Rheinische Post - Xanten and Moers
Zwischen Medienhysterie und Zwinkersmiley
Die Fraktionen im Alpener Rat nutzten ihre Haushaltsreden zur politischen Positionsbestimmung. Dabei ging’s um mehr als um Geld.
ALPEN Der Rat hat den Haushalt fürs nächste Jahr auf den Weg gebracht – mit den Stimmen von CDU und FDP. Bündnis 90/Die Grünen, SPD und Die Partei haben dem Zahlenwerk nicht zugestimmt (wir berichteten ausführlich). Die Fraktionen haben die Verabschiedung des mehr als 30 Millionen schweren Finanzpaketes traditionell kurz vor dem Jahreswechsel auch zur politischen Standortbestimmung genutzt.
CDU Für Frederik Paul, erst seit dem Ende der politischen Sommerpause an der Spitze der Mehrheitsfraktion, war die Haushaltsrede eine Premiere. Er schließt mit dem staatstragend daherkommenden Fazit: „Betrachtet man den Haushalt und vergleicht ihn mit anderen Kommunen, so stehen wir gut da und kommen besser durch die schwierige Zeit als viele andere.“Dabei könnte man es im Grunde belassen, wenn da nicht seine Sorge über die Debattenkultur im Land im Allgemeinen und in Alpen im Besonderen wäre. Er habe das Gefühl, so der junge Politiker, der geübt ist, die digitalen Kanäle zu bespielen, „dass die Stimmung immer aufgeheizter“werde. Die Klassifizierung „hysterisierte Mediendemokratie“gefällt dem Politikwissenschaftler dafür recht gut. Seine Beobachtung – auch vor dem Hintergrund des Streites um den KitaStandort zwischen Feuerwehr und Fußball – beschreibt Paul so: „Debatten verlagern sich ins Digitale, werden zunehmend unsachlicher und empathieloser.“Demokratisch getroffene Entscheidungen würden als „Machtmissbrauch“disqualifiziert und mit „virtuellem Applaus“unterfüttert. Gegen ehrenamtliche Kommunalpolitiker, die Verwaltung und den Bürgermeister werde „systematisch Stimmung gemacht“. Die Aufmerksamkeitsspanne beim Konsumieren und Bewerten von vermeintlichen Nachrichten liege oft nur bei Sekunden, die Auseinandersetzung mit oft komplexen Sachverhalten werde als „völlig überbewertet“abgetan. Kritisch wand sich Frederik Paul gegen „ehemalige Kollegen im Rat“, die „erst alle Verantwortung abgegeben haben und dann bei Facebook nachtreten“.
FDP Auch Stephan Gesthuysen hielt seine Jungfernrede zum Haushalt. Er ist nach dem unvermittelten Ausstieg des liberalen Führungsdoppels Thomas Hommen und Michael Weiss in die erste FDP-Reihe gespült worden und bedankte sich zunächst ganz artig bei denen, die ihm und seiner Mitstreiterin Monika Knüppel und dem Rest der Fraktion bei der „Umstrukturierung“des
Teams geholfen haben. Dann packte der neue liberale Mannschaftssprecher die Taktiktafel aus und legte in Anlehnung an König Fußball offen, wie die neu formierte FDP auf dem politischen Feld erfolgreich sein will: „alte Spielzüge und Denkweisen analysieren, uns gegebenenfalls anders aufstellen“. Die liberale Grundordnung aber wolle die FDP nicht aufgeben, „auch wenn wir jetzt mit Viererkette spielen“– mit drei Ratssitzen wohlgemerkt. Und Gesthuysen kündigte an, dass „jedes Foul des Bürgermeisters, auch jeder noch so kleine Rempler, die gelbe Karte“nach sich ziehen werde, um „fatale Folgen abzuhalten“.
Bündnis 90/Die Grünen Die Grünen lehnen den Haushalt ab. Ihnen mangelt’s an Nachhaltigkeit und am Glauben, dass im Rathaus ein Umdenken in die von ihnen gewünschte Richtung einsetzt. Vor allem die Ablehnung, den von ihnen vorgeschlagenen Projektmanager einzustellen, liegt der zweitstärksten Kraft im Rat schwer im Magen. „Hier wird eine Chance vertan“, sagte Fraktionssprecher Peter Nienhaus. Das Fehlen einer Fachkraft im Rathaus, die die Projekte der Kommune von Anfang an intensiv begleite, habe sich zuletzt wieder als schmerzlich erwiesen. Nienhaus sprach von „gravierenden Problemen“bei der Sanierung der Sekundarschule und erheblichen Mehrkosten beim Bau des Flüchtlingsheims an der Bahnhofstraße. Beides hätte durch professionelle Steuerung vermieden werden können. Auch vom Bürgermeister eingeräumte Defizite im Standortkonflikt für die geplante DRK-Kita seien durch frühzeitige, transparente Kommunikation vermeidbar gewesen. Politisch sei es dringend geboten, die Bürgerschaft „frühzeitig an Entscheidungsprozessen zu beteiligen“. Aber auch kleine Erfolge meldet Nienhaus. Er nennt das Programm „Jung kauft Alt“oder die Förderung von Sonnentanks auf dem Dach. Zudem sei auf Antrag der Grünen die gut eine halbe Million Euro im Etat zur Sanierung des alten Umkleidetraktes von Borussia Veen mit einem Sperrvermerk versehen worden, da noch erheblicher Redebedarf bestehe. Grundsätzlich gelte, dass „die finanziellen Spielräume immer enger werden“, die Schulden wie die Zinsen stiegen. „Das geht zulasten der künftigen Generation und ist nicht nachhaltig“, so Nienhaus.
SPD Auch die SPD beklagt das Fehlen professioneller Projektsteuerung, setzt aber, anders als die Grünen, auf „externes Knowhow“. Auch die Genossen machen kostspielige Fehler beim Bau der Flüchtlingsunterkunft am Bahnhof öffentlich. Ein Eigentümerwechsel beim beauftragten Unternehmen habe – auch wegen angemahnter, aber nicht in Anspruch genommener juristischer Begleitung – vermeidbare Mehrkosten produziert, so SPD-Fraktionschef Armin Lövenich. Auch er bringt sich im Streit um den Kita-Standort am Viktoria-Sportplatz in Stellung. „Mit aller Gewalt und ohne Weitsicht“werde ein Standort durchgesetzt, zu dem es Alternativen gebe, mit denen „allen geholfen“sei. Auch auf anderen Konfliktfeldern reitet die SPD, mit fünf Sitzen nur noch dritte Kraft, auf Gegenkurs zur schwarz-grünen Mehrheit. „Windkraft, ja bitte“, heißt die Formel, „aber doch nicht im Wald auf der Bönninghardt“. Lövenich gibt den kernigen Klassenkämpfer: „Hier wird den Wunschvorstellungen zahlungswilliger Investoren gefolgt.“Und im Baugebiet Alpen-Ost biete ein Investor statt erschwinglichen Wohnraum „Penthouse-Wohnungen zu einem horrenden Preis“. Die ohnehin gebeutelten Bürger würden durch steigende Preise für Trinkwasser, Lövenich hat ein Plus von 24 Prozent errechnet, zusätzlich belastet. Dem KWW, das als Grund steigende Kosten anführt, antwortet die SPD mit einer rhetorischen Frage: „Oder liegt’s doch, wie von uns vorhergesagt, am neuen Palast?“Was den Alpener Haushalt angeht, sehen die Genossen die Haushaltssicherung zwar noch nicht anrücken. Aber „freiwillige Konsolidierung“halten sie für „ein Gebot der Stunde“. Den erforderlichen Sparwillen vermag man nicht zu erkennen.
Die Partei Auch wenn Matthias Schuscik als Solist für Die Partei wenig Lust verspürte, ein fröhliches Lied zum Haushalt zu zwitschern, so gab er doch so etwas wie den Lila-LauneBär. Mit Blick auf den Alpener Ortskern stellte er fest: „Hier herrschen praktisch Kriegszustände.“Ein gewagter Befund. Schon treffender seine Feststellung, dass die aufgeheizte Standortdebatte um das Kita-Vorhaben „die ganze Gemeinde spaltet“. Heiterkeit habe nur die „BienchenBattle“um die Produktion von Alpen-Honig auf dem Rathausdach ausgelöst. „Eine Ausnahme“, so der um Satire bemühte Partei-Gänger. Am Geld hänge er nicht. Er sei bereit, das, was ihm die Neuregelung der Aufwandsentschädigung für Ratsvertreter einbringe (Mehrkosten von 70.000 Euro), zu spenden. Kritisch sieht er, dass Alpen seine Haushalte durch Baulandgeschäfte stütze. Wichtiger sei es, mehr Gewerbe anzusiedeln. Dazu müsse die Wirtschaftsförderung gestärkt werden. Es brauche da mehr Mut und Kreativität. Aus der Kreativ-Kiste kommt auch sein nicht ganz ernst gemeinter Vorschlag, das „Land der Feen und Krähen zu verkaufen“, um den Haushalt zu konsolidieren. „Davon nehmen wir vorerst Abstand“, sagte Schuscik und setzte ein „Zwinkersmiley“. Aber: Die Sanierung der von Legionellen geplagten Umkleidekabine der Borussia „für Kosten in Höhe eines Einfamilienhauses“, darüber müsse noch gesprochen werden. Im Ernst.