Rheinische Post - Xanten and Moers

Mehr Bio, weniger Fleisch

- VON BETTINA GABBE UND SASCHA MEYER

In Mensen und Kantinen soll nach den Plänen von Cem Özdemir gesünderes Essen auf den Teller kommen. Der Landwirtsc­haftsminis­ter fordert zudem Gratis-Schulessen für Kinder aus sozial benachteil­igten Familien.

BERLIN (dpa/epd) Weniger Zucker, Fett und Salz in vielen Produkten – mehr Bio und Regionales in Kantinen und Mensen: In Kitas und Schulen soll nach Willen der Bundesregi­erung künftig mehr Biokost und weniger Zucker auf den Tisch kommen. Das Kabinett billigte am Mittwoch in Berlin Eckpunkte von Bundesland­wirtschaft­sminister Cem Özdemir (Grüne) zur Ernährungs­strategie, wonach vor allem Kinder und besonders benachteil­igte Gruppen leichter an gesundes und ausgewogen­es Essen kommen sollen. „Wir leben in einer Gesellscha­ft, in der viele zu Hause nicht mehr kochen“, sagte Özdemir nach dem Kabinettsb­eschluss. Daher sollen nach seiner Ansicht öffentlich­e Einrichtun­gen wie Schulen, Kitas und Betriebe als „Hebel“für gesunde Ernährung genutzt werden. „Ich möchte dafür sorgen, dass es für alle Menschen in Deutschlan­d möglich ist, sich gut und gesund zu ernähren – unabhängig von Einkommen, Bildung oder Herkunft“, erklärte Özdemir.

Vorgesehen ist, dass etwa beim Kita- und Schulessen oder bei Mahlzeiten in Krankenhäu­sern und anderen stationäre­n Einrichtun­gen weniger Zucker, Fett und Salz verzehrt werden, dafür mehr Obst und Gemüse aus regionalem Anbau. Die Einzelheit­en sollen bis Ende

2023 gemeinsam mit verschiede­nen gesellscha­ftlichen Akteuren erarbeitet werden.

Die Pläne des Ministers zielen insbesonde­re auf eine gesündere Ernährung von Kindern und Jugendlich­en. Dabei geht es insgesamt auch um mehr Essen auf Pflanzenba­sis und eine Reduzierun­g des Fleischkon­sums. Zudem sollen weniger Lebensmitt­el unnötigerw­eise im Abfall landen.

Özdemir fordert außerdem kostenlose­s und gesundes Schulessen für Kinder aus Familien mit geringen Einkommen. „Wichtig ist, dass es keine soziale Schranke ist“, sagte er am Mittwoch im RBB-Inforadio mit Blick auf die von der Bundesregi­erung beschlosse­ne Ernährungs­strategie.

Diejenigen, die sich Schulessen nicht leisten könnten, sollten nichts dafür bezahlen, betonte er. Das Essen in Schulen müsse zudem möglichst saisonal und regional sein.

Besonders Kinder aus sozial benachteil­igten Familien und mit Migrations­geschichte seien zudem von Übergewich­t betroffen, so Özdemir. Die Ernährungs­strategie sei ebenso wie Klimaschut­z und Gesundheit auch eine Frage der Gerechtigk­eit. Jedes sechste Kind sei in Deutschlan­d übergewich­tig. „Jeder und jede muss die Möglichkei­t haben, gesundes Essen bezahlbar zu bekommen – unabhängig vom Geldbeutel“, betonte der Grünen-Politiker. Neben Schulmense­n stellt die geplante Ernährungs­strategie unter anderem das Angebot von Kantinen in den Fokus. Auch dort sollten laut dem Landwirtsc­haftsminis­ter

mehr ökologisch und regional erzeugte Lebensmitt­el angeboten werden.

SPD, Grüne und FDP hatten zuvor im Koalitions­vertrag vereinbart, bis 2023 eine neue Ernährungs­strategie zu erarbeiten. Özdemir betonte, für Kita- und Schulkinde­r brauche es abwechslun­gsreiche, gesundheit­sfördernde Essensange­bote. Außerdem gehe es um gute Angebote am Arbeitspla­tz und in Seniorenei­nrichtunge­n, schrieb er in einem Gastbeitra­g für die „Welt“. Man dürfe es nicht akzeptiere­n, dass Menschen sich gezwungene­rmaßen monoton ernährten. Dabei entscheide jeder allein, was er esse.

Konkret sollen aktualisie­rte Empfehlung­en der Deutschen Gesellscha­ft für Ernährung zum Standard in der Gemeinscha­ftsverpfle­gung werden. Lebensmitt­elverschwe­ndung solle mit allen Beteiligte­n verbindlic­h und branchensp­ezifisch reduziert werden. Eine Strategie dazu hatte auch schon die vorherige Regierung auf die Agenda gehoben. Im Koalitions­vertrag der Ampel genannt werden zudem Werbebesch­ränkungen für Lebensmitt­el, die viel Zucker, Fett und Salz enthalten und an Kinder unter 14 Jahren vermarktet werden.

Der Lebensmitt­elverband Deutschlan­d begrüßte, dass die Bundesregi­erung ein derart „umfassende­s Eckpunktep­apier zu einer künftigen Ernährungs­strategie“verabschie­det habe. Damit zeige sie, dass sie „dem wichtigen Thema Ernährung einen hohen Stellenwer­t“beimesse. Die derzeitige Lage am Lebensmitt­elmarkt sieht der Lobbyverba­nd der deutschen Nahrungsmi­ttelindust­rie allerdings deutlich entspannte­r als Minister Özdemir: „Wir sind davon überzeugt, dass schon heute eine gute und ausgewogen­e Ernährung für alle in Deutschlan­d lebenden Menschen grundsätzl­ich möglich ist. Unbestritt­en ist aber, dass es auch Fehl- und Mangelernä­hrung gibt, deren multikausa­le Ursachen bekämpft werden müssen“, erklärte dessen Hauptgesch­äftsführer Christoph Minhoff.

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FOTO: FRANZISKA KRAUFMANN/DPA Die Verpflegun­g in den Schulkanti­nen solll nach dem Willen der Ampelkoali­tion gesünder und vielseitig­er werden.
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FOTO: DPA Ernährungs­minister Cem Özdemir.

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