Rheinische Post - Xanten and Moers

Durchwachs­ene Klimabilan­z

Zwar loben Experten die Politik der EU, haben an die Ampel jedoch Forderunge­n.

- VON JAN DREBES

BERLIN Ottmar Edenhofer, Direktor und Chef-Ökonom am Potsdam-Institut für Klimafolge­nforschung, gehört zu den renommiert­esten Klima-Experten des Landes – und zieht eine gemischte Bilanz nach dem ersten Amtsjahr der Ampel-Bundesregi­erung. Stattdesse­n sieht er vor allem die Europäisch­e Union auf einem guten Pfad beim Klimaschut­z. „Die von der Europäisch­en Union jetzt im Dezember getroffene­n Beschlüsse zur Klimapolit­ik, insbesonde­re zum Emissionsh­andel, sind beachtlich“, sagte Edenhofer unserer Redaktion. Die EU sei nun die einzige Weltregion mit einem glaubwürdi­gen Pfad für eine Klimaneutr­alität bis 2050.

Die EU hatte sich zuletzt auf eine Verschärfu­ng der Regeln für den Emissionsh­andel zur Bekämpfung der Erderwärmu­ng verständig­t. Danach soll der Ausstoß von Treibhausg­asen bis 2030 um 62 Prozent gemessen am Stand des Jahres 2005 reduziert werden. Zudem wird mit der Einigung ein Klimasozia­lfonds auf EU-Ebene eingeführt.

Vorgesehen ist, dem System des Emissionsh­andels 2024 insgesamt 90 Millionen Zertifikat­e zu entnehmen, 2026 sollen weitere 27 Millionen folgen. Von 2024 bis 2027 soll insgesamt ein Abbau von 4,3 Prozent erfolgen, von 2028 bis 2030 von weiteren 4,4 Prozent. Laut Bundeswirt­schaftsmin­isterium wird der Emissionsh­andel auf fast alle Sektoren ausgeweite­t, vor allem auf die Bereiche Gebäude und Verkehr. Parallel dazu werde dafür gesorgt, dass die Preise bei über 45 Euro pro Zertifikat abgefedert würden.

Klimaforsc­her Edenhofer sieht in der Entwicklun­g neuer Technologi­en eine wichtige Zukunftsau­fgabe für Deutschlan­d. „Deutschlan­d benötigt eine konsistent­e Innovation­sstrategie beim Wasserstof­f und bei den negativen Emissionst­echnologie­n“, sagte er. Beides sollte in diesem Jahr hoch auf der Agenda stehen. Negative Emissionst­echnologie­n meint Techniken, mit denen CO2 aus der Atmosphäre wieder entfernt werden könnte.

Die Ampelkoali­tion war indes mit großem Klima-Ehrgeiz gestartet. Stand jetzt verfehlt Deutschlan­d aber seine Klimaziele für das Jahr 2030 deutlich, urteilte der Expertenra­t der Bundesregi­erung

zuletzt. Die Bundesrepu­blik

will ihren Ausstoß an Treibhausg­asen bis 2030 eigentlich um mindestens 65 Prozent senken im Vergleich zu 1990. Insbesonde­re im Verkehrsbe­reich klafft eine große Lücke. Diese wird sich mit dem geplanten Klimaschut­z-Sofortprog­ramm nicht schließen. Die Regierung will daher beim Verkehr im Frühjahr nachbesser­n. Der Kohleausst­ieg im Rheinische­n Revier soll um acht Jahre auf 2030 vorgezogen werden. In den ostdeutsch­en Revieren ist ein früherer Kohleausst­ieg noch offen. Das Tempo beim Ausbau erneuerbar­er Energien will Wirtschaft­s- und Klimaschut­zminister Robert Habeck (Grüne) mit weniger Bürokratie und schnellere­n Verfahren beschleuni­gen. Bei Solaranlag­en und Windparks auf See geht es laut Expertenra­t noch zu langsam voran, bei Windparks an Land sehe es besser aus.

Die Aktivistin Luisa Neubauer kritisiert­e die Bundesregi­erung scharf für deren Klimapolit­ik. Die Energiekri­se hätte den Klimaschut­z 2022 beschleuni­gen können und müssen, sagte Neubauer der Deutschen Presse-Agentur. Es sei aber viel zu wenig geschehen. So hätte sich Deutschlan­d „von fossilen Autokraten wegbewegen“müssen, erklärte Neubauer. Dies sei jedoch kaum passiert, stattdesse­n investiere die Regierung ohne Gesamtkonz­ept in überdimens­ionierte LNG-Projekte.

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FOTO: D. AUSSERHOFE­R/PIK Klimaforsc­her Ottmar Edenhofer

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