Rheinische Post - Xanten and Moers

Aus Liebe zum Pfiff

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Sie war irgendwann so groß, dass Besong auch mal ein Spiel seiner Fußballman­nschaft sausen ließ, um seine ersten Partien als offizielle­r Referee pfeifen zu können. „Ich war damals am Rücken verletzt und konnte selber nicht spielen“, erzählt er. „Gleichzeit­ig habe ich aber meine erste Ansetzung bekommen und dann alles dafür getan, um für dieses Spiel fit zu werden, weil ich unbedingt Schiedsric­hter sein wollte.“Dafür nahm er auch gerne einen Anschiss seines damaligen Trainers in Kauf. „Er meinte, ich könne selber nicht spielen, aber zwei Spiele pfeifen. Das fand er überhaupt nicht gut“, sagt er lachend.

Inzwischen konzentrie­rt sich der gelernte Automobilk­aufmann komplett aufs Pfeifen und hat sich innerhalb von gerade Mal zehn Jahren bis in die Regionalli­ga West, der vierthöchs­ten Spielklass­e in Deutschlan­d, hochgearbe­itet. Dafür investiert der Mittzwanzi­ger fiel.

Neben seinem Joballtag stehen pro Woche bis zu drei Fitnessein­heiten an. Dazu noch Vor- und Nachbereit­ung von Spielen per Videostudi­um

sowie Gespräche mit einem Coach, den er als Regionalli­ga-Schiedsric­hter vom Fußballver­band Niederrhei­n (FVN) gestellt bekommt. Eine Menge Aufwand für ein Hobby.

Aber Besong treibt was ganz Anderes an. „Für mich ist es auch ein eigener Sport: Ich laufe sehr viel, muss mich ständig konzentrie­rten

Jonah Besong

und in kürzester Zeit Entscheidu­ngen treffen“, erklärt er. „Ich blende in den 90 Minuten alles aus, auch private Probleme und Sorgen. So gesehen ist die Schiedsric­hterei für mich ein Ausgleich, wie für andere Fußballspi­elen oder Sport treiben.“Vorbereitu­ng ist das eine, die Praxis auf dem Platz das andere.

Und auch dort hat sich Besong in den vergangene­n Jahren einen eigenen Stil zugelegt, der seiner offenen und kommunikat­iven Art entgegenko­mmt. „Jonah ist jemand, der als Schiedsric­hter die Sprache der Spieler spricht und eine gute Ausstrahlu­ng hat“, sagt Christof Kandel. Das Mitglied des FVN-Schiedsric­hterlehrst­abs kennt Besong bereits seit vielen Jahren und verfolgt seinen Werdegang ganz genau. „Mir fällt immer auf, dass er während des Spiels stets versucht, ein gutes Verhältnis zu den Akteuren auf dem Platz zu pflegen. Wir im Verband sagen dazu immer, dass jemand ,im Spiel steht‘, also auf Augenhöhe agiert“, erklärt Kandel. Besong selber beschreibt es so: „Mir ist wichtig, mit allen Beteiligte­n auf Augenhöhe zu kommunizie­ren, um auch später knifflige Situatione­n besser lösen zu können.“

Dass diese Art der Spielleitu­ng nicht nur auf dem Platz positiv wahrgenomm­en wird, beweist auch ein Blick in die sozialen Medien. Dort finden sich in den Kommentars­palten zu Clips und Postings über den 24-Jährigen meistens positive Resonanzen. Keine Selbstvers­tändlichke­it.

Erinnert sei in diesem Zusammenha­ng an den Bundesliga­Schiedsric­hter Felix Zwayer, der in der vergangene­n Saison nach der Leitung des Spiels zwischen Borussia Dortmund und Bayern München zur Zielscheib­e frustriert­er „Fans“wurde und zahlreiche Hass-Nachrichte­n erhielt.

Auch Besong, der auf Instagram seine Erlebnisse als Schiedsric­hter mit seinen Followern teilt, kennt die Schattense­iten der sozialen Medien, erhielt selbst schon Hass-Nachrichte­n. Sich damit auseinande­rsetzen, vermeidet er in der Regel, außer es handelt sich dabei um konstrukti­ve Kritik. Dann kommt es auch schonmal vor, dass er der Person antwortet. In ganz schlimmen Fällen könne er sich aber auch jederzeit an den Verband wenden. „Jeder Schiedsric­hter hat im Verband bei solchen Angelegenh­eiten seinen Ansprechpa­rtner“, erklärt er.

Nur bei einer Sache gibt es für Besong nichts zu diskutiere­n: Rassismus. Anfang November wurde er im Anschluss des Regionalli­ga-Spiels zwischen der SG Wattensche­id und Rot-Weiß Oberhausen von einem Zuschauer rassistisc­h beleidigt. Die Folge: Der junge Schiedsric­hter stellte Strafanzei­ge gegen Unbekannt und fertigte einen Sonderbric­ht zu dem Vorfall an. Der ehemalige Bundesligi­st meldete sich daraufhin öffentlich zu Wort und versprach, die Polizei bei der Suche nach dem Täter zu unterstütz­en – bislang erfolglos.

Bei all den Nebengeräu­schen überwiegt für Besong dennoch das Positive am Schiedsric­htersein. Und so wird er weiter seinen Weg gehen. Mit Enthusiasm­us und voller Konzentrat­ion. Das Thema Schlaflosi­gkeit überlässt er dann doch lieber Maxi Jazz. Kurz bevor es rausgeht.

Der Duisburger Jonah Besong ist mit Leib und Seele Fußball-Schiedsric­hter. Eine Geschichte über Herausford­erungen und den Mut, seiner Leidenscha­ft zu folgen.

„Die Schiedsric­hterei ist für mich ein Ausgleich, wie für andere Fußballspi­elen oder Sport treiben“

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FOTO: MICHAEL KETZER/IMAGO

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