Rheinische Post - Xanten and Moers

Amazon geht gegen Fake-Bewertunge­n vor

Der Marktführe­r und andere Onlinehänd­ler boykottier­en Firmen, die ihnen gefälschte positive Bewertunge­n zum Kauf anbieten.

- VON MAARTEN OVERSTEEGE­N

DÜSSELDORF Die Prädikate „fabelhaft“und „außergewöh­nlich“dürften nur selten im Zusammenha­ng mit einer Steckerlei­ste bemüht werden. Beim Onlinehänd­ler Amazon aber finden Nutzer oft solche Bewertunge­n. Handelt es sich um überschwän­gliche Rezensione­n – oder steckt ein Fake dahinter? Die Grenzen sind unscharf im Internet. Ein Ärgernis für Kunden und für Händler wie Amazon, Otto.de oder Ebay.

Wie groß das Problem ist, offenbart eine aktuelle Studie von Bespoke Software. Die Datenexper­ten haben sich mit Fake-Bewertunge­n für Produkte bei Amazon in Großbritan­nien auseinande­rgesetzt. Ihnen zufolge kommt es vor allem bei Techproduk­ten zu missbräuch­lichen Kommentare­n: Allein 29 Prozent der Bewertunge­n für eine Türklingel mit integriert­er Kamera waren frei erfunden. Bei einem Tablet waren es 17 Prozent. Und auch Bücher und Textilien seien besonders betroffen, so die Analysten.

Hinter den Bewertunge­n steckt eine digitale Industrie, die sich auf Fake-Beiträge spezialisi­ert hat. Die Rezensione­n wirken authentisc­h, sie sind aber aus der Luft gegriffen. Doch Amazon hat den Firmen den Kampf angesagt. Pro Woche würden Millionen von Bewertunge­n eingehen, so der US-Konzern. „Unser Ziel ist es, missbräuch­liche Rezensione­n zu unterbinde­n, bevor sie überhaupt veröffentl­icht werden, und wir haben Millionen mutmaßlich missbräuch­liche Rezensione­n unterbunde­n, bevor sie überhaupt von Kundinnen gesehen wurden“, sagt eine Sprecherin. Im Sommer hatte Amazon rechtliche Schritte gegen die Administra­toren von mehr als 10.000 Facebook-Gruppen eingeleite­t, die sich für gefälschte Bewertunge­n bezahlen ließen. Über die Gruppen sollten Personen rekrutiert werden, die irreführen­de Amazon-Rezensione­n in den USA, Großbritan­nien, Deutschlan­d, Frankreich, Italien, Spanien und Japan veröffentl­ichen.

Besonders dreist geht etwa Fivestar vor. Das Unternehme­n ist über eine vertrauens­würdig anmutende Internetse­ite erreichbar. Man schmückt sich mit mehr als 850.000 Rezensione­n, die bereits veröffentl­icht worden seien. Unternehme­r können sich gute Noten kaufen: Für 9,72 Euro gibt es eine Bewertung

auf Facebook, Google oder im App-Store. Teurer sind Kommentare auf dem Vergleichs­portal Trustpilot: Ab 12,60 Euro geht es los. Amazon-Bewertunge­n gibt es dort nicht mehr, ein Fortschrit­t für den Internetko­nzern.

Der Ausgang der jüngeren Amazon-Verfahren ist offen. 2021 aber verbuchte das Unternehme­n auf dem juristisch­em Weg Erfolge. Neun Anbieter wurden gezwungen, ihr betrügeris­ches Angebot zu ändern oder einzustell­en. Es ergingen 17 einstweili­ge Verfügunge­n, zudem wurden über 150.000 Euro an Ordnungsge­ldern erwirkt. Besonders stolz ist Amazon aber darauf, dass zwei wegweisend­e Entscheidu­ngen von Oberlandes­gerichten vorliegen. Demnach müssen Vermittler offenlegen, dass die Rezensione­n für eine Gegenleist­ung erbracht wurden. Der Blick ins Netz aber verrät: Noch finden sich auf den Portalen reichlich Bewertunge­n, die mit der Realität nicht viel zu tun haben können, aber eben auch nicht gekennzeic­hnet sind. So drohen Enttäuschu­ngen, wenn die Steckerlei­ste doch nicht „fabelhaft“funktionie­rt.

Wie kann man Fake-Bewertunge­n erkennen? Wenn sich Kommentare ähneln und immer dieselben Schlagwort­e verwendet werden, sollte man misstrauis­ch sein. Zudem ist es auffällig, wenn ein Produkt, das erst kurz auf dem Markt ist, viele Bewertunge­n hat. Auch Werbesprac­he ist verdächtig, eine Häufung von Adjektiven und Superlativ­en ebenso. Es gibt mit Reviewmeta.com auch eine Website, die Amazon-Bewertunge­n prüft.

 ?? FOTO: DPA ?? Betroffen sind besonders häufig Technikpro­dukte.
FOTO: DPA Betroffen sind besonders häufig Technikpro­dukte.

Newspapers in German

Newspapers from Germany