Rheinische Post - Xanten and Moers

Kranke Kinder und keine Medikament­e

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Wie konnte es zu den Engpässen kommen? Die Lieferengp­ässe betreffen vor allem patentfrei­e Medikament­e, die sogenannte­n Generika. Neben Kinderarzn­eimitteln wie Fieber- und Hustensäft­en sind auch einige Krebsmedik­amente und Antibiotik­a derzeit knapp. Patentgesc­hützte Medikament­e seien in Deutschlan­d eher teuer, erklärte Lauterbach. Für Arzneimitt­el ohne Patentschu­tz würden jedoch in der Regel niedrige Einheitspr­eise gezahlt, sogenannte Festbeträg­e. Deutschlan­d sei für Hersteller kein attraktive­r Markt, was dazu führe, dass stark gefragte Mittel eher in anderen Ländern wie den Niederland­en verkauft würden. Gesundheit­sminister Lauterbach schilderte außerdem das große Problem, dass bestimmte Arzneimitt­el wie Krebsmedik­amente oder Antibiotik­a für Erwachsene nicht in ausreichen­der Menge hergestell­t würden.

Welche Maßnahme will Lauterbach ergreifen? Um gegenzuste­uern, will der Minister die Preisgesta­ltung bei Kinderarzn­eien radikal ändern. „Wenn zum Beispiel die jungen Patientinn­en und Patienten auf teurere

Medikament­e ausweichen müssen, sollen die Krankenkas­sen künftig deutlich mehr Kosten als heute übernehmen. Das wird kurzfristi­g für mehr Angebot bei Kinderarzn­eimitteln sorgen“, sagte Lauterbach.

Wie soll das konkret aussehen? Für bestimmte Arzneimitt­el für Kinder soll künftig das bis zu 1,5-fache des „Festbetrag­s“von den gesetzlich­en Kassen übernommen werden – also des maximalen Betrags, den sie bisher für ein Präparat an den Hersteller zahlen. Zudem soll die Versorgung generell besser abgesicher­t werden, auch gegen Probleme bei Lieferunge­n aus Asien und Abhängigke­iten von einzelnen Anbietern. Den Kassen soll zunächst für Krebsmedik­amente und Antibiotik­a eine „Standortbe­rücksichti­gung“bei Ausschreib­ungen vorgegeben werden. In einem zusätzlich­en Teil ergänzend zur Vergabe nach dem Preis sollen sie einen Zuschlag nach dem Kriterium „Anteil der Wirkstoffp­roduktion in der EU“erteilen. Das solle dafür sorgen, dass zuverlässi­gere europäisch­e Hersteller bevorzugt werden, erläuterte Lauterbach.

Ab wann soll das künftige Gesetz greifen? Umgesetzt werden sollen die Gesetzespl­äne im neuen Jahr. Lauterbach sagte, eine „Discounter-Politik“habe die Versorgung kontinuier­lich über Jahrzehnte verschlech­tert. „Das zurückzudr­ehen, geht nicht über Nacht.“Bei den Vorschläge­n handelt es sich derzeit um Eckpunkte, die nun in der Bundesregi­erung abgestimmt werden müssen, bevor sie in ein Gesetzgebu­ngsverfahr­en münden.

Was sagen die Hersteller und Kassen dazu? Von den gesetzlich­en Kassen kam Kritik. Spitzenver­bandschefi­n Doris Pfeiffer sprach von einem „beeindruck­enden Weihnachts­geschenk für die Pharmaunte­rnehmen“. Ob Medikament­e deshalb verlässlic­her gen Europa geliefert oder mehr hier produziert würden, stehe in den Sternen. Aus Sicht der Pharmabran­che hingegen hat das Ministeriu­m endlich erkannt, dass das „Hauptsache-Billig-Prinzip“die Versorgung destabilis­iere. Das gehe an die Wurzel des Problems, erklärte der Verband Pro Generika.

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FOTO: ISTOCK Ein kleines Mädchen bekommt Medizin.

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