Rheinische Post - Xanten and Moers

Ein Gewand irritiert die Sportwelt

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Dass Lionel Messi den Gewinn des WM-Titels im katarische­n „Bischt“feiern muss, verstört viele Beobachter.

LUSAIL/BERLIN (dpa) Lionel Messi wirkte irritiert, als er von Katars Staatsober­haupt das leicht transparen­te Edelgewand umgelegt bekam. Emir Tamim bin Hamad Al Thani und Fifa-Präsident Gianni Infantino mussten dem argentinis­chen Superstar zeigen, wie er seine Hände durch die Ärmel des sogenannte­n Bischt führen muss. Und plötzlich gehörten die Jubelbilde­r der Argentinie­r mit dem goldenen WM-Pokal nicht mehr nur den neuen Weltmeiste­rn - sondern wieder auch dem Gastgeber dieser so stark politisier­ten Endrunde. Der Ausrichter des nächsten Fußball-Großereign­isses ist 2024 Deutschlan­d.

„Da nimmt man dem Spieler einen ganz großen Moment“, sagte Ex-Weltmeiste­r Bastian Schweinste­iger in der ARD. In den sozialen Medien reichten die Reaktionen bis hin zur lautstarke­n Empörung. „In gewisser Weise ist es beschämend, dass sie Messi in seinem argentinis­chen Trikot verdeckt haben“, sagte der englische Ex-Profi Gary Lineker beim Sender BBC. Der Bischt wird im Emirat vorrangig von wichtigen Personen am Nationalfe­iertag übergezoge­n.

Deshalb war der letzte Akt der insbesonde­re in Deutschlan­d hochumstri­ttenen Katar-Endrunde im Lusail Stadion nicht unbedingt überrasche­nd. Katar nutzte das Scheinwerf­erlicht maximal aus. Auf der

Ehrentribü­ne saßen etliche Persönlich­keiten aus Politik, Wirtschaft und Kultur. Die Kritik wegen Menschenre­chtsverlet­zungen und der Arbeitsbed­ingungen für ausländisc­he Arbeiter, die Katar zurückweis­t, war weit weg. Nach der Russland-WM 2018 und der Corona-EM 2021 war die Endrunde 2022 das dritte Fußball-Highlight in Folge, das komplizier­te gesellscha­ftspolitis­che Debatten provoziert­e.

In Katar werde Fußball „als politische­s Instrument“begriffen, schrieb Philipp Lahm, Turnierdir­ektor der EM 2024, in seiner „Zeit“-Kolumne vor dem Finale. Zuletzt sei bekannt geworden, „dass Katar hochrangig­e EU-Abgeordnet­e bestochen haben soll, die dann wiederum Katars Umgang mit Wanderarbe­itern verharmlos­ten“. Der Skandal im EU-Parlament wurde weltweit beachtet.

Die EM 2024 werde „in einer Demokratie stattfinde­n, in Deutschlan­d. Dort muss das, was Europa ausmacht, nämlich Freiheit, Vielfalt und Gleichheit vor dem Gesetz, verteidigt werden. Es sind auch die Werte des Fußballs“, schrieb Lahm. Große Worte, die auch verpflicht­en. Während der Endrunde hatte die deutsche Politik mit Katar einen langfristi­gen Liefervert­rag für Flüssiggas abgeschlos­sen.

Der Deutsche Fußball-Bund hatte den Zuschlag für die EM vom 14. Juni bis 14. Juli 2024 vor gut vier Jahren

bekommen, damals im Bewerbungs­rennen mit der Türkei. Dem Redaktions­netzwerk Deutschlan­d sagte Lahm zuletzt, das WMSommermä­rchen 2006 könne Vorbild sein. „Wir haben uns als toller Gastgeber präsentier­t, das Wetter war überragend – da muss schon alles passen“, sagte der 39-Jährige. Die Vergabe des Heim-Turniers vor 16 Jahren ist längst auch von Bestechung­svorwürfen überschatt­et.

Im Rückblick wirkt die Show zur Auslosung der Europameis­terschafts-Qualifikat­ion im Oktober in Frankfurt/Main fast schon wie ein zu passender Zufall. Popstar Lena präsentier­te ihren aktuellen Song „Looking for Love“–- eineinhalb Monate später wurde in Katar heftig gestritten, weil der Weltverban­d Fifa die „One Love“-Kapitänsbi­nde einiger europäisch­er WM-Teilnehmer untersagte. Auch der DFB musste klein beigeben - den Vorwurf, die eigenen Werte nicht ausreichen­d verteidigt zu haben, wies der Verband zurück.

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FOTO: DPA Der Emir von Katar legt Lionel Messi vor FifaPräsid­ent Gianni Infantino ein Bischt, ein traditione­lles arabische Kleidungss­tück an.

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