Rheinische Post - Xanten and Moers
Die Luft wird dünner
Wenn es nach dem Kapitol-Ausschuss geht, soll Donald Trump wegen der Ereignisse am 6. Januar 2021 angeklagt werden. Das Vorgehen des Gremiums ist bemerkenswert – und in der Geschichte der Vereinigten Staaten einzigartig.
WASHINGTON Nach außen hin tut der Ex-Präsident weiterhin so, als könne ihm nichts etwas anhaben. Schon gar nicht die Empfehlung eines Komitees im Repräsentantenhaus, das mehrheitlich von sieben Demokraten und zwei „Never Trump“-Republikanern besetzt ist. „Diese Leute verstehen nicht, dass die Jagd auf mich dazu führt, dass freiheitsliebende Menschen sich hinter mich scharen. Es stärkt mich“, verkündete er auf seinem eigenen Netzwerk „Truth Social“. Um dann einen Satz hinzuzufügen, der wie ein Banner über seiner geschäftlichen und politischen Karriere prangen könnte. „Was mich nicht umbringt, macht mich stärker.“Das mag bis vor sechs Monaten gestimmt haben. Erfolgreich hatte Trump dafür gesorgt, dass die Republikaner zunächst die Einsetzung eines unabhängigen Expertengremiums nach dem Vorbild der 11.-September-Kommission verhinderten. Und anschließend die Mitarbeit in einem zu gleichen Teilen besetzten Kongressausschuss verweigerten. Am Ende erklärten sich in der republikanischen Fraktion nur Liz Cheney und Adam Kinzinger bereit, ihre Karriere für die Suche nach der Wahrheit zu opfern. Und zahlten dafür den Preis, von der Trump-hörigen Basis der Republikaner abgestraft zu werden.
Nach einem Jahr akribischer Ermittlungen hinter verschlossenen Türen begann im Sommer die erste von zehn öffentlichen Anhörungen, in denen das Komitee die Ergebnisse präsentierte. Jetzt trat das Komitee ein letztes Mal an die Öffentlichkeit. Und es war Cheney, die die Stoßrichtung der einstimmig beschlossenen Empfehlungen erklärte: „Niemand, der sich so verhält, darf je wieder ein öffentliches Amt bekleiden.“
Erstmals in der Geschichte der USA empfiehlt der Kongress dem zuständigen Justizministerium die Strafverfolgung eines ehemaligen Präsidenten. Das Komitee sah nach der Auswertung von rund einer Million Dokumenten, der Befragung von mehr als tausend Zeugen und Vorladung von über hundert Offizieller der ehemaligen Regierung genügend Beweise für eine Anklage Trumps in vier Punkten (siehe Info).
„In unserem System geht es nicht, dass die Fußsoldaten im Gefängnis landen, während die Drahtzieher und Anführer davonkommen“, erklärte der Demokrat Jamie Raskin, der am Ende der elften und vermutlich letzten öffentlichen Anhörung die Empfehlung erläuterte. Trump habe einen Plan ausgeheckt, der ein einziges Ziel verfolgt habe, so der Staatsrechtler. „Den rechtmäßigen Übergang der Macht zu verhindern.“Das Komitee empfiehlt zudem, Trumps ehemaligen Stabschef im Weißen Haus, Mark Meadows, seinen Hausanwalt Rudolph Giuliani, den Rechtsberater John Eastman sowie die Juristen Jeffrey Clark und Kenneth Chesebro vor Gericht zu stellen.
Jetzt liegt der Ball beim Justizministerium. Genauer gesagt bei Jack Smith, den Justizminister Merrick Garland als Sonderermittler einsetzte, nachdem Trump im November bekanntgab, sich wieder zum Präsidentschaftskandidat der Republikaner aufstellen zu lassen. Der Ex-Präsident erhoffte sich mit der Ankündigung, Schutz vor einer Strafverfolgung zu haben. Doch Smith gilt als unbestechlich. Bei Amtsantritt versprach er, die längst anhängigen Parallel-Ermittlungen der Justiz gründlich, unabhängig und zügig durchzuführen. Die Empfehlung des Komitees spielt dabei weniger eine Rolle, ob es zu einer Anklage kommt, als hieb- und stichfeste Beweise der Staatsanwaltschaft. Während Trump und andere Zeugen ihre Kooperation mit dem Kongress verweigerten, können Vorladungen durch die Justiz nicht ignoriert werden.
Einige „Make America Great Again“-Republikaner wie Marjorie Taylor Green sprangen Trump zur Seite und hielten dem Komitee vor, „die Staatsgewalt als Waffe gegen politische Feinde und deren Unterstützer“einzusetzen. Inzwischen gibt es aber Skepsis darüber, ob die Partei den Ex-Präsidenten noch einmal als Kandidaten auf den Schild heben sollte. Nicht wenige machen ihn für das überraschend schwache Abschneiden der Republikaner bei den „Midterms“verantwortlich. Zudem gibt es mit dem Gouverneur von Florida, Ron DeSantis, eine beliebte Alternative, die zuletzt in Umfragen vorn lag. „Ich denke, nichts kann Donald Trump mehr retten“, meint etwa der Republikaner Carlos Curbelo. „Er befindet sich auf dem Weg in die Bedeutungslosigkeit.“Bei einer Verurteilung droht ihm Gefängnis, und er dürfte kein öffentliches Amt mehr übernehmen.