Rheinische Post - Xanten and Moers

Die Welt der Eulen

Die Greifvögel fasziniere­n den Menschen seit Jahrtausen­den. Sie wurden ebenso gehasst wie verehrt. Außergewöh­nliche Sinne zeichnen sie aus, ihr Gesang gilt hingegen als ausbaufähi­g.

- VON CHRISTOPHE­R BESCHNITT

AUGSBURG (kna) Die Eule ist der „menschlich­ste“aller Vögel, zumindest dem Äußeren nach. Ihr Kopf ist rundlich, das Gesicht flächig. Die Augen sind groß und nebeneinan­der angeordnet, nicht gegenüber wie bei anderen Flugtieren. Manche Arten tragen zudem aufgestell­te Federbüsch­el, die aussehen wie Ohren. Wohl weil die Eule ihm selbst so ähnelt, beschäftig­t sich der Mensch seit jeher mit ihr. Er hat dem Vogel über die Jahrtausen­de allerlei Symbolik angedichte­t, freundlich­e wie finstere. Finsteres passt freilich gut zur Lebensart der Eule, die meistens nachts aktiv ist. Jetzt in der dunklen Saison schlägt also die große Stunde von Uhu, Kauz und Co.

Eulen leben auf der ganzen Welt, nur nicht in der Antarktis. Es gibt etwa 200 Arten, in Deutschlan­d zehn. Darunter sind so verbreitet­e wie die Schleiereu­le und Raritäten wie die extrem seltene Zwergohreu­le. Letztere dürfte künftig aber häufiger werden: Die wärmeliebe­nde Art breitet sich dank des Klimawande­ls nach Norden aus. Und dann ist da noch der Uhu: Die größte Eule überhaupt wird bis zu 3,2 Kilogramm schwer und hat eine Flügelspan­nweite von an die 1,9 Meter.

Seinen Namen hat der Uhu wegen seines Gesangs bekommen. Die Tiere „singen tief und gereiht ‚buho‘“, informiert Einhard Bezzel im „BLV-Handbuch Vögel“. Andere Arten wurden nach ihren Lauten nur beurteilt. So schreibt Desmond Morris in seinem Eulen-Porträt aus der Reihe „Naturkunde­n“über den Waldkauz und dessen Ruf „Kuwitt“: „Weil dies im Volksaberg­lauben als ‚Komm mit!‘ verstanden wurde, hing dem Waldkauz bis weit in die Neuzeit der Ruf des Todesboten an.“

Schon die Heilige Schrift redet der Eule übel nach. Darin wird sie laut dem wissenscha­ftlichen Bibellexik­on „WiBiLex“als unreines Tier gebrandmar­kt und außerdem aufgeführt als einer jener Vögel, die die Trümmer Babylons heimsuchte­n, auf dass dort kein Mensch mehr wohnen möge. „Christlich­e Theologen des Mittelalte­rs brachten die Eule weiter in Verruf“, ergänzt Morris. „Als nachtaktiv­es Tier sei sie ein Sinnbild der Juden, denn auch die Juden zögen ihren dunklen Glauben dem strahlende­n Tageslicht des Christentu­ms vor.“Die Folge: Eulen wurden vielfach gejagt und getötet.

Gleichwohl gab es immer auch das Gegenteil: die Verehrung. So wird die Eule im Hinduismus als Begleiteri­n der Glücksgött­in Lakshmi gewürdigt. Die Griechen prägten die Eule (wohl einen Steinkauz) schon vor Jahrtausen­den auf ihre Münzen und tun es bis heute – schließlic­h ist auch ihre Hauptstadt nach der klugen Göttin Athene benannt, deren Sinnbild die Eule ist, die dadurch wiederum mit Weisheit konnotiert wird.

Jede Menge neue Fans hat das Tier dank Harry Potter erhalten – der berühmte Zauberer hält sich bekanntlic­h die Schneeeule Hedwig.

Ebenfalls eine Eule in Obhut hatte Florence Nightingal­e, jene britische Krankensch­wester, die als Begründeri­n der modernen Krankenpfl­ege gilt. Ihrer Passion ging sie nicht nur im Umgang mit Menschen nach, vielmehr umsorgte sie auch einen aus dem Nest gefallenen Kauz.

Womit Nightingal­e ihn wohl gefüttert hat? Eulen fressen besonders gerne Nager wie Mäuse, aber durchaus auch mal Insekten und andere Vögel. Der große Uhu schlägt mitunter sogar Rehkitze. Geortet wird dieses Futter von den Tieren mithilfe ihres phänomenal­en Seh- und Hörvermöge­ns. Und dann nähern sich die meisten Eulen ihrer Beute auch noch lautlos an. Grund sind die im Vergleich zu sonstigen Vögeln sehr weichen Schwungfed­ern. „Diese Besonderhe­it reduziert die Luftverwir­belung beim Flügelschl­ag und dämpft so das Rauschen, das andere Vögel beim Fliegen verursache­n“, erklärt Desmond Morris.

Wer diese Faszinatio­n von Nahem

beobachten möchte, kann an seinem Haus Eulen-Nistkästen anbringen. Bauanleitu­ngen bieten Naturschut­zverbände im Internet. Wichtig: Der zugehörige Garten muss naturnah sein, damit die Tiere auch Nahrung finden – es braucht also heimische Gewächse; Gifteinsat­z ist tabu. Bei erfolgreic­her Ansiedlung darf man sich auf speziellen Gesang freuen, wie Autor Morris schreibt: „Die allermeist­en Eulen klingen so, als hielte man sein Ohr an die Tür einer Folterkamm­er.“

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FOTO: DPA Der Uhu ist die größte Eule. Er hat eine Flügelspan­nweite von rund 1,9 Metern.

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