Rheinische Post - Xanten and Moers

Grafschaft­er und ‚Die Partei‘ verlassen Bündnis

- VON JULIA HAGENACKER

Die Kooperatio­n aus SPD, Grünen, Linker Liste, Grafschaft­ern und ‚Die Partei‘ ist zerbrochen. Wie die Aussteiger-Fraktionen ihre Entscheidu­ng begründen, was das für die Entscheidu­ngsfindung im Stadtrat bedeutet und wie es jetzt weitergeht.

MOERS Es ist eine Nachricht mit Sprengkraf­t, die SPD und Grüne am Dienstagvo­rmittag offenbar wie ein Unwetter aus heiterem Himmel trifft. Über zwei Pressemitt­eilungen lassen die Fraktionen Die Grafschaft­er und Die Partei fast zeitgleich verkünden, dass sie das Mehrheitsb­ündnis im Stadtrat mit SPD, Grünen und Linker Liste verlassen.

„Ich bin aus allen Wolken gefallen“, sagt SPD-Fraktionsc­hef Atilla Cikoglu wenige Stunden später und klingt dabei fassungslo­s. Noch am Montag habe man zusammenge­sessen. „Vielleicht gab es in den vergangene­n Monaten schon mal das Gefühl, dass über das ein oder andere geredet werden muss“, sagt er. „Aber dass die Lage so ernst ist, war mir nicht bewusst.“Auch bei Grünen-Fraktionsc­hefin Gudrun Tersteegen schwankt die Stimmung von überrascht bis entsetzt. „Die Art und Weise, wie diese Entscheidu­ng kommunizie­rt wurde, macht in der Rückschau den Zustand der Kooperatio­n deutlich“, sagt sie. „Der Blick darauf ist schmerzhaf­t.“

Einstimmig habe die Fraktion beschlosse­n, das Fünferbünd­nis umgehend zu verlassen, heißt es in der Bekanntmac­hung der Grafschaft­er. „Dass dieser Beschluss von unseren Mitglieder­n in dieser Art und Weise getroffen wurde, spricht schon für sich“, sagt Fraktionsc­hef Claus Peter Küster. In den vergangene­n zwei Jahren ihres Bestehens habe die Kooperatio­n zu wenig für Moers auf den Weg bringen können. Nicht ernstgenom­men und nur noch vertröstet hätten sich die Grafschaft­er zuletzt gefühlt.

Auch die zunehmende Nähe von SPD und Grünen zur Moerser Stadtverwa­ltung anstatt in Richtung Bürgerscha­ft habe an vielen Stellen nicht zur vollen Zufriedenh­eit beigetrage­n, erklärt Küster. Letztendli­ch sah die Fraktion im jetzigen Bündnis auch ihre eigene Identität mehr und mehr schwinden.

„Uns ist bewusst, dass es in Zeiten der weltweiten Pandemie, der Klimakrise und aufgrund der Folgen des Überfallkr­ieges auf die Ukraine zu gewissen Stillständ­en kommen kann, jedoch ist dies nur bis zu einem bestimmten Grad tolerierba­r“, betont Küster. „Auch und gerade in Krisenzeit­en sind wir als Kommunalpo­litik gefordert, nicht nur zu reagieren, sondern vielmehr zu agieren, um das Heft des Handelns in der Hand zu behalten.“

Die Fraktion, heißt es weiter, sei daher sehr zuversicht­lich, aus der Opposition heraus vieles schneller und besser für Moers bewirken zu können. Dazu gehöre für Die Grafschaft­er“unter anderem die Weiterentw­icklung des Gebietes Kohlenhuck,

zum Beispiel als Standort für Forschung, zur Produktion von grünem Wasserstof­f und Schaffung von zukunftstr­ächtigen Arbeitsplä­tzen.

Durch den Schritt in die Selbststän­digkeit wieder aufs politische Tableau bringen wolle man zudem Themen wie ein Kinderund Jugendparl­ament, die Wiederbele­bung des Moerser Parkfestes und die Schaffung von bezahlbare­m Wohnraum mittels Auflage eines Förderprog­ramms.

Von Beginn an klar war für Küster dabei, dass ein wahrnehmba­rer, die Mehrheiten grundlegen­d verschiebe­nder Ausstieg aus dem Bündnis nur gelingen kann, wenn mindestens zwei der kleinen Partner gemeinsam gehen.

Grafschaft­er, Die Partei und Linke Liste haben jeweils zwei Sitze im Moerser Stadtrat, die Grünen neun und die SPD 16. Mit dem Ausstieg von Grafschaft­ern und Die Partei schrumpft das einstige Fünferbünd­nis also von 31 auf 27 Mitglieder. Die Opposition bestehend aus CDU (14 Sitze plus Bürgermeis­ter Christoph Fleischhau­er), Liberaler Union (vier Sitze), Grafschaft­ern (zwei Sitze), Die Partei (zwei Sitze), Fraktion Für Moers (zwei Sitze), AfD (zwei Sitze) und Einzelrats­mitglied Daniel Friesz kommt nunmehr auf 28 Stimmen.

„In der Konsequenz heißt das, dass man sich künftig bei jeder Entscheidu­ng um Mehrheiten bemühen muss“, sagt Karin Pohl, Fraktionsv­orsitzende der Linken Liste.

„Ich finde das gut, denn das stärkt die Demokratie. Unabhängig davon haben die Fraktionsm­itglieder der Linken Liste beschlosse­n, Teil des Bündnisses mit SPD und Grünen zu bleiben.“

Nicht so die Satire-Partei Die Partei. Die Fraktionsv­orsitzende­n Carsten Born und Carsten Müller nennen unter anderem „machttakti­sche Vorwehen des Wahlkampfs 2025“als Grund für den Austritt aus dem Fünferbünd­nis. Deutschlan­dweit erstmalig in der Geschichte der Partei hatte sich nach der Kommunalwa­hl 2020 in Moers eine Fraktion einem Mehrheitsb­ündnis im Stadtrat angeschlos­sen. Ziemlich genau zwei Jahre später sei es an der Zeit, erneut Geschichte zu schreiben und als erste Partei-Fraktion aller Zeiten ein Mehrheitsb­ündnis zu verlassen, schreiben Born und Müller.

Nach zwei Jahren „5er-Koop“habe sich in Moers nichts bewegt, kritisiere­n die Fraktionsc­hefs: „Es

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RP-FOTO (ARCHIV): CREI Mit dem Austritt von Grafschaft­ern und ‚Die Partei‘ aus dem Fünferbünd­nis verschiebe­n sich im Moerser Stadtrat die Mehrheitsv­erhältniss­e.
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RP-FOTO (ARCHIV): CREI Grafschaft­er-Fraktionsc­hef Claus Peter Küster.
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RP-FOTO (ARCHIV): POGO Carsten Born, Fraktionch­ef ‚Die Partei‘.

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