Rheinische Post - Xanten and Moers
Kita-Debatte in Alpen
Wikipedia schreibt über Gemeinwohl: Politische Entscheidungen, welche einem Teil dieser Gesellschaft größeren Nutzen stiften, als durch sie Nutzen in den anderen Gruppen der Gesellschaft verloren geht, gelten als Steigerung des Gemeinwohls. Das genaue Ausmaß des Konstrukts „Nutzen“ist jedoch nicht allgemeingültig messbar, weshalb sich immer wieder Streit daran entzünden muss, ob ein Vorhaben tatsächlich die Wohlfahrt mehrt oder mindert.“Verwaltung und Rat sind dem Gemeinwohl verpflichtet.
Anfang der 90er Jahre ist die Kita im Dahlacker – nach der Devise „kurze Beine, kurze Wege“– ganz nah am Neubaugebiet entstanden. Parteien und Rat waren sich damals einig: Auch damals gab es schon zu wenig Kita-Plätze für die vielen Neubürger-Familien. Viktoria Alpen hatte sich bereits mit der Lösung Kita und Tagespflege einverstanden erklärt, Investor DRK auch. Die Feuerwehr stört der Bau offenbar auch nicht. Die Kita-Platznot gibt es rechnerisch erst in der Zukunft. Hoffentlich ist es dann nicht zu spät.
Ich bin froh, dass es bei „ kurze Beine, kurze Wege“bleibt. Entschieden durch ein demokratisch gewähltes Gremium. Nach der Ratsentscheidung zum neuen Kita-Standort konzentriert sich der Streit nicht mehr allein auf den kleineren oder größeren Nutzen. Es wird die Rechtmäßigkeit und Vertrauenswürdigkeit der Entscheider öffentlich infrage gestellt. Das richtet sich gegen den demokratischen Prozess, gegen gewählte Mandatsträger – aber vor allem gegen eine Person. Über die Frage nach dem Warum kann man nur spekulieren.
Nach drei Jahren Corona, nach abendfüllenden Kriegsnachrichten, Teuerungen, anhaltender Inflation, Naturkatastrophen und ständigen Klimanachrichten hat viele der „Blues“erfasst. Es ist ein zunehmender Rückzug ins Private zu beobachten. Wundert es da, dass bei einigen nur noch der eigene Standpunkt zählt? Dass die Grenzen des Anstandes sowie Vereinbarungen des Zusammenlebens überschritten werden, dass Gemeinschaftsveranstaltungen gemieden, Gemeinschaften ganz verlassen, in „Sozialen Medien“Hass und Hetze über Personen verbreitet werden? Es wundert nicht, ist aber nicht hinnehmbar. Das Grundgesetz hat eine demokratische Grundordnung etabliert – wir hatten 77 Jahre Frieden in Europa und überwiegend Wohlstand. Gesellschaftliche Gemeinschaften arbeiten nach demokratischen Prinzipien. Wir leben weiter gut in einer pluralistischen Gesellschaft. Neue Herausforderungen verursachen Ängste, bieten aber auch Chancen.
Alle politischen Entscheidungen, insbesondere in demokratischen Systemen, unterliegen einem grundsätzlichen Dilemma. Eine Entscheidung für etwas ist immer auch eine Entscheidung gegen etwas. Damit können nicht immer alle zufrieden sein. Man kann es nicht allen trotz größtmöglicher Beteiligung recht machen. Niemand kann ständig nur gewinnen. Perfide wird es, wenn die Unzufriedenen einen Sündenbock ausmachen und ohne erkennbare, erreichbare alternative Lösungen bewusst an der Teilung unseres Gemeinwesens arbeiten.
Gerade in der Adventszeit sollte es gelingen, Gemeinschaften, denen man angehört, weiter aktiv zu unterstützen. Das „Aufeinanderzugehen“nach einem Dissens gehört zur demokratischen Streitkultur, um sich gegenseitiger Achtung zu versichern – in Zeiten von Krieg und Not ist das nötiger denn je.