Rheinische Post - Xanten and Moers
Gefühl für die Familie hat ihn gehalten
Ein unbemerkter Zeckenbiss hat das Herz von Franz-Josef Spölmink (65) fast aufhören lassen zu schlagen. Nachdem ihm ein Schrittmacher eingesetzt wurde, kehrte die Vitalität zurück. Was ihm durch den Kopf ging.
ALPEN Es hat nicht so viel gefehlt, und Franz Josef Spölmink (65) hätte seine geliebte hölzerne Krippe mit den so kunstvoll geschnitzten Figuren aus dem Innsbrucker Land nie mehr aufgebaut. „Ich habe richtig Glück gehabt“, sagt der Alpener im Rückblick auf gesundheitlich für ihn dramatische Tage. Doch die sind letztlich gut ausgegangen.
Es war Anfang Oktober, als es ihm von Tag zu Tag schlechter ging. „Ich hab‘ mich immer schlapper gefühlt“, erzählt der stattliche Mann von einer Statur, die der Niederrheiner gern als „Kerl, wie ein Baum“beschreibt. Seine Schlappheit war nicht nur ein Gefühl. Sie hatte einen Grund. Die digitale Uhr, die Spölmink am Handgelenk trägt, sendete dem Finanzbeamten im Ruhestand alarmierende Signale. Sein Ruhepuls, an Bewegung war zunehmend nicht mehr zu denken, sank in Bereiche, die ziemlich bedenklich sind. Zumindest das.
„Selbst der Tod ist in Deutschland bürokratisch geregelt“
Franz-Josef Spölmink Pensionierter Finanzbeamter
Er habe sich zunächst „nix dabei gedacht“, fast nix jedenfalls, sagt der Mann, der daran gewöhnt ist, seinen Blutdruck regelmäßig zu überwachen. Sein Zustand wurde immer kritischer. „Sobald ich runter auf den Boden geguckt habe, wurde es schwierig“, sagt Spölmink. Wenn er fit ist, arbeitet er noch als Steuerberater und engagiert sich ehrenamtlich als Vorsitzender des Heimatund Verkehrsvereins (HVV ) für seine Wahlheimat Alpen.
„Spätestens als meine Pulsuhr unter 40 Schläge, teilweise sogar unter 30 pro Minute angezeigt hat, wurde mir klar, dass es ernst wird“, so der 65-Jährige. Aber das Angebot eines Bekannten, ihn ins Krankenhaus zu fahren, schlug er trotzdem erst noch mal aus. Am nächsten Tag aber habe er sich dann doch in die Praxis seines Hausarztes geschleppt. Der habe gleich zu Beginn der Untersuchung „die Hände überm Kopp zusammengeschlagen“. Befund: „Das sieht nicht gut aus.“
Gegen den Rat des Doktors, so Spölmink, sei er noch nach Hause gegangen, „um mein bereits gepacktes Täschchen zu holen“. Danach habe er sich von einer Freundin zum Hospital St. Bernhard in KampLintfort fahren lassen. Auf der Fahrt dorthin, das gibt er unumwunden zu, habe er „richtig Angst gekriegt und nur gehofft, dass es nicht noch schlimmer wird – mit ungewissem Ausgang“. Schlaganfall, Herzinfarkt seien ihm in den Sinn gekommen. Nein, gebetet habe er nicht, sagt der ehemalige Klosterschüler.
Wichtige Stationen seines Lebens seien ihm wie im Film durch den Kopf gegangen. „Ich war vollkommen klar“, erzählt Spölmink. Die Gedanken an seine zwei Kinder hätten ihm Halt, wohl auch ein wenig Kraft gegeben. Die hätten vor zehn Jahren ihre Mutter verloren, als seine Frau an Krebs gestorben sei. Natürlich habe er daran denken müssen und sich an den Gedanken geklammert, seine erwachsenen Kinder nicht zurückzulassen zu können. Es sei fast tröstlich gewesen, dass gut für sie gesorgt sei. „Daran zieht man sich hoch. In solch‘ extremen Situationen bekommt man ein wirkliches Gefühl dafür, wie verdammt wichtig die Familie ist.“
Aber auch der Beamte in ihm habe sich in diesem diffusen Schwall von Gefühlen und Gedanken gemeldet.
Eine Frage sei ihm immer wieder in den Kopf geschossen: „Hab‘ ich an alles gedacht, und ist alles geregelt?“Ist es. „Ich hab‘ mich früh mit meinem Ende auseinandergesetzt und Vorkehrungen getroffen. Selbst der Tod ist in Deutschland bürokratisch geregelt.“Angst davor, sich damit zu befassen, habe er nie gespürt. „Trotzdem lebe ich eigentlich immer noch ganz gerne und war auch in der absoluten Not davon überzeugt: Das kann’s noch nicht gewesen sein.“Reisen in die Berge oder an die See, wo die Luft ihm das Atmen leichter macht, die will er noch möglichst oft und lange erleben.
Wie ernst es um ihn bestellt war, sei ihm bei der Ankunft im Hospital noch mal klar geworden. „Ich bin in der Notaufnahme sofort drangekommen“, sagt der Alpener Patient. „Die Erstuntersuchung hat im Gipsraum stattgefunden.“Es folgte das EKG. „Dann weiß ich nicht mehr viel“, sagt Spölmink. Als er aufgewacht sei, sei er „mit einem Wust an Schläuchen an irgendwelchen Geräten angeschlossen“gewesen. „Aber ich lebte noch.“
Der Chefarzt in der Kardiologie im St. Bernhard, die Spölmink in höchsten Tönen lobt, habe Klartext gesprochen. „Ich sei viel zu spät gekommen und habe schlichtweg Glück gehabt.“Die Ursache für seine lebensbedrohliche Lage, das hätten die Ärzte im Krankenhaus recht schnell erkannt, habe schon länger zurückgelegen. Der Biss einer Zecke, den er gar nicht bemerkt habe, habe eine Borreliose ausgelöst, die am Ende sein Herz angegriffen habe.
Schließlich sei ihm im Hospital ein Herzschrittmacher eingesetzt worden. Schon unmittelbar nach der Operation habe er gespürt, „dass meine Vitalität spürbar zurückkehrt“. Die behandelnden Ärzte hätten ihm bescheinigt, dass seine Vergangenheit als Bezirksliga-Fußballer bei Adler Frintrop in Essen und später als Sportkegler am Niederrhein ihm in der akuten Krise vermutlich sehr geholfen habe.
Noch ist Franz Spölmink, der fünf Kilo verloren hat, nicht ganz wieder auf dem Damm. „Ich hab‘ im Garten meinen Kirschbaum beschnitten.“Aber die acht Weihnachtsbäume im Dorf aufzustellen, sei ihm schon schwer gefallen, sagt der HVV-Mann. Seine Krippe – wie alle Jahre wieder – im Wohnzimmer an ihren Platz zu stellen, dagegen nicht. Das ging. Ganz ohne Probleme.