Rheinische Post - Xanten and Moers
Ärzte bieten Video-Kindernotdienst an
Um die Notaufnahmen zu entlasten, bieten NRW-Ärzte über die Feiertage Online-Sprechstunden für kranke Kinder an. Bei Medikamenten gibt es neue Knappheiten – auch für Allergiker. Laumann fordert Lauterbach zum Handeln auf.
DÜSSELDORF Die Infektionswelle bei Kindern bringt Praxen und Krankenhäuser in NRW an die Belastungsgrenze. Nun richtet die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein (KV) über die Feiertage einen zusätzlichen Notdienst ein: Ab dem 24. Dezember haben Eltern an den Weihnachtstagen, Mittwochnachmittagen sowie Wochenenden die Möglichkeit, sich per Videoanruf von einem Kinderarzt beraten zu lassen, wie die KV am Dienstag ankündigte. „Für die Eltern hat die Videosprechstunde den großen Vorteil: Sie können am Bett ihres Kindes sitzen bleiben und müssen nicht den Weg in die Notdienstpraxis auf sich nehmen“, sagte KV-Chef Frank Bergmann. Zugleich solle so der kinderärztliche Notdienst entlastet werden.
Darauf setzt auch NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU): „Mit diesem Angebot per Video sollen Eltern erkrankter Kinder eine weitere Anlaufstelle haben, die Orientierung zur Notwendigkeit eines Arztbesuches bietet“, sagte Laumann. „Der ambulante Notdienst für Kinder ist aktuell durch die hohe Anzahl an Krankheiten durch RS-Viren, Influenza und Corona sowie die krankheitsbedingten Personalausfälle überlastet. Die Folge ist auch eine Überlastung der Kinderkliniken.“
So soll der Video-Notdienst funktionieren: Eltern melden sich über die Nummer 0211/5970-7284 für die telemedizinische Beratung an und erhalten per Mail oder SMS einen Link, mit dem sie über Smartphone oder Computer der Videosprechstunde beitreten. In Düsseldorf und Köln sitzen Kinderärzte, die sich das kranke Kind dann per Webcam anschauen und von den Eltern Fieberund andere Angaben erfragen. Sie geben Rat und empfehlen rezeptfreie Arzneien. Sie können keine Rezepte für rezeptpflichtige Mittel ausstellen, in ernsten Fällen verweisen sie die Familien an den ambulanten Kindernotdienst.
Um den Engpass an Fiebersäften zu beseitigen, will Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) nun die Preisgestaltung neu regeln und für Anbieter wirtschaftlich attraktiver machen. So will er die Krankenkassen anweisen, dass sie den Herstellern bestimmter Kinder-Medikamente 50 Prozent mehr zahlen, als diese bislang als Festbetrag erhalten. Festbeträge gibt es für
Arzneien, deren Patentschutz abgelaufen ist (Generika). Auch sollen die Rabattverträge reformiert werden, bei denen Europas Hersteller oft leer ausgehen.
Für die Kassenärztliche Bundesvereinigung und den Herstellerverband Pro Generika gehen die Pläne in die richtige Richtung. Der Apothekerverband Nordrhein sieht darin keine Lösung: „Die Vorschläge des Bundesgesundheitsministers sind ein Tropfen auf den heißen Stein. Sie beseitigen das strukturelle Problem nicht, das in der unzureichenden Finanzierung von Basismedikamenten besteht“, sagte Verbandschef Thomas Preis. Es werde viele Monate dauern, bis die Versorgung besser werde. „Wir gehen davon aus, dass die Lieferprobleme auch 2023 anhalten und weitere Mittel betroffen sein werden.“Täglich würden neue Medikamente knapp: „Aktuell fehlen Mittel zur Desensibilisierung von Allergikern, die sollen erst im Mai kommen – wenn die Pollensaison begonnen hat. Dann kann man aber nicht mehr desensibilisieren“, warnte Preis. Er hält auch nichts davon, wie von der Bundesärztekammer vorgeschlagen, einen Flohmarkt einzurichten: „Es besteht die Gefahr, dass Medikamente falsch genommen werden oder gefälschte Medikamente in den Umlauf kommen. Medikamente gehören nicht auf den Flohmarkt, sondern in die Apotheke. Ärzte behandeln ja auch nicht auf dem Jahrmarkt.“
Der Spitzenverband der Krankenkassen sprach von einem „beeindruckenden Weihnachtsgeschenk für Pharmaunternehmen“, dessen Wirkung in den Sternen stehe. NRW forderte den Bund auf, den Arznei-Import aus dem Ausland zu erleichtern: „Die Versorgungslage ist sehr angespannt. Ich habe Minister Lauterbach aufgefordert, einen Versorgungsmangel festzustellen“, sagte Laumann. Bei einem Versorgungsmangel kann dem Großhandel erlaubt werden, Arzneimittel auf Vorrat zu importieren, die nicht in deutscher Sprache gekennzeichnet sind.