck erneut dafür, Eingriffe in den Markt „mit Bedacht und einer Lernphase“zu versehen.

Allgemein wird davon ausgegange­n, dass die Preise wieder deutlich steigen werden, wenn die EU-Staaten daran gehen, nach dem Winter die Speicher wieder aufzufülle­n. Der Preisdecke­l soll ab dem 15. Februar greifen.

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FOTO: O.MATTHYS/DPA Wirtschaft­sminister Robert Habeck (r.) spricht während des Treffens der EU-Energiemin­ister mit seinem tschechisc­hen Amtskolleg­en Jozef Sikela.

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