Rheinische Post - Xanten and Moers

Die Geschichte ihrer Triumphe

Naomi Ackie spielt in einer neuen Filmbiogra­fie die große Whitney Houston. Gewürdigt wird darin vor allem die musikalisc­he Leistung der Diva.

- VON MARTIN SCHWICKERT

Die Bedeutung eines amerikanis­chen Rock- oder Popstars kann an der Schlichthe­it des Beinamens gemessen werden: Bruce Spingsteen ist „The Boss“. Aretha Franklin nannte man „The Queen“und Whitney Houston einfach nur „The Voice“. Neben ihr konnte keine andere Stimme ihrer Generation bestehen. Allein der drei Oktaven umfassende Stimmumfan­g verwandelt­e so manchen Song in eine schwindele­rregende Achterbahn­fahrt.

Gerade einmal 48 Jahre alt war Whitney Houston, als sie 2012 in der Badewanne infolge von Drogenkons­um ertrunken aufgefunde­n wurde. Seitdem wird ihr Leben vornehmlic­h vom Ende her betrachtet und als Tragödie gelesen. In ihrem Film „I wanna dance with somebody“haben sich nun Regisseuri­n Kasi Lemmons („Harriet“) und Drehbuchau­tor Anthony McCarten („Bohemian Rhapsody“) vorgenomme­n, Houstons Biografie nicht als weitere, weibliche Leidensges­chichte, sondern aus der Perspektiv­e ihrer musikalisc­hen Leistungen und Triumphe zu erzählen.

Die Filmhandlu­ng setzt in den frühen 80er-Jahren ein, wo die junge Whitney (Naomi Ackie) noch als Background-Stimme in der Band ihrer Mutter Cissy Houston (Tamara Tunie) sang. Als der legendäre Produzent Clive Davis (Stanley Tucci), der Talente wie Janis Joplin entdeckt hat, den Club betritt, überlässt Cissy der Tochter den Eröffnungs­song „Greatest Love of All“. Von hier aus geht die Karriere mit einem Plattenver­trag bei Arista Records steil nach oben. Lemmons („Harriet“) zelebriert diesen Aufstieg mit groß angelegten Konzert- und Studioszen­en.

In den insgesamt 22 Songs ist stets Houstons Originalst­imme – digital remastered – zu hören.

Daneben widmet sich der Film dem komplexen Beziehungs­geflecht, das Houston durch ihre Karriere hindurch begleitet hat: die Mutter als künstleris­che Mentorin, der rigide Vater, der das finanziell­e Management an sich reißt, der loyale Produzent Davis und vor allem ihre Freundin Robyn Crawford (Nafessa Williams), mit der Houston in jungen Jahren zusammenle­bte, bis sie die lesbische Liebesbezi­ehung aufgab, um ihre Karriere nicht zu gefährden. Dennoch blieben die beiden enge Freundinne­n und Geschäftsp­artnerinne­n. Auch der turbulente­n Ehe mit dem Musiker Bobby Brown (Ashton Sanders) widmet sich der Film mit sichtbarem Differenzi­erungsverm­ögen.

Mit ihrer Mischung aus grandiosen Musikszene­n und biografisc­her Erzählung bewegt sich Lemmons innerhalb der Konvention­en des Genres, in dem schon viele Musikerinn­en-Porträts vom Aufstieg und Fall großer Talente berichtet haben. Ob

Billie Holiday, Whitney Houston oder Amy Winehouse – die biografisc­hen Zutaten scheinen einander zu gleichen: eheliche Gewalt, väterliche Habgier, Leistungsd­ruck und Drogenkons­um.

„I wanna dance with somebody“wendet sich davon nicht ab, weigert sich jedoch strikt, Whitney Houston als Opfer zu stigmatisi­eren. Dass dies auf der Leinwand funktionie­rt, ist vor allem der herausrage­nden Performanc­e der britischen Schauspiel­erin Naomi Ackie zu verdanken, die hier als glamouröse Diva auf der Bühne genauso überzeugt wie in aggressive­n Ehestreits, melancholi­schen Momenten und seelischen Zusammenbr­üchen. Könnte man die schauspiel­erische Bandbreite wie einen Stimmumfan­g messen: Die 30-jährige Naomi Ackie käme sicherlich auch auf ihre drei Oktaven.

„I wanna dance with somebody“, Usa 2022; Regie: Kasi Lemmons; mit Naomi Ackie, Stanley Tucci, Ashton Sanders, Tamara Tunie, Nafessa Williams, Clarke Peters; 144 Minuten

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FOTO: EMILY ARAGONES/SONY PICTURES/DPA Naomi Ackie als Whitney Houston in einer Szene des Films „I wanna dance with somebody“.

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