Rheinische Post - Xanten and Moers
Superreiche und der Rest der Welt
Während Elon Musk und Co. ihre Vermögen in geradezu aberwitzige Höhen geschraubt haben, kämpfen andere zunehmend mit den Kosten, die ihnen der Alltag aufbürdet. Der Graben zwischen Reich und Arm wird tiefer.
Elon Musk, Haupteigentümer von Tesla, Space X und Twitter, interpretiert Entscheidungen anderer Menschen gern mal nach eigenem Gusto. Erst hat er gesagt, er werde den Job als TwitterChef aufgeben, wenn eine Mehrzahl der Nutzer das wolle. Als das dann passierte, hat er seine Ankündigung allerdings eingeschränkt: aufgeben ja, aber erst, wenn es einen geeigneten Nachfolger gäbe. Wen er für geeignet befindet, behält er noch für sich.
Dass Musk mindestens vorläufig den klar formulierten User-Willen ignoriert, passt zu seinem sonstigen Handeln: Twitter kaufen, weil ihm die Regeln nicht passen, dann rumätzen, weil er den Preis drücken will, dann die Belegschaft zu Tausenden rauswerfen. Und es passt zu einer Spezies, die der „Spiegel“vor einem halben Jahr als „feudalistische Welt der Superreichen“bezeichnet hat: Vermögen mehren, möglichst wenig Steuern zahlen, möglichst wenig abgeben. Unberechenbare Egozentriker wie Musk, russische Oligarchen, die einst die sterbende Sowjetunion ausgeschlachtet und daraus ihr Vermögen gemacht haben, Superreiche in mit Rohstoffen gesegneten Staaten, die die Menschenrechte mit Füßen treten.
Nun ist zumindest die globale ökonomische Ungleichheit weiß Gott keine Erscheinung des Jahres 2022. Und es gibt natürlich auch seit jeher nicht das Einheitsbild einer superreichen Egozentriker-Clique, die alles für sich will, sondern auch Philantropen, die Stiftungen gründen und spenden. Soziale Unternehmer, die ihre Untergebenen reichlich am Wohlstand teilhaben lassen, Milliardäre, die ihren Reichtum nicht nach außen kehren, stattdessen ihre Steuern im Hochsteuerland Deutschland zahlen. Aber Menschen wie Elon Musk und Co. sorgen mit ihrem öffentlichen Auftreten, ihrer Selbstdarstellung in und dem Umgang mit sozialen Netzwerken für einen Riss in der Gesellschaft, bei dem ihm die einen zu Füßen liegen und die anderen zutiefst misstrauen. Wie beim ehemaligen USPräsidenten Donald Trump, wie bei Rechtspopulisten mit Machtanspruch.
Das hat häufig auch mit dem eigenen Status zu tun. Der Graben zwischen Reich und Arm droht sich zu vertiefen. In Zeiten, in denen Musk und der Franzose Bernard Arnault sich in einem medial inszenierten Duell gegenseitig binnen Stunden als reichste Menschen der Welt ablösen, weil einer von beiden über die für diese Vermögensklasse lächerliche Summe von nicht mal 100 Millionen Dollar mehr verfügt, während andere, die der Definition nach nicht einmal arm sind, nicht wissen, wie sie im kommenden Jahr ihre Nebenkostenabrechnung bezahlen sollen. Ganz zu schweigen von Millionen, die hungern und sterben.
Auch national ist das Phänomen nicht wegzudiskutieren, wenngleich wir im Gegensatz zu den Opfern humanitärer Katastrophen im Paradies leben. Aber: „Bei den marktfähigen Vermögen gibt es eine große Ungleichheit in Deutschland“, sagt der Sozialwissenschaftler Johannes König vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin. Als marktfähig gilt all das, was man in absehbarer Zeit zu Geld machen kann: Immobilien, Aktien, sonstige Wertgegenstände.
In Zahlen heißt das: 35 Prozent dieses Vermögens liegen in der Hand von gerade mal einem Prozent der Deutschen, die Mitglieder des unteren Fünftels verfügen über gar kein Vermögen, die Wohlhabendsten in der unteren Hälfte über gerade mal 22.800 Euro. Das Ganze wird abgemildert durch mögliche Ansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Aber wer die Rente über eine erwartete Lebenszeit von dann noch 20 Jahren aufstocken muss, hat bei 22.800 Euro nicht mal 100 Euro im Monat zusätzlich (ohne Zins und Zinseszins). Wohlstand sieht anders aus.
Die Corona-Krise hat uns gelehrt, dass Reiche wie Jeff Bezos mit ihrem Geschäftsmodell (Amazon) wegen Homeoffice und Lockdown noch reicher wurden und andere, die in Kurzarbeit gingen oder ihren Job verloren, noch schlechter zurechtkamen. Das hat perverse Züge, ist aber ein Ergebnis der globalen Wirtschaft und der Wohlstandsverteilung in diesem System. Was lange Zeit kein Problem war, weil alle was vom Kuchen abbekamen. Jetzt aber, wo wir mit der gewaltigen Inflation im Allgemeinen und den exorbitant gestiegenen Energiepreisen im Besonderen kämpfen, mit der Klimakatastrophe und dem daraus erzwungenen Umbau der Wirtschaft, mit geopolitischen Risiken zuhauf, droht alles aus dem Ruder zu laufen. Denn die Folgen all dessen machen sich – wie schon in der Finanzkrise vor mehr als einem Jahrzehnt – beim Normal-Steuerzahler viel stärker bemerkbar als beim Geldadel.
Gibt es für sie überhaupt Hoffnung auf großen Wohlstand? Wohl kaum. Der französische Ökonom Thomas Piketty glaubt, dass in der globalisierten Finanzwelt die Reichen immer reicher werden. Oder: Wer nicht erbt oder als Unternehmer tätig ist, hat auch kaum eine Chance. Was könnte der Staat tun, damit sich die Schere zwischen Reich und Arm wenigstens ein bisschen schließt? „Man müsste Anreize zum Sparen geben“, empfiehlt Sozialforscher König. Beispielsweise über die Geldanlage in Aktien, die über einen Betrachtungszeitraum von 20 Jahren auch die Rendite von Immobilieninvestments schlägt. Und: „Viel wichtiger als die Diskussion über Reich und Arm ist, dass die Menschen sozial abgesichert werden und Zugang zu Wohnraum behalten.“Wobei auch das in einer Zeit steigender Mieten, Zinsen und Baukosten zunehmend schwieriger wird.
Musk gegen Arnault: Wo 100 Millionen Dollar mehr oder weniger kaum ins Gewicht fallen