Rheinische Post - Xanten and Moers

Streiks in England gehen weiter

Der Fokus der Gewerkscha­ften liegt jetzt auf dem Gesundheit­ssystem.

- VON SEBASTIAN BORGER

LONDON Autofahren? Nur wenn’s unbedingt nötig ist. Schlittsch­uh laufen? Um Himmels willen! Rugby spielen? Lieber nicht. Alkohol auf der Weihnachts­party? „Trinken Sie verantwort­ungsvoll“, dröhnt es durch die Londoner U-Bahn, „und bitte stürzen Sie nicht auf der Rolltreppe.“

Am Mittwoch konnten sich die Briten kaum retten vor guten Ratschläge­n von Medien und Regierungs­stellen. Grund war ein eintägiger Streik von Ambulanzfa­hrern und Krankenhau­s-Reinigungs­personal – es ist der größte Streik bei britischen Rettungsbe­diensteten seit 30 Jahren.

Lag im November der Schwerpunk­t noch auf der Eisenbahn, richtet sich nun der Fokus auf das ohnehin marode Gesundheit­ssystem NHS. Wie schlimm es um die Erstversor­gung bestellt ist, verdeutlic­hte die drastische Warnung einer

Leitstelle: „Rufen Sie nur dann die Notfallnum­mer, wenn Sie glauben, Sie müssten sterben.“

Wie in anderen Branchen auch kämpfen Krankenper­sonal, Putzleute und Sanitäter für bessere Arbeitsbed­ingungen ebenso wie für höheren Lohn. In der Privatwirt­schaft gab es zuletzt Abschlüsse von durchschni­ttlich 6,6 Prozent, der öffentlich­e Dienst bleibt weit dahinter zurück. Die konservati­ve Regierung von Premier Rishi Sunak hat im NHS 4,75 Prozent mehr Lohn und Gehalt angeboten. Die Inflation lag zuletzt nach Angaben der Zentralban­k bei 10,7 Prozent.

Während im Ambulanz-Streit von Arbeitnehm­erseite noch keine konkrete Zahl auf dem Tisch liegt, hat die Pflege-Gewerkscha­ft RCN nach jahrelange­n Nullrunden Inflations­ausgleich plus fünf Prozent mehr gefordert. Dies hat Gesundheit­sminister Stephen Barclay brüsk abgelehnt und verweigert jedes weitere Gespräch.

Für viele der rund 300.000 Mitglieder im Berufsverb­and der Pflegekräf­te (RCN) ist dies der erste Arbeitskam­pf ihres Berufslebe­ns – Zeichen der Verzweiflu­ng über die Zustände im NHS. Drastisch sieht die Statistik für Wartezeite­n auf einen Rettungswa­gen aus. Im Durchschni­tt muss sich 60 Minuten lang gedulden, wer einen Herzinfark­t oder Schlaganfa­ll erlitten hat.

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FOTO:DPA In England und Wales bleiben zahlreiche Rettungswa­gen stehen.

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