Rheinische Post - Xanten and Moers
Selenskyjs Reise schwächt Putin
Zehn Monate hat Wolodymyr Selenskyj sein Land nicht mehr verlassen. Der ukrainische Präsident hat als Gast am G7-Gipfel teilgenommen, an EU-Gipfeln, am Nato-Gipfel, er hat zu diversen Parlamenten (auch zum Bundestag) gesprochen – immer per Videoschalte. Dieses Mal ist es anders. Selenskyj ist unterwegs ins Ausland. In Washington ist ein Treffen mit dem wichtigsten militärischen Unterstützer und Geldgeber seines Landes verabredet.
Der Besuch von Selenskyj in den USA verheißt nicht nur neue Unterstützung, sondern es ist ein Signal der USA an Putin, dass dieser sich indirekt auch mit der Nato-Führungsmacht angelegt hat. US-Präsident Joe Biden, dessen Sohn Hunter beste (auch undurchsichtige) Geschäftsverbindungen in die Ukraine nachgesagt werden, unterstützt Selenskyj und dessen Streitkräfte militärisch. Jetzt kann Selenskyj auf weitere Waffenhilfe aus den USA hoffen. Mit dem Flugabwehrsystem „Patriot“könnte die Ukraine die massiven Luftangriffe auf ihre Energie- und Stromversorgung abwehren. Das könnte auch den Druck auf die Bundesregierung erhöhen, ebenfalls „Patriots“an die Ukraine zu liefern.
Wenn der ukrainische Präsident in Washington ist, erhält er Gelegenheit für eine seltene Ehre. Selenskyj darf vor dem US-Kongress eine Rede halten, womöglich geeignet für die Kategorie „historisch“. Vor den Kameras der Welt kann er den Auftritt zum Appell nach weiterer Unterstützung für sein angegriffenes Land nutzen – und vermutlich auch zu einer moralischen wie politischen Anklage gegen den Kriegsherrn in Moskau. Schon verkündet der Kreml mit reichlich diplomatischem Pulverdampf, dass Selenskyj mit seiner Reise in die USA die Möglichkeit für eine Verhandlungslösung noch einmal verringert habe. Selenskyj wird mit seinem Besuch mindestens eines erreichen: eine neue Runde internationaler Unterstützung für sein Land. Das stärkt seine Position und schwächt Putin weiter.