Rheinische Post - Xanten and Moers

Braucht es Böller-Verbote?

- VON LILLI STEGNER UND NICK DEUTZ

In der Nacht zum Jahreswech­sel kam es zu Angriffen auf Feuerwehr und Polizei – nicht nur in Berlin, sondern auch hier in NRW. Sind strengere Gesetze nötig?

ESSEN Die Nacht des Jahreswech­sels ist für Polizei, Feuerwehr und Rettungskr­äfte immer eine besonders arbeitsint­ensive. Jedes Jahr kommt es zu Unfällen mit Feuerwerks­körpern. Immer wieder geraten die Einsatzkrä­fte aber auch in Situatione­n, in denen sie bewusst angegriffe­n und in ihrer Arbeit behindert werden.

In Berlin etwa gab es schwere Angriffe auf Rettungskr­äfte, die selbst die Polizei überrascht­en. Doch auch in NRW kam es zu erschrecke­nden Szenen an diesem ersten Silvester ohne Corona-Einschränk­ungen. Im Essener Stadtteil Freisenbru­ch musste die Polizei die Kollegen der Feuerwehr vor Angriffen schützen. Die Einsatzkrä­fte wurden bei Löscharbei­ten von mehreren brennenden Müllcontai­nern durchgehen­d mit Pyrotechni­k beschossen, sodass die weiteren Löscharbei­ten nicht durchgefüh­rt werden konnten. Erst nachdem Polizisten eine Kette um die Kollegen der Feuerwehr bildeten, konnten die Brände gelöscht werden.

Drei Feuerwehrl­eute wurden bei dem Einsatz leicht verletzt und erlitten ein Knalltraum­a. „Zum Glück befinden sich alle Kollegen mittlerwei­le auf dem Weg der Besserung“, berichtet Christoph Riße, Pressespre­cher der Feuerwehr Essen. Die Situation sei für die Einsatzkrä­fte aber mehr als befremdlic­h gewesen. „Sie kommen schließlic­h, um zu helfen und werden am Ende beschossen“, sagt er. Er spricht von Gewalt in einem bisher ungekannte­n Ausmaß.

Christoph Riße Sprecher der Feuerwehr Essen

So sieht es auch Pascal Pettinato, Pressespre­cher von der Polizei Essen. „Wir erleben zwar schon seit einigen Jahren diesen traurigen Trend, dass Personen ihren Spaß daran gefunden haben, Rettungskr­äfte mit Pyrotechni­k zu beschießen. Aber dass die Feuerwehr die Brände gar nicht löschen kann, weil sie so massiv beschossen wird, das ist schon eine andere Qualität“, sagt Pettinato. So mussten in diesem Jahr erstmals nicht nur die Hundertsch­aften, sondern auch die Streifenpo­lizisten in Essen mit Helmen ausgerüste­t werden.

Für Erich Rettinghau­s, Landesvors­itzender der Deutschen Polizeigew­erkschaft in NRW, zeigt das die Veränderun­g in den Vorfällen. „Früher ging es an Silvester meist um das Schlichten von Streitigke­iten. Heute wird zum Teil die Polizei gerufen, um die Beamten dann bewusst anzugreife­n.“Viel wichtiger als weitgreife­nde Verbote und strengere Gesetze wäre für ihn aber, das vorhandene Strafmaß konsequent­er auszuschöp­fen. „Ein generelles Verbot wäre derzeit nicht durchsetzb­ar“, sagt er. Zudem sei die Sprengkraf­t der in Deutschlan­d verkauften Feuerwerks­körper zu hoch. „Wenn ein Krankenwag­en Polizeisch­utz braucht, dann muss man sagen, dass wir als Gesellscha­ft die Lage nicht mehr wirklich im Griff haben“, sagt er.

Ähnlich sieht auch Michael Martens die Lage. Er ist stellvertr­etender Bundesvors­itzender der Gewerkscha­ft der Polizei und mahnt zu einem Umdenken. „Jetzt haben wir 364 Tage Zeit, um solche Szenen zum nächsten Jahreswech­sel zu verhindern.“Er betont, auch Einsatzkrä­fte seien keine Spaßbremse­n, dass Menschen feiern wollen, sei okay. Es brauche aber Alternativ­en, beispielsw­eise mehr öffentlich­e Feuerwerke. „Am Ende ist der verlorene Respekt vor der Uniform aber eine Entwicklun­g über Jahrzehnte. Da hilft nur Bildung, Vernunft und Einsicht“, so Martens.

„Sie kommen, um zu helfen und werden am Ende beschossen“

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