Rheinische Post - Xanten and Moers
Russland startet Doppelstrategie des Terrors
Kremlchef Wladimir Putin rüstet für 2023 erneut massiv auf. Die Spielräume für ein Ende der Kämpfe in der Ukraine werden damit enger. Der Konflikt droht im Frühjahr erneut zu eskalieren.
MOSKAU/DÜSSELDORF Über zehn Monate dauert nun Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine. Doch einen durchschlagenden militärischen Erfolg hat Kreml-Machthaber Wladimir Putin noch nicht errungen. Weder sein Blitzkrieg gegen Kiew, noch die Verlagerung aller Kräfte in den Osten brachten den Russen nennenswerte Gebietsgewinne. Die Ukrainer konnten ihrerseits im Donbass in großem Umfang von Russen besetzte Städte und Dörfer befreien. Unter dem Strich hat Moskau seit Beginn des Krieges Terrain verloren.
Wer aber geglaubt hat, dass Putin seine Kriegsziele ändern würde, sieht sich getäuscht. In einer Grundsatzrede vor hohen Militärs im Verteidigungsministerium kündigte der Kremlchef an, sein Militärpotenzial weiter auszubauen. Auch die Kampfbereitschaft der Atomstreitkräfte will Putin stärken. Zugleich sollen moderne Waffen wie die Hyperschall-Rakete auf der Fregatte „Admiral Gorschkow“installiert werden.
Da ist von möglichen Angeboten an die Ukraine und den Westen wenig zu sehen. Ein scharfer Einschnitt ist der geplante Ausbau der Armee von einer auf 1,5 Millionen Soldaten. Darunter sind fast 700.000 Berufssoldaten. In den vergangenen Monaten hatte Moskau im Rahmen einer Teilmobilisierung rund 300.000 Reservisten eingezogen. Verteidigungsminister Sergej Schoigu begründete die weitere Aufrüstung damit, dass die Streitkräfte des Landes bei ihrer Offensive in der Ukraine „den vereinten Kräften des Westens“
gegenüberstünden. Das ist auch Putins Erzählung. Beim Krieg in der Ukraine, „eine gemeinsame Tragödie“(Putin), gehe es darum, den Westen zurückzudrängen.
Die Kriegsrhetorik unterstreicht, dass Russlands Präsident weiterhin die Ukraine zerschlagen will. Er setzt auf einen langen Zermürbungskrieg. Dafür benötigt er Material und Menschen. Zugleich will er in den beiden von Russland besetzten Städten Mariupol und Berdjansk Marinestützpunkte einrichten.
Putins Militärpläne für 2023 zielen nicht auf eine Verhandlungslösung. Es ist vielmehr eine Doppelstrategie: Mit Drohnen und Raketen schädigt die russische Armee nachhaltig die Versorgungssysteme der Ukraine in der eisigen Jahreszeit, um die Bevölkerung zu terrorisieren und ihre Verteidigungskraft zu schwächen. Mit neuen Soldaten wird er vermutlich eine Frühjahrsoffensive in Gang setzen. Die dafür erforderlich Grundlage entsteht jetzt. Und die höhere Kampfbereitschaft der Nuklearstreitmacht bedeutet, dass er weiterhin einen fürchterlichen Trumpf in der Hinterhand hält.
Der Westen unter der Führung der Vereinigten Staaten muss Putins Ziele durchkreuzen. Er muss den Kremlherrscher mit einer weiteren massiven Militärhilfe für die Ukraine aus einer Position der Stärke zu Verhandlungen zwingen. Dabei gilt: Je erbarmungsloser Putin die ukrainische Zivilbevölkerung unter Raketenbeschuss nimmt, desto geringer wird sein Spielraum bei Verhandlungen sein. Mit seinen Militärplänen für 2023 verringert der Kremlchef abermals die Aussichten auf ein mögliches Ende der Kämpfe.