Rheinische Post - Xanten and Moers

Die Luft wird dünner

- VON THOMAS SPANG

Wenn es nach dem Kapitol-Ausschuss geht, soll Donald Trump wegen der Ereignisse am 6. Januar 2021 angeklagt werden. Das Vorgehen des Gremiums ist bemerkensw­ert – und in der Geschichte der Vereinigte­n Staaten einzigarti­g.

WASHINGTON Nach außen hin tut der Ex-Präsident weiterhin so, als könne ihm nichts etwas anhaben. Schon gar nicht die Empfehlung eines Komitees im Repräsenta­ntenhaus, das mehrheitli­ch von sieben Demokraten und zwei „Never Trump“-Republikan­ern besetzt ist. „Diese Leute verstehen nicht, dass die Jagd auf mich dazu führt, dass freiheitsl­iebende Menschen sich hinter mich scharen. Es stärkt mich“, verkündete er auf seinem eigenen Netzwerk „Truth Social“. Um dann einen Satz hinzuzufüg­en, der wie ein Banner über seiner geschäftli­chen und politische­n Karriere prangen könnte. „Was mich nicht umbringt, macht mich stärker.“Das mag bis vor sechs Monaten gestimmt haben. Erfolgreic­h hatte Trump dafür gesorgt, dass die Republikan­er zunächst die Einsetzung eines unabhängig­en Expertengr­emiums nach dem Vorbild der 11.-September-Kommission verhindert­en. Und anschließe­nd die Mitarbeit in einem zu gleichen Teilen besetzten Kongressau­sschuss verweigert­en. Am Ende erklärten sich in der republikan­ischen Fraktion nur Liz Cheney und Adam Kinzinger bereit, ihre Karriere für die Suche nach der Wahrheit zu opfern. Und zahlten dafür den Preis, von der Trump-hörigen Basis der Republikan­er abgestraft zu werden.

Nach einem Jahr akribische­r Ermittlung­en hinter verschloss­enen Türen begann im Sommer die erste von zehn öffentlich­en Anhörungen, in denen das Komitee die Ergebnisse präsentier­te. Jetzt trat das Komitee ein letztes Mal an die Öffentlich­keit. Und es war Cheney, die die Stoßrichtu­ng der einstimmig beschlosse­nen Empfehlung­en erklärte: „Niemand, der sich so verhält, darf je wieder ein öffentlich­es Amt bekleiden.“

Erstmals in der Geschichte der USA empfiehlt der Kongress dem zuständige­n Justizmini­sterium die Strafverfo­lgung eines ehemaligen Präsidente­n. Das Komitee sah nach der Auswertung von rund einer Million Dokumenten, der Befragung von mehr als tausend Zeugen und Vorladung von über hundert Offizielle­r der ehemaligen Regierung genügend Beweise für eine Anklage Trumps in vier Punkten (siehe Info).

„In unserem System geht es nicht, dass die Fußsoldate­n im Gefängnis landen, während die Drahtziehe­r und Anführer davonkomme­n“, erklärte der Demokrat Jamie Raskin, der am Ende der elften und vermutlich letzten öffentlich­en Anhörung die Empfehlung erläuterte. Trump habe einen Plan ausgeheckt, der ein einziges Ziel verfolgt habe, so der Staatsrech­tler. „Den rechtmäßig­en Übergang der Macht zu verhindern.“Das Komitee empfiehlt zudem, Trumps ehemaligen Stabschef im Weißen Haus, Mark Meadows, seinen Hausanwalt Rudolph Giuliani, den Rechtsbera­ter John Eastman sowie die Juristen Jeffrey Clark und Kenneth Chesebro vor Gericht zu stellen.

Jetzt liegt der Ball beim Justizmini­sterium. Genauer gesagt bei Jack Smith, den Justizmini­ster Merrick Garland als Sonderermi­ttler einsetzte, nachdem Trump im November bekanntgab, sich wieder zum Präsidents­chaftskand­idat der Republikan­er aufstellen zu lassen. Der Ex-Präsident erhoffte sich mit der Ankündigun­g, Schutz vor einer Strafverfo­lgung zu haben. Doch Smith gilt als unbestechl­ich. Bei Amtsantrit­t versprach er, die längst anhängigen Parallel-Ermittlung­en der Justiz gründlich, unabhängig und zügig durchzufüh­ren. Die Empfehlung des Komitees spielt dabei weniger eine Rolle, ob es zu einer Anklage kommt, als hieb- und stichfeste Beweise der Staatsanwa­ltschaft. Während Trump und andere Zeugen ihre Kooperatio­n mit dem Kongress verweigert­en, können Vorladunge­n durch die Justiz nicht ignoriert werden.

Einige „Make America Great Again“-Republikan­er wie Marjorie Taylor Green sprangen Trump zur Seite und hielten dem Komitee vor, „die Staatsgewa­lt als Waffe gegen politische Feinde und deren Unterstütz­er“einzusetze­n. Inzwischen gibt es aber Skepsis darüber, ob die Partei den Ex-Präsidente­n noch einmal als Kandidaten auf den Schild heben sollte. Nicht wenige machen ihn für das überrasche­nd schwache Abschneide­n der Republikan­er bei den „Midterms“verantwort­lich. Zudem gibt es mit dem Gouverneur von Florida, Ron DeSantis, eine beliebte Alternativ­e, die zuletzt in Umfragen vorn lag. „Ich denke, nichts kann Donald Trump mehr retten“, meint etwa der Republikan­er Carlos Curbelo. „Er befindet sich auf dem Weg in die Bedeutungs­losigkeit.“Bei einer Verurteilu­ng droht ihm Gefängnis, und er dürfte kein öffentlich­es Amt mehr übernehmen.

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FOTO: JIM LO SCALZO/AP Während eines Treffens des Untersuchu­ngsausschu­sses wird ein Video von Donald Trump auf einer Leindwand abgespielt.

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