Rheinische Post - Xanten and Moers
Lage in Lützerath extrem angespannt
Das von Klimaaktivisten besetzte Braunkohledorf soll in der kommenden Woche abgebaggert werden. Doch bereits am Montag ist es zu ernsten Zusammenstößen zwischen der Polizei und den Protestierenden gekommen.
LÜTZERATH Mit einer brennenden Barrikade haben Klimaaktivisten am Montag eine Zufahrtsstraße nach Lützerath blockiert. Die Polizei hatte dort am frühen Morgen begonnen, ihren Einsatz vorzubereiten, sagte Michael Mertens, Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Dabei hatte es erste, kleinere Zusammenstöße mit den Einsatzkräften gegeben. Dass die Aktivisten dem Prozess nicht tatenlos zuschauen würden, sei zu erwarten gewesen, sagte Mertens. „Da werden die Bilder erzeugt, die man erzeugen will“, so der GdP-Vorsitzende.
Das längst verlassene Dorf soll dem Braunkohletagebau weichen und wird abgerissen. Der Kreis Heinsberg veröffentlichte vor Weihnachten auf Weisung der Bezirksregierung Köln eine Allgemeinverfügung zur Räumung Lützeraths. Diese Verfügung spricht erst einmal ein allgemeines Aufenthaltsverbot in Lützerath aus. Wird dem nicht Folge geleistet, bietet sie die Grundlage zur Ergreifung von Räumungsmaßnahmen ab dem 10. Januar.
Am Montag flogen auch Böller, Flaschen und Steine in Richtung der Einsatzkräfte. „Die Polizei hat heute angekündigt, dass sie Barrikaden räumen wird, die wir aufgebaut haben, um das Dorf zu schützen“, sagte Julia Riedel, Sprecherin der Initiative „Lützerath lebt“. Ein Aktivist des Bündnisses „Letzte Generation“hatte seine linke Hand auf der Zufahrtsstraße festgeklebt. Ein weiterer Aktivist hatte sich auf einem dreibeinigen Hochstand angebunden. Ein Polizeisprecher bestätigte, die Räumung sei für Montag nicht geplant gewesen. Gegebenenfalls müssten aber Zufahrtsstraßen freigeräumt werden, damit der Energiekonzern RWE mit seinen Baumaschinen durchkommen könne. Wie RWE mitteilte, wurden am Montag drei Landstraßen bei Lützerath dauerhaft gesperrt.
Das Dorf soll zur Kohlegewinnung abgebaggert werden. In den Häusern, deren einstige Bewohner weggezogen sind, leben nun Aktivisten, die um den Ort kämpfen wollen. Für das Abbaggern und Verbrennen der Kohle sehen sie keine Notwendigkeit. Grundstücke und Häuser gehören aber dem Energiekonzern RWE. Dieser teilte mit, die Inanspruchnahme von Lützerath in diesem Winter sei notwendig, um inmitten der Energiekrise eine sichere Versorgung der Kraftwerke zu gewährleisten.
GdP-Vorsitzender Mertens befürchtet, dass es in dieser Woche zu weiteren Zusammenstößen kommen könnte. Er geht davon aus, dass die Aktivisten öffentlich wahrzunehmen seien, auch um Zeichen innerhalb der Besetzerszene zu setzen. „Dabei haben auch die Polizisten großes Interesse daran, die Zukunft unseres Planeten zu sichern“, sagte Mertens. Auf beiden Seiten seien junge Menschen an diesem Prozess beteiligt, deshalb müsse man darauf achten, dass der Protest im Verhältnis zu den eingesetzten Mitteln stehe. Mertens: „Die Aktivisten sollten weder ihr eigenes noch das Leben der Polizisten gefährden.“
Lützerath sei nicht der Hambacher Forst, erklärte Mertens weiter. Mit dem auf 2030 vorgezogenen Braunkohle-Ausstieg hätten die Klima-Schützer ihr wichtigstes Ziel bereits erreicht. „Hambach war aber auch deshalb anders, weil die Politik damals die Räumung des Waldes angeordnet hat, obwohl überhaupt noch nicht feststand, ob der Hambacher Forst nicht doch erhalten werden kann“, sagte Mertens: „Jetzt dagegen ist das Ende der Braunkohle entschieden.“
Der für die Räumung zuständige Aachener Polizeipräsident Dirk Weinspach wandte sich am Montag in einem Brief direkt an die Aktivisten. „Ich wünschte, die Räumung von Lützerath hätte sich vermeiden lassen. Aber sie ist – nach allem, was ich weiß – leider unvermeidlich“, schrieb er. Auch er teile die Sorge vor einer weiteren Erderwärmung und vor den Folgen, wenn es nicht gelinge, das völkerrechtlich vereinbarte 1,5-Grad-Ziel einzuhalten. Ob die Kohle unter Lützerath abgebaut werde, entscheide aber nicht die Polizei. Weinspach: „Die Umsetzung dieser fachlich und rechtsstaatlich zustande gekommenen Entscheidung zu verweigern, würde demokratische, rechtsstaatliche Grundregeln infrage stellen und willkürlichen, sachfremden Entscheidungen Tür und Tor öffnen.“
Mitarbeit: Jörg Isringhaus und Lilli Stegner