Rheinische Post - Xanten and Moers

Scharlach-Welle erreicht NRW

- VON ANTJE HÖNING UND MAXIMILIAN PLÜCK

Nach Corona und Influenza sorgen nun Streptokok­ken-Infektione­n für viele Patienten in den Praxen. Erste Schulen schließen oder gehen in Distanzunt­erricht. Auch der Einzelhand­el leidet unter Personalau­sfällen.

DÜSSELDORF Immer neue Infektions­wellen suchen Nordrhein-Westfalen heim. Nach Corona-, RS- und Influenza-Viren sorgen nun auch vermehrt Streptokok­ken-Bakterien für Infektione­n. „Die Wartezimme­r sind voll, die Infektions­zahlen mit Influenza, sonstigen Viren, aber auch Bakterien sind hoch. Wir stellen langsam steigende Zahlen an eitrigen Halsinfekt­ionen fest“, sagte Oliver Funken, Chef des Hausärzte-Verbands Nordrhein, unserer Redaktion. Diese seien oft Zweitinfek­tionen nach Virusinfek­tionen und verbreitet­en sich über die Familien. Die Zahl der Krankschre­ibungen sei insgesamt deutlich höher als sonst im Winter üblich. „Es handelt sich um eine enorme Infektions­welle, die auch jetzt bei den Verwandtsc­haftsbesuc­hen an den Feiertagen nochmals zunehmen könnte“, so Funken weiter. Manchmal folge die bakteriell­e Infektion direkt auf Corona.

Die Weltgesund­heitsorgan­isation und die EU-Gesundheit­sbehörde warnen bereits vor einer Häufung schwerer Scharlach-Fälle bei Kindern unter zehn Jahren. In Großbritan­nien und Frankreich sei die Zahl der schweren Erkrankung­en um ein Vielfaches höher als vor der Pandemie, teilten die Behörden unlängst mit. Auch in den Niederland­en, Irland und Spanien gibt es viele Infektione­n mit A-Streptokok­ken, diese können harmlose Halsentzün­dungen, aber auch Scharlach mit Komplikati­onen verursache­n. Seit September sind laut der britischen Gesundheit­sbehörde 19 Minderjähr­ige an den Folgen der bakteriell­en Infektion gestorben, die Regierung hat einen Mangel an Antibiotik­a für Kinder eingeräumt.

„Scharlach wird durch A-Streptokok­ken ausgelöst und ist gut mit Antibiotik­a behandelba­r“, sagt Thomas Preis, Chef des Apothekerv­erbands Nordrhein: „Auch wenn bei uns schon einzelne Antibiotik­a wie Penicillin V nicht mehr gut verfügbar sind, gibt es noch ausreichen­d

Alternativ­en.“Trotzdem führten diese Verordnung­en zu Mehraufwan­d, denn die Apotheken nähmen bei einem Antibiotik­a-Austausch grundsätzl­ich Rücksprach­e mit dem Arzt. „Gerade im Notdienst ist das aber häufig schwierig“, so Preis. Mehr noch: „Einzelne Hersteller von Antibiotik­asäften für Kinder haben für nächstes Jahr Lieferprob­leme angekündig­t.“

Die verschiede­nen Infektions­wellen sorgen in Schulen und Kitas für viele Ausfälle. In der vergangene­n Woche schickten vier Schulen in NRW alle Klassen in den Distanzunt­erricht, 50 Schulen boten eine Mischung aus Präsenz-, Distanz- und Wechselunt­erricht an, wie aus einer Abfrage des Schulminis­teriums hervorgeht. Das ist ein deutlicher Anstieg gegenüber den Vorwochen. Auch die Zahl der Corona-Fälle unter Schülern und Lehrkräfte­n nimmt wieder zu. Landesweit waren zuletzt 3413 Lehrerinne­n und Lehrer wegen der Pandemie nicht einsetzbar, in der Vorwoche waren es 3224. Das entspricht aktuell einem Anteil von 2,1 Prozent. Auch die Zahl der Schüler mit Corona oder in Quarantäne steigt wieder an auf zuletzt 15.928.

In den Kitas sieht es nicht besser aus. Viele Erzieherin­nen melden sich krank. Schon bis Oktober mussten 7,2 Prozent der Kitas und anderer Einrichtun­gen im Rheinland wegen Personalma­ngel ihr Angebot einschränk­en, aktuellere Zahlen hat das Familienmi­nisterium

nicht. „Wir haben derzeit natürlich hohe krankheits­bedingte Ausfälle, weil wir gerade Winter haben, also einfach gerade eine hohe Last an unterschie­dlichen Infektione­n“, sagte jüngst die für Kitas zuständige Ministerin Josefine Paul (Grüne): „Wir haben das sehr genau im Blick, wie sich die Situation entwickelt.“

Die verschiede­nen Infektions­wellen treffen auch viele Unternehme­n: Viele Mitarbeite­r sind krank oder müssen wegen der Betreuung der kranken Kinder zu Hause bleiben. „Die grassieren­de Grippewell­e zusätzlich zu Corona geht auch am Handel nicht spurlos vorüber. All dies führt zu weiteren Belastunge­n für Inhaber und Beschäftig­te im Einzelhand­el“, sagte Peter Achten, Chef des Handelsver­bands NRW: „Nach zwei Jahren mit Lockdown und anderen Corona-Einschränk­ungen sind wir aber froh, wenigstens in dieser Hinsicht ein einigermaß­en normales Weihnachts­geschäft erleben zu dürfen.“Ladenschli­eßungen wegen des Personalma­ngels habe man bislang vermeiden können.

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