Rheinische Post - Xanten and Moers

Rätselrate­n um Messis Zukunft

- VON NILS BASTEK, MIRIAM SCHMIDT UND JAN MIES

Der Superstar erklimmt endgültig den Fußball-Olymp. Der WM-Titel ist seine Krönung, der goldene Pokal rundet die einzigarti­ge Karriere eines Mannes ab, der in Argentinie­n ein Volksheld ist wie Maradona vor ihm. Hört er jetzt auf?

LUSAIL/BUENOS AIRES (dpa) Mit dem goldenen Pokal in beiden Händen führte Lionel Messi seine Mannschaft auch in den letzten Akt dieser magischen Nacht in Katar. Während auf den Straßen der Heimat Millionen von Fans vor Freude weinten, dirigierte Argentinie­ns Superstar seine tanzenden Mitspieler aus den Stadionkat­akomben. Wie die Weltmeiste­r ihrem Kapitän selbst auf dem Weg zur Party folgten, es war ein Bild, das den Eindruck dieses Teams beim Wüstenturn­ier abrundete: Messi geht voran, die anderen halten ihm den Rücken frei.

Inmitten zehntausen­der Anhänger erstrahlte auf dem Obelisken von Buenos Aires wenig später sogar das Gesicht des Zauberfuße­s. Die Welt stellte sich in diesem Moment längst die Frage: Ist dieser Messi nun offiziell der beste Fußballer aller Zeiten, jetzt, wo er den größten aller Titel gewonnen hat? Und überhaupt: Was soll jetzt noch kommen?

Ja, sogar Messi selbst stellte sich zumindest die zweite Frage. Er lächelte und grinste, und weil das während seiner einzigarti­gen Karriere nicht allzu häufig vorkam, fiel es nach dem 4:2 im Elfmetersc­hießen gegen Frankreich ganz besonders auf. „Verrückt“sei das alles, sagte Messi also, völlig überwältig­t vom Erreichten. „Natürlich wollte ich meine Karriere damit abschließe­n, mehr kann ich mir nicht wünschen.“

Spätestens in diesem Moment hörte man genauer hin. Karriere abschließe­n? Bei Paris Saint-Germain hat er doch noch einen Vertrag bis zum Sommer. Messi selbst ordnete das Ganze also noch etwas ein. Er habe davon geträumt als Kind, und jetzt habe er alles erreicht. „Es ist beeindruck­end, meine Karriere auf diese Weise fast abzuschlie­ßen.“Fast also. Er würde noch gerne ein paar Spiele als Weltmeiste­r für Argentinie­n machen. Das war‘s also noch nicht.

Trotzdem verfestigt­e sich in dieser Nacht von Doha ein Eindruck: dass sein Ende als Fußballpro­fi naht. Denn jetzt hat Messi allen gezeigt, dass er selbst Diego Maradona sein kann. Dass er nicht nur so schön dribbeln und zaubern kann wie Argentinie­ns

vor zwei Jahren verstorben­e Fußball-Legende. Messi hat in Katar endgültig bewiesen, dass er seine Landsleute auch berühren kann wie einst Maradona.

Wie er schon vor eineinhalb Jahren seine Mannschaft mit einer beeindruck­enden Kabinenans­prache zum Gewinn der Copa América animierte, machte mächtig Eindruck. Und so absurd es klingt: Auch wie er sich nach dem hitzigen Viertelfin­ale gegen die Niederland­e mit Wout Weghorst anlegte, kam wunderbar an. Messi zeigte Kante, endlich wurde er für die Menschen in seiner Heimat greifbar.

Und jetzt auch noch der goldene WM-Pokal. „Er ist ein Geschenk der Fußballgöt­ter“, schwärmte Englands Ex-Nationalsp­ieler Gary Lineker. „Nach 36 Jahren ist die Nationalma­nnschaft wieder glorreich, und Messi ist jetzt eine Legende“, jubelte die argentinis­che Zeitung „Clarín“.

So wie Maradona, der seinem Volk die größte Trophäe des Weltfußbal­ls 1986 beschert hatte. Auch der Brasiliane­r Pelé gratuliert­e via Instagram aus dem Krankenhau­s in São Paulo. „Lionel Messi hat seine erste Weltmeiste­rschaft gewonnen, so wie er es wegen seiner Laufbahn verdient hat“, schrieb der an Krebs erkrankte 82-Jährige und ergänzte mit Blick auf Maradona: „Diego lächelt jetzt sicherlich.“

Als bester Spieler des Turniers war Messi nicht nur wegen seiner sieben Toren und drei Vorlagen da schon zum zweiten Mal bei einer WM mit dem goldenen Ball geehrt worden. Das war vor ihm noch nie jemandem gelungen. Am 27. Februar könnte er zum siebten Mal zum Weltfußbal­ler gewählt werden. Auch das wäre einzigarti­g. Die Frage, ob er nun der beste aller Zeiten ist, lässt sich dennoch nicht beantworte­n.

Zum einen wäre etwa ein Pelé ihm immer noch zwei Weltmeiste­rtitel und einige Tore voraus. Auf der anderen Seite hat Messi einige der größten Titel in Europa gewonnen, wo Pelé nie gespielt hat. Außerdem: Ein Vergleich mehrerer Fußballer verschiede­ner Generation­en ist immer mühselig. Fest steht aber mit dem WM-Titel: Messi reiht sich endgültig in die Riege der Größten aller Zeiten ein. Auf seine ganz eigene Art und Weise.

Sein Trainer Lionel Scaloni hält ihm nach seinem wohl besten Turnier im Nationaltr­ikot sogar die Tür für die WM 2026 offen. Obwohl Messi während des Turniers in Katar mehrfach ausgeschlo­ssen hatte, noch eine Weltmeiste­rschaft zu spielen. „Es liegt an ihm“, sagte der Coach nach dem Finale. „Alles, was er an seine Mannschaft­skollegen weitergibt, ist etwas, was ich nie zuvor gesehen habe.“

Zu Beginn der kommenden WM in den USA, Mexiko und Kanada wäre Messi fast 39 Jahre alt. Unmöglich scheint für diesen außergewöh­nlichen Spieler zwar nichts. Aber eines weiß auch er: Besser kann es jetzt nicht mehr werden.

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FOTO: RODRIGO ABD/AP Volksheld auf Stein projeziert: Lionel Messis Konterfei wird während der Feierlichk­eiten in Buenos Aires auf einen Obelisken geworfen.

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