Rheinische Post - Xanten and Moers
Integration mit der Pfeife
Der Kroate Bosko Tarbuk spricht zwar noch nicht perfekt Deutsch, auf dem Fußballplatz ist er dennoch eine Respektsperson.
MOERS Es ist der 5. März 2022. Auf einem Fußballplatz in Rheinberg spielen die A-Jugend-Mannschaften von der JSG Borth/Millingen und Alemannia Kamp gegeneinander. Schiedsrichter ist ein junger Mann, dem diese Partie viel bedeutet. Weniger das Ergebnis, sondern die Tatsache, dass ihm die Spielleitung übertragen wurde. An diesem Samstag im März geht Bosko Tarbuk viel durch den Kopf, es ist ein besonderer Tag für ihn. Eine Premiere. Erstmals pfeift der Kroate ein Spiel in seiner neuen Heimat Deutschland. Die Kommunikation, so stellt Bosko Tarbuk schnell fest, klappt. „Ich lebe schon seit 2019 in Moers. Aber weil ich noch nicht so gut Deutsch sprechen kann, war ich mir unsicher, ob die Spieler mich verstehen.“
Fast zehn Monate später liegen 54 weitere Einsätze auf dem Fußballplatz hinter dem Scherpenberger. Die Schiedsrichterei, so sagt der 27-Jährige, helfe ihm, sich zu integrieren und die neue Sprache zu lernen. Bosko Tarbuk, der für den VfB Homberg pfeift, fühlt sich gut aufgenommen in der Familie der Unparteiischen im Kreis Moers. Wenn er Fragen hat, könne er sich immer bei den Kollegen melden. Jan Peter Weßels, der Spiele bis in die Regionalliga leitet, wohnt in der Nachbarschaft.
„Bosko hat von Beginn an keine Verständigungsprobleme auf dem Platz. Da hat man schnell gemerkt, dass er in seiner alten Heimat schon viel Erfahrungen gesammelt hat“, sagt Jakob Klos, der Obmann der Moerser Kreis-Schiris.
Tarbuks alte Heimat ist die serbische Kleinstadt Zajecar. Kurz nach seiner Geburt zog seine Familie vom kroatischen Glina aus dorthin. Bosko Tarbuk spielte in der Jugend sehr gut Fußball. Er wollte Profi werden. Mit seinem Klub Timok Zajecar trat er auch gegen Mannschaften der großen Vereine aus Belgrad an. „Gegen viele der Jungs, die in Katar zum WM-Kader der serbischen Nationalmannschaft gehörten, habe ich gespielt.“Doch aus der Profi-Karriere wurde nichts. Bosko Tarbuk war zu verletzungsanfällig. Da er dem Fußball verbunden bleiben wollte, probierte er sich als Schiedsrichter aus. Und das war genau sein Ding.
Er schaffte es bis in die 3. Liga, der höchsten Amateurklasse Serbiens. Der Unparteiische durfte an ausgewählten Lehrgängen teilnehmen, auf denen er FIFA-Schiedsrichter Milorad Mazic kennenlernte. Der heute 49-Jährige war bei der Weltmeisterschaft 2014 und Europameisterschaft 2016 im Einsatz. „Von ihm habe ich viel lernen können“, sagt Bosko Tarbuk, bei dem abseits des Fußballplatzes die Unzufriedenheit
zunahm. Er engagierte sich zwar als Lehrwart von Jung-Schiris und hatte einen Job im Versicherungswesen, doch fehlte ihm in dem Binnenstaat, der weder der EU oder Nato angehört, die Perspektive. Die Arbeitslosenquote liegt bei um die zehn Prozent. In vielen Berufszweigen sind die Löhne sehr gering.
Bosko Tarbuk fasste irgendwann den Entschluss, an den Niederrhein zu ziehen. Nach Moers, wo zwei Cousinen von ihm wohnen. Dort lebt er seit 2019 und hat in Krefeld im Lager eines großen Einzelhandelsunternehmens für Heimtierbedarf Arbeit gefunden. Wöchentlich nimmt er Deutsch-Unterricht. Doch er vermisste die Schiedsrichterei. Der Kroate nahm seinen Mut zusammen und suchte per E-Mail den Kontakt mit den Moerser Referees. Es dauerte nicht lange, da wurde er zu einem Treffen zum VfL Repelen eingeladen. Von da an ging alles ganz fix.
Schnell war klar, dass Bosko Tarbuk sich in der Regelkunde perfekt auskennt, kein Anfänger mehr ist, die Autorität mitbringt, die man als Referee braucht. Trotz der Sprachbarriere. Anfang April durfte er das erste A-Liga-Spiel leiten. Der Rumelner TV stand dem TV Asberg gegenüber. „Es hat super geklappt. Überhaupt gab’s bislang keine großen Probleme auf dem Platz. Meine Entscheidungen werden akzeptiert.“Jakob Klos bestätigt: „Bosko hatte keine Anlaufschwierigkeiten. Er pfeift seinen Stiefel runter. Wir sind froh, dass wir ihn haben.“So kam’s, dass der 27-Jährige nach kurzer Zeit auch als Assistent bis in die Landesliga eingesetzt wird.
Bosko Tarbuk bereut es nicht, Serbien verlassen zu haben. Er ist froh, dass ihn die Schiri-Kollegen dabei unterstützen, in Deutschland weiter Fuß zu fassen.