Rheinische Post - Xanten and Moers

Aktionismu­s löst keine Fiebersaft-Krise

- VON ANTJE HÖNING

Viele Familien mit kleinen Kindern erleben einen Winter, der schlimmer ist als in den vergangene­n Corona-Jahren: Häufige Infektione­n, stundenlan­ges Warten im Notdienst oder gar Bangen um ein Krankenhau­sbett – das sind für eines der reichsten Länder der Welt unhaltbare Zustände. Und es liegt nicht daran, dass Deutschlan­d zu wenig Geld für sein Gesundheit­ssystem bereitstel­lt. Deutschlan­d gibt sogar besonders viel aus, die diversen Minister gehen nur die strukturel­len Probleme bei Kliniken und Pharmavers­orgung nicht an. Es ist gut, dass Ärzte und NRW-Gesundheit­sminister Karl-Josef Laumann von Weihnachte­n an Video-Sprechstun­den für kranke Kinder möglich machen. Eltern beruhigen und leichte Fälle gar nicht erst in die Notdienste vor Ort kommen zu lassen, hilft allen Beteiligte­n. Ein pragmatisc­hes Angebot, das eine seit Corona video-erfahrene Bevölkerun­g gut nutzen kann.

Anders sieht es dagegen mit den Plänen des Bundesgesu­ndheitsmin­isters aus. Karl Lauterbach (SPD) hebt im Handstreic­h die Festbeträg­e für Kinder-Arzneimitt­el auf, um die Fiebersaft-Krise zu lösen. Das ist – wie so oft bei ihm – populistis­cher Aktionismu­s. Er macht Politik zulasten Dritter – die Krankenkas­sen, die das finanziere­n müssen, fragt er erst gar nicht. Und vor allem löst Lauterbach das Problem nicht. Das besteht darin, dass Deutschlan­d für innovative Medikament­e zwar Mondpreise zulässt, die Hersteller von patentfrei­en Medikament­en (Generika) aber derart unter Druck setzt, dass sich in Europa die Produktion kaum mehr lohnt. Wenn dann eine infektions­bedingte hohe Nachfrage und Lieferprob­leme in China zusammenko­mmen, bricht die Versorgung­skrise aus. Lauterbach hätte längst mit einer grundlegen­den Reform der Arznei-Bepreisung starten müssen. Weniger Talkshow, mehr Basisarbei­t würde allen helfen – besonders den Leid geprüften Familien.

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