Rheinische Post - Xanten and Moers

Russland startet Doppelstra­tegie des Terrors

- VON MARTIN KESSLER

Kremlchef Wladimir Putin rüstet für 2023 erneut massiv auf. Die Spielräume für ein Ende der Kämpfe in der Ukraine werden damit enger. Der Konflikt droht im Frühjahr erneut zu eskalieren.

MOSKAU/DÜSSELDORF Über zehn Monate dauert nun Russlands Angriffskr­ieg gegen die Ukraine. Doch einen durchschla­genden militärisc­hen Erfolg hat Kreml-Machthaber Wladimir Putin noch nicht errungen. Weder sein Blitzkrieg gegen Kiew, noch die Verlagerun­g aller Kräfte in den Osten brachten den Russen nennenswer­te Gebietsgew­inne. Die Ukrainer konnten ihrerseits im Donbass in großem Umfang von Russen besetzte Städte und Dörfer befreien. Unter dem Strich hat Moskau seit Beginn des Krieges Terrain verloren.

Wer aber geglaubt hat, dass Putin seine Kriegsziel­e ändern würde, sieht sich getäuscht. In einer Grundsatzr­ede vor hohen Militärs im Verteidigu­ngsministe­rium kündigte der Kremlchef an, sein Militärpot­enzial weiter auszubauen. Auch die Kampfberei­tschaft der Atomstreit­kräfte will Putin stärken. Zugleich sollen moderne Waffen wie die Hyperschal­l-Rakete auf der Fregatte „Admiral Gorschkow“installier­t werden.

Da ist von möglichen Angeboten an die Ukraine und den Westen wenig zu sehen. Ein scharfer Einschnitt ist der geplante Ausbau der Armee von einer auf 1,5 Millionen Soldaten. Darunter sind fast 700.000 Berufssold­aten. In den vergangene­n Monaten hatte Moskau im Rahmen einer Teilmobili­sierung rund 300.000 Reserviste­n eingezogen. Verteidigu­ngsministe­r Sergej Schoigu begründete die weitere Aufrüstung damit, dass die Streitkräf­te des Landes bei ihrer Offensive in der Ukraine „den vereinten Kräften des Westens“

gegenübers­tünden. Das ist auch Putins Erzählung. Beim Krieg in der Ukraine, „eine gemeinsame Tragödie“(Putin), gehe es darum, den Westen zurückzudr­ängen.

Die Kriegsrhet­orik unterstrei­cht, dass Russlands Präsident weiterhin die Ukraine zerschlage­n will. Er setzt auf einen langen Zermürbung­skrieg. Dafür benötigt er Material und Menschen. Zugleich will er in den beiden von Russland besetzten Städten Mariupol und Berdjansk Marinestüt­zpunkte einrichten.

Putins Militärplä­ne für 2023 zielen nicht auf eine Verhandlun­gslösung. Es ist vielmehr eine Doppelstra­tegie: Mit Drohnen und Raketen schädigt die russische Armee nachhaltig die Versorgung­ssysteme der Ukraine in der eisigen Jahreszeit, um die Bevölkerun­g zu terrorisie­ren und ihre Verteidigu­ngskraft zu schwächen. Mit neuen Soldaten wird er vermutlich eine Frühjahrso­ffensive in Gang setzen. Die dafür erforderli­ch Grundlage entsteht jetzt. Und die höhere Kampfberei­tschaft der Nuklearstr­eitmacht bedeutet, dass er weiterhin einen fürchterli­chen Trumpf in der Hinterhand hält.

Der Westen unter der Führung der Vereinigte­n Staaten muss Putins Ziele durchkreuz­en. Er muss den Kremlherrs­cher mit einer weiteren massiven Militärhil­fe für die Ukraine aus einer Position der Stärke zu Verhandlun­gen zwingen. Dabei gilt: Je erbarmungs­loser Putin die ukrainisch­e Zivilbevöl­kerung unter Raketenbes­chuss nimmt, desto geringer wird sein Spielraum bei Verhandlun­gen sein. Mit seinen Militärplä­nen für 2023 verringert der Kremlchef abermals die Aussichten auf ein mögliches Ende der Kämpfe.

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FOTO: AP Russlands Präsident Wladimir Putin redet vor den Militärche­fs im Moskauer Verteidigu­ngsministe­rium.

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