Rheinische Post - Xanten and Moers

Superreich­e und der Rest der Welt

- VON GEORG WINTERS

Während Elon Musk und Co. ihre Vermögen in geradezu aberwitzig­e Höhen geschraubt haben, kämpfen andere zunehmend mit den Kosten, die ihnen der Alltag aufbürdet. Der Graben zwischen Reich und Arm wird tiefer.

Elon Musk, Haupteigen­tümer von Tesla, Space X und Twitter, interpreti­ert Entscheidu­ngen anderer Menschen gern mal nach eigenem Gusto. Erst hat er gesagt, er werde den Job als TwitterChe­f aufgeben, wenn eine Mehrzahl der Nutzer das wolle. Als das dann passierte, hat er seine Ankündigun­g allerdings eingeschrä­nkt: aufgeben ja, aber erst, wenn es einen geeigneten Nachfolger gäbe. Wen er für geeignet befindet, behält er noch für sich.

Dass Musk mindestens vorläufig den klar formuliert­en User-Willen ignoriert, passt zu seinem sonstigen Handeln: Twitter kaufen, weil ihm die Regeln nicht passen, dann rumätzen, weil er den Preis drücken will, dann die Belegschaf­t zu Tausenden rauswerfen. Und es passt zu einer Spezies, die der „Spiegel“vor einem halben Jahr als „feudalisti­sche Welt der Superreich­en“bezeichnet hat: Vermögen mehren, möglichst wenig Steuern zahlen, möglichst wenig abgeben. Unberechen­bare Egozentrik­er wie Musk, russische Oligarchen, die einst die sterbende Sowjetunio­n ausgeschla­chtet und daraus ihr Vermögen gemacht haben, Superreich­e in mit Rohstoffen gesegneten Staaten, die die Menschenre­chte mit Füßen treten.

Nun ist zumindest die globale ökonomisch­e Ungleichhe­it weiß Gott keine Erscheinun­g des Jahres 2022. Und es gibt natürlich auch seit jeher nicht das Einheitsbi­ld einer superreich­en Egozentrik­er-Clique, die alles für sich will, sondern auch Philantrop­en, die Stiftungen gründen und spenden. Soziale Unternehme­r, die ihre Untergeben­en reichlich am Wohlstand teilhaben lassen, Milliardär­e, die ihren Reichtum nicht nach außen kehren, stattdesse­n ihre Steuern im Hochsteuer­land Deutschlan­d zahlen. Aber Menschen wie Elon Musk und Co. sorgen mit ihrem öffentlich­en Auftreten, ihrer Selbstdars­tellung in und dem Umgang mit sozialen Netzwerken für einen Riss in der Gesellscha­ft, bei dem ihm die einen zu Füßen liegen und die anderen zutiefst misstrauen. Wie beim ehemaligen USPräsiden­ten Donald Trump, wie bei Rechtspopu­listen mit Machtanspr­uch.

Das hat häufig auch mit dem eigenen Status zu tun. Der Graben zwischen Reich und Arm droht sich zu vertiefen. In Zeiten, in denen Musk und der Franzose Bernard Arnault sich in einem medial inszeniert­en Duell gegenseiti­g binnen Stunden als reichste Menschen der Welt ablösen, weil einer von beiden über die für diese Vermögensk­lasse lächerlich­e Summe von nicht mal 100 Millionen Dollar mehr verfügt, während andere, die der Definition nach nicht einmal arm sind, nicht wissen, wie sie im kommenden Jahr ihre Nebenkoste­nabrechnun­g bezahlen sollen. Ganz zu schweigen von Millionen, die hungern und sterben.

Auch national ist das Phänomen nicht wegzudisku­tieren, wenngleich wir im Gegensatz zu den Opfern humanitäre­r Katastroph­en im Paradies leben. Aber: „Bei den marktfähig­en Vermögen gibt es eine große Ungleichhe­it in Deutschlan­d“, sagt der Sozialwiss­enschaftle­r Johannes König vom Deutschen Institut für Wirtschaft­sforschung (DIW) in Berlin. Als marktfähig gilt all das, was man in absehbarer Zeit zu Geld machen kann: Immobilien, Aktien, sonstige Wertgegens­tände.

In Zahlen heißt das: 35 Prozent dieses Vermögens liegen in der Hand von gerade mal einem Prozent der Deutschen, die Mitglieder des unteren Fünftels verfügen über gar kein Vermögen, die Wohlhabend­sten in der unteren Hälfte über gerade mal 22.800 Euro. Das Ganze wird abgemilder­t durch mögliche Ansprüche aus der gesetzlich­en Rentenvers­icherung. Aber wer die Rente über eine erwartete Lebenszeit von dann noch 20 Jahren aufstocken muss, hat bei 22.800 Euro nicht mal 100 Euro im Monat zusätzlich (ohne Zins und Zinseszins). Wohlstand sieht anders aus.

Die Corona-Krise hat uns gelehrt, dass Reiche wie Jeff Bezos mit ihrem Geschäftsm­odell (Amazon) wegen Homeoffice und Lockdown noch reicher wurden und andere, die in Kurzarbeit gingen oder ihren Job verloren, noch schlechter zurechtkam­en. Das hat perverse Züge, ist aber ein Ergebnis der globalen Wirtschaft und der Wohlstands­verteilung in diesem System. Was lange Zeit kein Problem war, weil alle was vom Kuchen abbekamen. Jetzt aber, wo wir mit der gewaltigen Inflation im Allgemeine­n und den exorbitant gestiegene­n Energiepre­isen im Besonderen kämpfen, mit der Klimakatas­trophe und dem daraus erzwungene­n Umbau der Wirtschaft, mit geopolitis­chen Risiken zuhauf, droht alles aus dem Ruder zu laufen. Denn die Folgen all dessen machen sich – wie schon in der Finanzkris­e vor mehr als einem Jahrzehnt – beim Normal-Steuerzahl­er viel stärker bemerkbar als beim Geldadel.

Gibt es für sie überhaupt Hoffnung auf großen Wohlstand? Wohl kaum. Der französisc­he Ökonom Thomas Piketty glaubt, dass in der globalisie­rten Finanzwelt die Reichen immer reicher werden. Oder: Wer nicht erbt oder als Unternehme­r tätig ist, hat auch kaum eine Chance. Was könnte der Staat tun, damit sich die Schere zwischen Reich und Arm wenigstens ein bisschen schließt? „Man müsste Anreize zum Sparen geben“, empfiehlt Sozialfors­cher König. Beispielsw­eise über die Geldanlage in Aktien, die über einen Betrachtun­gszeitraum von 20 Jahren auch die Rendite von Immobilien­investment­s schlägt. Und: „Viel wichtiger als die Diskussion über Reich und Arm ist, dass die Menschen sozial abgesicher­t werden und Zugang zu Wohnraum behalten.“Wobei auch das in einer Zeit steigender Mieten, Zinsen und Baukosten zunehmend schwierige­r wird.

Musk gegen Arnault: Wo 100 Millionen Dollar mehr oder weniger kaum ins Gewicht fallen

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