Rheinische Post - Xanten and Moers
Himmlische Botschafter
Zum weihnachtlichen Brauchtum gehören Tannenbaum, Engel und Lichterglanz. Das ortsgeschichtliche Museum in Vluyn ist dem Wandel über die Jahrzehnte nachgegangen. Wie Engel das Fest begleiten.
NEUKIRCHEN-VLUYN Weihnachten ohne himmlische Botschafter ist wohl kaum vorstellbar. Fehlen dürfen in diesen Tagen bei den himmlischen Accessoires auch nicht das Weihnachtsglöckchen, der Goldstaub und die Engelsfedern. Ob Mittelalter, Barock oder Neuzeit, Engel-Darstelllungen gibt es unendlich viele. Einen reichen Schatz an himmlischen Lichtgestalten hat das ortsgeschichtliche Museum in Vluyn. „Wir haben eine Sammlung übernommen“, freut sich Museumsleiterin Jutta Lubkowski. „Das sind historische Engel mit Rauschgoldhaaren in üppigem Gewand, musizierende Engel aus Ton mit Flöte und Notenblatt oder aus Goldpapier gebastelt.“Manche Engel erscheinen optisch als Putten mit kindlichem Pausbacken, um die frohe Botschaft zu verkünden und zugleich Tröster und Hoffnungsträger in einer dunklen Zeit zu sein.
Verschiedene Exemplare schmücken auch die schöne Fichte im Museum. Mit dabei ein Wachsengel, der aus der Zeit um 1850 stammt. Interessant ist die Machart mancher Exponate, beispielsweise bei einem Engel aus Pappmaché, der dann mit Wachs überzogen wurden. Kirche, Liturgie und Brauchtum folgten so der schönsten aller biblischen Geburtsgeschichten mit himmlischer Engelschar. Sind es doch die Engel, die die Hirten auf dem Feld zu Bethlehem begleiten und das Gloria anstimmen. „So gesehen gab es früh Vorstellungen davon, wie Engel aussehen“, so Jutta Lubkowski.
Schon die Bibel spricht von Engeln als Personen. „Sie wirken durch Gott. Im Alten Testament spricht man von Jahwe. Im Neuen Testament wird Gottes Wirken in und durch Jesus Christus durch Engel verkündet. Beispielsweise, als Maria von ihrer großen Aufgabe durch einen Engel erfährt, den Gottessohn zur Welt zu bringen“, ergänzt Barbara Hemping-Bovenkerk, Pastoralrefentin der St.-Quirinus-Kirchengemeinde. „Wir spüren Engel als unsichtbare Begleiter, die uns die Botschaft Gottes in unseren eigenen Alltag bringen und uns Entscheidungen und Wege finden und bewältigen lassen. Sie sind nicht mit dem Verstand zu steuern. Wir sprechen in Bildern über sie, weil wir anders ihre Wirklichkeit mit unserem menschlichen Denken nicht erfassen können.“Neben Engeln gehören Kugeln und Sterne zum historischen Baumschmuck des Museums. „Wir haben ganz unterschiedliche Kugelformen, die reich mit Perlen und Bändern verziert sind. Hinzu kommen Wachsoblaten mit Motiven“, so die Museumsleiterin. Der Tannenbaum im Museum oberhalb der Kulturhalle kann mit all diesen Raritäten Geschichten über örtliches Brauchtum zum Fest erzählen.
Eine Reise durch die Jahrzehnte weckt manche Erinnerung. „Damals schmückte man den Baum mit roten Papierrosen, hängte Gebäck, Äpfel und Nüsse in den Baum. Erst viel später kamen die Schokoladenanhänger mit und ohne Füllung. Das sprichwörtliche Plündern des Baumes sorgte für großen Spaß in den Familien“, so Jutta Lubkowski.
Begleitet wurden die himmlischen Botschafter von kleinen Glasvögeln und Instrumenten wie Trompete oder Flöte, die an die Zweige geklemmt oder gehängt wurden. Die Farben Silber und Weiß eroberten Mitte der 1960er Jahre den Baum. „Lametta hing schwer von den Zweigen und wurde nach dem Fest wieder vorsichtig abgenommen und beim nächsten Mal wiederverwendet“, so die Museumsleiterin „Tatsächlich
war früher viel mehr Lametta.“Zum Baum gehörte meist in katholischen Familien die Krippe. Die Tannenbaumspitze wie auch kunstvoll gestaltete Stroh- oder Fröbelsterne waren ein Muss. Jede Zeit glänzt mit typischen Baumschmuck. Dazu gehören Kerzen. Traditionell wurden zunächst Bienenwachskerzen in Kerzenhaltern ohne Klemme angebracht. „Diese Kerzenhalter hatten nach unten hin zwei kleine Bleigewichte, die das Gleichgewicht hielten“, so die Museumsleiterin.
Wie sich der Baumschmuck weiterentwickelt, belegt unter anderem ein Set, das einen Anzünder und Ausblasrohr bot. „Den Tannenbaum, so wie wir in heute kennen, gab es am Niederrhein erst nach dem Ersten Weltkrieg, meist in bessergestellten Familien. Aus Vluyner Erzählungen wissen wir, dass im Stammhaus der Inlettweberei Springen, am heutigen Leineweberplatz, ein großer Weihnachtsbaum mit Kerzen in der Diele stand und durch eine große Glastür von außen zu sehen war. Das war für damalige Verhältnisse ungewöhnlich und sensationell. Man ging dorthin, um
diesen Baum sich anzusehen“, so Lubkowski.
Und nach dem Fest? Engel haben auch nach der Weihnachtszeit Saison, weiß Hemping-Bovenkerk. „Manchmal können Menschen zu Engeln für uns werden. Wenn wir selbst zu kraftlos sind, um unseren Alltag, um eine Sorge, eine Last zu tragen, wenn die Ruhe nicht da ist, um den Engel in mir zu hören, sind diese Menschen da für uns, erspüren unsere Sehnsüchte und handeln im Sinne der Gottesbotschaft, indem sie uns Helfer, Begleiter und eine Stütze sind.“