Rheinische Post - Xanten and Moers
Lange Unterhosen und ein Beistandspakt
Ministerin Lambrecht besucht die deutschen Soldaten in der Slowakei und kündigt Unterstützung an.
LEST/SILAC Noch vier Tage bis Heiligabend. Die Männer von der Feldpost bekommen hier im slowakischen Lest gerade mehr Sendungen rein als rausgehen. Und jetzt ist auch noch die Ministerin da. Major Marcel Z. (33) ist mit seinen Gebirgsjägern aus Bad Reichenhall seit gut einer Woche beim Nato-Partner Slowakei im Einsatz. Auf 600 Metern Höhe. Für Gebirgsjäger eher Flachland. Der Major sagt später: „Wir können nicht nur Berg.“Aber was soll es: Auftrag ist Auftrag. Und dieser Auftrag verlangt von den rund 250 deutschen Soldatinnen und Soldaten im Camp Simakov Laz, das Bündnisgebiet mit ihrer verstärkten Infanteriekompanie hier an der Nato-Ostflanke zu schützen.
Wäre die Bundeswehr noch in Afghanistan, wäre Christine Lambrecht jetzt vermutlich in Masar-i-Scharif. Aber die Mission am Hindukusch ist seit August 2021 beendet – mit einer Blamage für den Westen. So ist die deutsche Verteidigungsministerin kurz vor Weihnachten aufgebrochen, die deutschen Soldatinnen und Soldaten an der Ostflanke des Bündnisgebietes in der Slowakei zu besuchen. Dort, wo die Nato als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine beschlossen hat, die eigene Luftabwehr zu stärken und sich auch mit
Bodentruppen besser aufzustellen. Ihr slowakischer Amtskollege Jaroslav Nad, den sie zuvor in Bratislava getroffen hat, freut sich erkennbar über den Gast. Lambrecht ist in diesem Jahr bereits das zweite Mal in seinem Land. Erst hat die Chefin der Bonner Hardthöhe und des Berliner Bendlerblocks dem NatoPartner Slowakei zwei BundeswehrStaffeln mit dem Flugabwehrsystem „Patriot“geschickt. Und nun steht auch noch der erste „Leopard 2A4“Kampfpanzer auf dem Hof, den Deutschland im Rahmen des Ringtausches an die Slowakei abgibt. 14 weitere „Leopard“folgen 2023.
Lambrecht ist am Abend weiter gereist, 200 Kilometer mit dem Auto nach Sliac im Zentrum der Slowakei, wo sie den deutschen Anteil – ebenfalls 250 Soldaten – am multinationalen Flugabwehrraketenverband der Nato besucht. Eine Fahrt nicht ohne Zwischenfall. In der rasenden Kolonnenfahrt mit rund zwölf Fahrzeugen hinter dem Auto der Ministerin kommt es zum Auffahrunfall mit den Bussen der mitreisenden Journalisten. Es kracht heftig. Zum Glück nur Blechschaden, keine Verletzten.
Schaden hat die Bundeswehr derzeit mit dem Schützenpanzer „Puma“. Der Ärger darüber ist mitgereist, doch Lambrecht hat den Slowaken ein Gastgeschenk mitgebracht. Amtskollege Nad darf sich darüber freuen, dass bald ein weiteres Flugabwehrsystem, Typ „Mantis“, in seinem Land stationiert wird. Es hat besondere Fähigkeiten auf kurzen Distanzen, im sogenannten „Nahbereich“, und soll in der Ostslowakei eingesetzt werden. „Mantis“kann auch kleinere Objekte ins Visier nehmen, Drohnen etwa, wenn diese das Bündnisgebiet anfliegen sollten – und sei es aus Versehen, wie zuletzt geschehen an der polnischukrainischen Grenze mit zwei Toten.
In Sliac gesteht Lambrecht vor 70 Soldatinnen und Soldaten: „Ich habe jetzt nicht die ganz, ganz dollen Nachrichten dabei.“Weihnachten gehe es für die meisten Soldaten hier eben nicht nach Hause. Eine „große Entbehrung“sei dies – im Namen der Bündnisverteidigung.
Eine Station weiter steht die Verteidigungsministerin
am nächsten Tag im eiskalten Wind der 600-Meter-Anhöhe von Lest, gut 200 Kilometer von der Grenze zur Ukraine entfernt. Lambrecht verweist hier auf den „Instandsetzungs-Hub“, ein Wartungszentrum für Gerät aus der Ukraine, das die Bundeswehr wiederum im slowakischen Michalovce sehr nah an der ukrainischen Grenze betreibt. Die Bundeswehr repariert dort Fahrzeuge, Panzer und Waffen aus deutschen Beständen, die Deutschland an die Ukraine geliefert hat. Die Streitkräfte des von Russland angegriffenen Landes sollen so einsatz- und verteidigungsfähig bleiben. Es gehe auch darum, die Durchhaltefähigkeit der Ukraine in ihrem Abwehrkampf zu stärken, so die SPD-Politikerin.
„Guten Morgen“, sagt Lambrecht und begrüßt den Gebirgsjäger-Major mit Handschlag. Der Kompaniechef ist froh, dass die neue persönliche Ausrüstung der Bundeswehr schon bei seinen Leuten angekommen ist. Darunter auch lange Unterhosen, Handschuhe, neue Schießbrillen, neue Schutzwesten. „Gute Ausrüstung“, versichert der Major. Zeitenwende? Der Kompaniechef erklärt, Deutschland sei vielleicht „etwas friedensverwöhnt“. Als Armee müsse sich die Truppe wieder damit auseinandersetzen, „nicht nur zu kämpfen, sondern auch zu sterben“.