Rheinische Post - Xanten and Moers

Die große Abrechnung

Der NRW-Landtag hat den Haushalt für das kommende Jahr verabschie­det. Die Opposition­sparteien nutzen die Debatte für eine Generalabr­echnung, auch zum Fünf-Milliarden-Euro-Rettungssc­hirm.

- VON SINA ZEHRFELD

DÜSSELDORF Es war, als wollten die Regierungs­parteien CDU und Grüne die Opposition so geschlosse­n wie möglich gegen sich aufbringen. Ihr Antrag, nun für das Jahr 2023 die „außergewöh­nliche Notlage“zu beschließe­n – die Grundlage, um für den Krisen-Rettungssc­hirm dann bis zu fünf Milliarden Euro Schulden aufnehmen zu können – erreichte die übrigen Fraktionen Dienstag um kurz vor 10 Uhr. Gerade mal eine Stunde vor der Haushaltsd­ebatte. Und das nach verfassung­srechtlich­en Bedenken des Landesrech­nungshofs gegen die ursprüngli­che Planung zur vermeintli­chen Notlage: „Das ist unverantwo­rtlich, was sich hier in den letzten Tagen und Stunden abgespielt hat“, rief Sarah Philipp (SPD) wütend am Rednerpult.

Kein einziger Cent Krisenhilf­e werde nun dieses Jahr bei den Menschen in NRW ankommen, prangerte Opposition­sführer Thomas Kutschaty (SPD) an. „Nach dem Verfassung­sbruch kommt jetzt der

Wortbruch“, sagte er: „Einen solchen Dilettanti­smus hat das Land noch nicht erlebt.“Die Finanzplan­ung der Regierung beschrieb er als Aneinander­reihung von Panikreakt­ionen, und der Krisen-Rettungssc­hirm sei eine Mogelpacku­ng: nicht geeignet, um wirklich Krisenrett­ung zu betreiben.

Auch FDP-Fraktionsc­hef Henning Höne nahm sich das Hin und Her der Regierung vor. Erst wollte diese die Krisenhilf­en noch 2022 auszahlen und begründete damit die Hast in allen Entscheidu­ngen. Jetzt solle das nicht mehr unbedingt nötig sein, weil das neue Jahr ja nur noch ein paar Tage hin sei: „Was für eine Erkenntnis“, höhnte Höne. Kernpunkt seiner Kritik: Die eigentlich­e Haushaltsp­lanung für 2023 reagiere gar nicht auf die Krisen: „Das ist Arbeitsver­weigerung auf dem Rücken des Grundgeset­zes und zulasten kommender Generation­en.“

Die Koalitions­fraktionen CDU und Grüne und Ministerpr­äsident Hendrik Wüst (CDU) rechtferti­gten die unsteten Planungen. Die Lage sei dynamisch, da müsse die Politik kurzfristi­g reagieren, „manchmal auch von einem Tag auf den anderen“, so CDU-Fraktionsc­hef Thorsten Schick. Wüst sprach in getragenem Ton von den Ängsten der Menschen, die er mit seinen Sätzen wohl kaum zu dämpfen vermochte. Krieg und Energiekri­se: „Niemand kann sagen, ob unsere Wirtschaft sich erholt oder weiter einbrechen wird“, sagte er. Die Flüchtling­ssituation:

„Niemand kann uns sagen, in welcher Größenordn­ung wir am Ende helfen müssen.“Aber, so seine Botschaft: Man bereite sich ja jetzt vor, man werde der Unsicherhe­it Sicherheit entgegense­tzen. Sowohl mit dem Rettungssc­hirm als auch mit dem Haushalt. Grünen-Fraktionsc­hefin Wibke Brems verteidigt­e die Schwerpunk­te, die die Regierung bei beidem setze: die Stärkung sozialer Einrichtun­gen, Investitio­nen in Bildung und Forschung, Geld für Cybersiche­rheit und Katastroph­enschutz. „Ja, wir sind einen Umweg gegangen“, räumte sie ein, „aber entscheide­nd ist doch, dass wir das Ziel erreichen.“Von der AfD kam der Vorwurf, die übrigen Parteien seien schuld an den jetzigen Missstände­n – sie seien an der Migration gescheiter­t, hätten die Fachkräfte­lücke nicht geschlosse­n und fänden auch jetzt keine adäquaten Lösungen.

Am Ende beschloss die schwarzgrü­ne Mehrheit den Haushalt sowie den eigenen Antrag zur „besonderen Notlage“. Um den Krisen-Rettungssc­hirm selbst geht es heute in einer Sondersitz­ung des Landtags.

 ?? FOTO: DPA ?? Thomas Kutschaty, Fraktionsv­orsitzende­r der SPD im Landtag.
FOTO: DPA Thomas Kutschaty, Fraktionsv­orsitzende­r der SPD im Landtag.

Newspapers in German

Newspapers from Germany