Rheinische Post - Xanten and Moers
Wohnungswirtschaft kritisiert Bauziele des Bundes
400.000 Wohnungen sollen laut der Ampel-Regierung pro Jahr geschaffen werden. Die Bauindustrie übt scharfe Kritik – und stellt düstere Prognosen.
BERLIN Das Vorhaben war schon zum Start der Ampel-Regierung ambitioniert: „Unser Ziel ist der Bau von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr, davon 100.000 öffentlich geförderte Wohnungen.“So steht es im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP. Und daran hält die Bundesregierung unbeirrt fest – auch wenn das Ziel bereits im ersten Amtsjahr deutlich verfehlt werden dürfte.
Denn die Zahlen waren zuletzt schlecht: Die Genehmigungen für den Neu- und Umbau von Wohnungen waren im Oktober im Vergleich zum Vormonat um 14,2 Prozent gesunken und in den ersten zehn Monaten des Jahres 2022 um 4,7 Prozent auf 297.453 Baugenehmigungen. Wie viele Wohnungen in diesem Jahr fertiggestellt wurden, blieb offen. Die offizielle Statistik wird im Mai 2023 erwartet.
Beim Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW) ist die Stimmung bereits jetzt schlecht, die Kritik an Bund und Ländern scharf. „Wir sind in Deutschland aktuell nicht mehr in der Lage, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen“, sagte GdW-Präsident Axel Gedaschko: „Eine solche rasante Verschlechterung der Bedingungen hat es noch nie in der jüngeren Geschichte gegeben.“
Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) räumte ein, dass die Voraussetzungen derzeit schwierig seien. „Wir arbeiten zurzeit unter schwierigen Rahmenbedingungen. Der Angriffskrieg von Putin in der Ukraine hat zu Lieferengpässen und Inflation geführt“, sagte sie. „Die Zinsen sind gestiegen, und wir haben einen Fachkräftemangel, der sich verstärkt hat“, so Geywitz. „Wenn wir unser Ziel von 300.000 auf 400.000 erreichen wollen, dann müssen einfach pro Mann und Frau auf dem Bau mehr Wohnungen entstehen“, sagte die Ministerin.
Ihr Haus verwies unter anderem auf Förderungen wie die 14,5 Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau bis 2026 vonseiten des Bundes, die durch die Länder kofinanziert würden. 1,1 Milliarden Euro stünden für die Neubauförderung
und die Wohneigentumsförderung im kommenden Jahr bereit, teilte das Ministerium mit.
Gedaschko kritisierte das als nicht ausreichend und wagte eine trübe Prognose für die Ziele der Bundesregierung. „Deutschland ist beim Wohnungsneubau schon im vergangenen Jahr unter die 300.000 Einheiten zurückgefallen. In diesem Jahr rechnen wir mit einem weiteren Rückgang, auf schätzungsweise bis runter auf 250.000 neue Wohnungen und im nächsten Jahr noch mal weniger. Vielleicht nur noch 200.000 Wohnungen“, sagte Gedaschko: „2024 werden es noch weniger sein, wenn nichts Bedeutendes passiert. Wir entfernen uns also immer weiter von der Zahl 400.000.“
Angesichts des riesigen Mangels an Ressourcen und Fachkräften dürfe die Regierung nicht immer weitere unerreichbare Ziele setzen.
Die Bauindustrie attestierte dem Bund und insbesondere den Ländern unterdessen Versagen und übte scharfe Kritik wegen mangelnder Unterstützung. „Der Bund – aber vor allem die Länder – haben noch nicht das geliefert, was notwendig ist, um wirklich mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen“, sagte TimOliver Müller, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie: „Wir brauchen zeitnah eine verlässliche Förderkulisse für den Neubau. Diese wurde uns für Anfang des Jahres versprochen, gesehen haben wir bisher nichts.“