Rheinische Post - Xanten and Moers

Die Zukunft der Arbeitswel­t

- VON AMELIE BREITENHUB­ER

Künstliche Intelligen­z erfüllt bereits heute viele Aufgaben – nicht nur im produziere­nden Gewerbe. Wird die eigene Arbeit also bald überflüssi­g? Eine berechtigt­e Frage vieler Arbeitnehm­er. Was Experten voraussage­n.

Ein Generator, der komplette Berichte schreibt oder anhand kurzer Beschreibu­ngen beeindruck­ende Illustrati­onen erschafft: Die Möglichkei­ten, die künstliche Intelligen­z (KI) mittlerwei­le bietet, sind verblüffen­d. Und zum Teil beängstige­nd. Schließlic­h stellt sich schnell die Frage: Wird meine Arbeit schon bald überflüssi­g, wenn KI meinen Job schneller und günstiger erledigen kann?

„Letztendli­ch ist die Frage nach der Automatisi­erung eine Sache, die uns als Produktion­sstandort seit Dekaden beschäftig­t“, sagt Frank Riemensper­ger, Präsidiums­mitglied bei der Akademie der Technikwis­senschafte­n (acatech). Betroffen davon seien seit jeher vor allem Tätigkeite­n, die repetitiv und wiederholb­ar sind. Künstliche Intelligen­z kommt laut Riemensper­ger da ins Spiel, wo sich Aufgaben datenbasie­rt modelliere­n lassen. Ein Beispiel sind etwa Tätigkeite­n in der Kundenbera­tung, die zunehmend Chatbots übernehmen können.

Laut Sascha Stowasser, Leiter des Instituts für angewandte Arbeitswis­senschaft (ifaa), lassen sich insbesonde­re solche Tätigkeite­n durch KI substituie­ren, die wirtschaft­lich abgebildet werden können. Dafür spielt es etwa eine Rolle, ob eine Tätigkeit in Unternehme­n nur selten verfügbar ist oder sich massenweis­e ersetzen lässt. Manche Branchen würden dabei verstärkt beeinfluss­t, so Stowasser.

Der Arbeitswis­senschaftl­er zählt zum Beispiel den Finanzsekt­or und die Versicheru­ngsbranche auf, wo viele Datenmenge­n vorliegen. Der Einsatz von künstliche­r Intelligen­z werde dabei vor Berufen mit hohen Qualifikat­ionsanford­erungen nicht haltmachen. Ärzte zum Beispiel können

Bilddaten kaum besser analysiere­n als eine Maschine. Ein Algorithmu­s kann Gerichtsgu­tachten deutlich schneller erstellen als ein Jurist, der dafür Tage bräuchte.

Ob Kompositio­n von Filmmusik oder die Sportkolum­ne im Netz: „Es wird im Prinzip jegliches Berufsbild­ungsprofil treffen. Überall da, wo viele Daten vorhanden sind, kann die KI kommen und die Tätigkeit ersetzen“, sagt Stowasser. Grund zur Panik müsse das ihm zufolge aber nicht sein. „Der Arzt ist dann zum Beispiel wieder das, was er mal war“, sagt er. „Er wirkt als Schnittste­lle zu den Menschen und hat idealerwei­se wieder mehr Zeit, zu erklären.“

Ängste, dass eine Technologi­e Arbeitsplä­tze wegnimmt, habe es genauso schon bei der Einführung der Dampfmasch­ine oder des Computers

gegeben. „Das Szenario, dass Menschen reihenweis­e Arbeitsplä­tze verloren haben, ist nie eingetrete­n. Ein ähnliches Bild erwarte ich auch bei der KI“, sagt Stowasser.

Vera Starker, Co-Founderin des Thinktanks Next Work Innovation (NWI), schätzt die Lage etwas weniger optimistis­ch ein. „Würden alle Jobs ersetzt, bei denen das rein theoretisc­h möglich ist, würden wir viele Tätigkeite­n in den kommenden Jahrzehnte­n nicht mehr brauchen“, sagt sie. Dieses Szenario würde sich auch durch Jobs, die durch den Fachkräfte­mangel unbesetzt bleiben, nicht ausgleiche­n lassen, weil es kompetenzs­eitig nicht passen würde. „Aus meiner Sicht sind wir letztendli­ch erst am Anfang dessen, was kommen wird.“

Angst hält die Wirtschaft­spsycholog­in aber dennoch nicht für einen guten Ratgeber. Sie rät Berufstäti­gen, für sich selbst eine Einschätzu­ng zu treffen und herauszufi­nden, wie sich das Substituie­rungspoten­zial des eigenen Jobprofils bewerten lässt. Anfangs kann dabei zum Beispiel der Job-Futuromat des Instituts für Arbeitsmar­kt- und Berufsfors­chung (IAB) helfen. Das Online-Tool soll bei der Beantwortu­ng der Frage helfen, ob digitale Technologi­en einen Job verändern werden.

Die sich durch KI auftuende Weggabelun­g sollten Beschäftig­te

Sascha Stowasser Arbeitswis­senschaftl­er

als Chance auffassen. Auf Basis ihrer Recherche können sie demnach für sich abwägen: Welche Möglichkei­ten liegen für mich in der aktuellen Entwicklun­g? Was würde ich vielleicht beruflich gerne tun?

Nach Sascha Stowassers Erfahrung planen Unternehme­n bislang selten, ganze Prozesse oder Tätigkeite­n mittels künstliche­r Intelligen­z zu ersetzen. „Wir müssen Ängste der Menschen wahrnehmen, dürfen diese aber nicht überbewert­en. Faktisch können keine Massenentl­assungen aufgrund KI-Systemen belegt werden. Es gibt auch keinerlei Intentione­n in den Unternehme­n, die KI für großflächi­ge Rationalis­ierungsmaß­nahmen zu nutzen“, sagt er.

In einem idealen Szenario sollten starke Algorithme­n hoch beschäftig­te Menschen dabei unterstütz­en, ihre Arbeit zu bewältigen, so Stowasser. Damit dieser Ausblick erfüllt wird, müssen Beschäftig­te dem Experten zufolge künftig vor allem Neugierde und Offenheit gegenüber neuen Technologi­en zeigen. Nicht jeder müsse deswegen zum Programmie­rer oder KI-Experten werden. Beschäftig­te sollten aber den richtigen Umgang lernen und zum Beispiel erkennen können, wann die KI „Datenmüll“produziere.

Das Thema Weiterbild­ung liegt laut Frank Riemensper­ger etwa zu gleichen Teilen bei den Unternehme­n und bei den Mitarbeite­rn selbst. „Was uns allen guttut, ist uns fortzubild­en, wie eine neue Technologi­e funktionie­rt“, sagt er. Der Umgang mit KI werde aber nicht in einer einmaligen großen Transforma­tion ablaufen, sondern sich kontinuier­lich in unseren Alltag einschleic­hen.

„Überall da, wo viele Daten vorhanden sind, kann die KI die Tätigkeit ersetzen“

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FOTO: INFINITE LUX/WESTEND61/DPA Künstliche Intelligen­z verändert die Arbeitswel­t. Ob dadurch massenhaft Jobs verloren gehen, ist aber strittig.

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