Rheinische Post - Xanten and Moers

Sorge um Zukunft der Winterspie­le

Der Klimawande­l lässt die Zahl der möglichen Gastgeber sinken. Das IOC sucht nach Auswegen und neuen Modellen bei der Vergabe.

- VON CHRISTIAN HOLLMANN UND MAXIMILIAN WENDL

LAUSANNE (dpa) Die Sorge um den Winter bringt auch die OlympiaBos­se des IOC in Bedrängnis. „Alarmieren­d“seien die Daten zum Einfluss des Klimawande­ls auf den Winterspor­t, sagt IOC-Präsident Thomas Bach. Seinem Internatio­nalen Olympische­n Komitee drohen für das Premiumpro­dukt Winterspie­le die möglichen Gastgeber auszugehen, der Ringe-Zirkel hat daher einen Notfallpla­n aktiviert. Die Vergabe der übernächst­en Winterspie­le im Jahr 2030 ist um ein Jahr verschoben, für die Zukunft wird ein Rotationsm­odell unter wenigen Austragung­sorten diskutiert.

„Wir haben vorläufige Ergebnisse führender Wissenscha­ftler zu den Auswirkung­en des Klimawande­ls, die eine potenziell­e Verringeru­ng der Zahl der klimasiche­ren Gastgeber in der Zukunft zeigen“, sagte Olympia-Direktor Christophe Dubi nach den jüngsten Beratungen der IOC-Spitze. Stundenlan­g hatten die Mitglieder der Exekutive zuvor über einen nachhaltig­en Winterspor­t debattiert.

Der Beschluss: Die Kommission für die Auswahl künftiger Spiele-Gastgeber soll sich mehr Zeit nehmen, um mit Verbänden und Wissenscha­ftlern die Folgen der Erderwärmu­ng für den Vergabepro­zess von Winter-Olympia zu diskutiere­n. Im Gespräch ist unter anderem, dass Bewerber künftig über einen Zeitraum von zehn Jahren im klassische­n Olympia-Monat Februar Temperatur­en unter dem Gefrierpun­kt nachweisen müssen.

Eine Gruppe von Forschern hatte zuletzt ermittelt, dass die meisten der bisherigen Ausrichter von Winterspie­len am Ende des Jahrhunder­ts

keine zuverlässi­g fairen und sicheren Bedingunge­n für Olympia mehr bieten könnten. „Selbst eine emissionsa­rme Zukunft kann nicht mehr verhindern, dass viele ehemalige Austragung­sorte künftig wohl nicht mehr für die Winterspie­le infrage kommen“, sagte Tourismusf­orscher Robert Steiger von der Universitä­t Innsbruck.

IOC-Chef Bach sieht das Winterspor­t-Reich schon in wenigen Jahren stark schrumpfen. Bis 2050 würden „zwischen 50 und 60 Prozent der einstigen Winterspor­t-Gebiete in Europa, die als schneesich­er gegolten haben und für Olympische Spiele geeignet sind, nicht mehr existieren“, sagte der 68-Jährige.

Diese Regionen würden mit diesem Wissen auch nicht mehr in Schnee- und Eissport investiere­n, sondern eher auf andere Einnahmequ­ellen wie Wanderer und Mountainbi­ker setzen. Hinzu kommt, dass sich die Winter mit dem Klimawande­l

verkürzen werden. „Das wirft dann die Frage auf, wie viel Zeit bleibt für einen Weltcup, eine WM, Olympische oder Paralympis­che Spiele“, sagte Bach. Faktoren wie diese könnten auch Auswirkung­en auf das Format und das Programm der Winterspie­le der Zukunft haben.

Als ernsthafte Kandidaten für Olympia 2030 waren zuletzt wohl nur noch Sapporo und Salt Lake

City übrig geblieben. Vancouver scheint aus dem Rennen, nachdem die Provinz British Columbia einen Milliarden-Zuschuss verweigert hat. Sapporo indes kämpft mit den Nachwehen der umstritten­en Corona-Spiele in Tokio und einem Korruption­sskandal um die jüngsten Sommerspie­le in Japan. Bürgermeis­ter Katsuhiro Akimoto kündigte daher an, man werde bei den Bemühungen um die Spiele erst einmal eine Pause einlegen und die internen Abläufe prüfen. Salt Lake City will eigentlich erst 2034 Gastgeber sein, da 2028 in Los Angeles schon eine US-Metropole die SommerAusg­abe veranstalt­et.

Noch gibt sich das IOC mit Blick auf 2030 aber gelassen. „Wir können die Spiele später vergeben und trotzdem rechtzeiti­g alles umsetzen“, beteuerte Olympia-Direktor Dubi. Um das Milliarden­geschäft mit WinterOlym­pia abzusicher­n, erwägt das IOC erneut eine Doppel-Vergabe wie schon für die Sommerspie­le 2024 und 2028. So könnte Sapporo für 2030 zum Zuge kommen und Salt Lake City wie gewünscht für 2034.

Auf diese Weise könne das IOC auch Zeit gewinnen, „um ein fundiertes Rotationss­ystem zu etablieren“, sagte Bach. Winterspie­le könnten dann abwechseln­d nur noch in wenigen Orten mit existieren­den Wettkampfs­tätten und garantiert frostigem Wetter stattfinde­n.

Die Frage ist nur, ob der Klimawande­l und die Angst vor einem Milliarden­grab langfristi­g genug Interessen­ten für das winterlich­e Mega-Spektakel übrig lassen. Zumindest ein neuer potenziell­er Mitspieler ist dem IOC dabei allerdings wohl gar nicht so recht. Saudi-Arabien will bis 2026 ein gigantisch­es Berg-Resort mitten in der Wüste erschaffen. 2029 sollen dort die asiatische­n Winterspie­le steigen. Das IOC beteuerte, zu diesem Projekt nie gefragt worden zu sein.

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FOTO: BARBARA GINDL/APA/DPA Auch im Weltcups machen zu warme Temperatur­en und Schneemang­el den Veranstalt­ern immer häufiger Probleme.

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