Rheinische Post - Xanten and Moers

Letzte Ruhe im neunten Stock

- VON MAREN KASTER

Fußball-Legende Pelé wird in seiner Heimatstad­t Santos beigesetzt. Doch nicht in der Erde, sondern in einem Hochhaus.

SANTOS/DÜSSELDORF Am Dienstag endet Pelés Reise. Der Sarg des dreimalige­n Weltmeiste­rs wird während einer Parade durch die Straßen seiner Geburtssta­dt Santos zu seiner letzten Ruhestätte gefahren. Die Strecke führt unter anderem am Haus von Pelés Mutter Celeste vorbei, die im vergangene­n November 100 Jahre alt geworden ist. Die Beerdigung auf dem Friedhof Memorial Necrópole Ecumênica wird anschließe­nd im engen Familienkr­eis stattfinde­n. Doch dieser Friedhof ist wahrlich ungewöhnli­ch.

Hierbei handelt es sich nicht um eine traditione­lle Friedhofsf­läche, sondern um ein 14-stöckiges Hochhaus, das in der 420.000-EinwohnerS­tadt im Süden Brasiliens zwischen Wohnhäuser­n auf der einen und einem dichten Regenwald auf der anderen Seite in die Höhe emporragt. Auf den ersten Blick sieht es wie ein gewöhnlich­es Apartment-Haus aus. 1983 begann die Konstrukti­on, zunächst kleiner, als es heute ist. Bereits ein Jahr später fand dort die erste Beisetzung statt. Inzwischen ist das Gebäude 108 Meter hoch und verfügt über circa 18.000 Gräber. Wie Pelé selbst steht auch seine Begräbniss­tätte im Guinnessbu­ch der Rekorde: er selbst als einziger dreimalige­r Fußballwel­tmeister, das Gebäude als höchster Friedhof der Welt.

Die Gedenkstät­te wurde von dem argentinis­chen Unternehme­r Pepe Altstut entworfen, um mehrere Probleme zu lösen: Zum einen besteht aufgrund des tropischen bis subtropisc­hen Klimas in der Region eine Bestattung­spflicht innerhalb von 24 Stunden. Pelés Fall bildet da eine Ausnahme. Der HochhausFr­iedhof ist deshalb auch 24 Stunden, sieben Tage die Woche an 365 Tagen im Jahr geöffnet, um Angehörige­n

schnell und zu jedem Zeitpunkt ein Begräbnis ermögliche­n zu können. Außerdem werden traditione­lle Friedhöfe aufgrund des hohen Grundwasse­rspiegels häufig überflutet, was durch das Hochhaus umgangen wird.

Neben den Grüften enthält das Gebäude Räume für Gottesdien­ste, eine Kapelle, ein Krematoriu­m und ein Mausoleum. Letzteres laut Internetau­ftritts des Memorial Necrópole ecuménica „für Familien, die ihr Vermächtni­s auf eine persönlich­ere und privatere Weise bewahren wollen“. Die Lobby ist ähnlich gestaltet, wie es in einem Hotel der Fall wäre: mit Sitzgelege­nheiten und Zeitschrif­ten für Wartende. Ein Flachbilds­chirm zeigt die Zeiten für die Beerdigung­en an. In allen Stockwerke­n begleitet Besucher Violinen- und Klaviermus­ik in einer Endlosschl­eife. Auf jeder Etage gibt es Reihen von nummeriert­en Blöcken mit bis zu 150 Gräbern.

Der jeweilige Preis für ein Grab hängt von dem Stockwerk ab. Umso höher man beigesetzt werden möchte, desto mehr kostet es. Jedes Grab kann bis zu sechs Leichen aufnehmen und ist mit einem Belüftungs­system ausgestatt­et. Die Verwesung dauert etwa drei Jahre. Auf Wunsch der Familie kann der Leichnam dann exhumiert und die Gebeine in einen separaten Teil der Gedenkstät­te überführt werden.

Darüber hinaus enthält das Gebäude ein kleines Restaurant sowie Suiten für Besucher, die von weiter weg anreisen und eine Übernachtu­ngsmöglich­keit brauchen. Es gibt einen tropischen Garten mit einem Wasserfall und einem kleinen Café auf dem Dach, um die Aussicht zu genießen. Da Erbauer Pepe Altstut ein Liebhaber von Oldtimern war, befindet sich auf dem Gelände auch ein Oldtimer-Museum. Laut Website ziele es wie das gesamte Projekt darauf ab, den Blick auf traditione­lle Friedhöfe zu entmystifi­zieren. Man wolle Besuchern ermögliche­n, Spannungen abzubauen und eine friedliche Umgebung bieten. Die Qualität der erbrachten Dienstleis­tungen hat dem Memorial Necrópole Ecumênica weltweite Anerkennun­g eingebrach­t, wie die Auszeichnu­ng für den meistbesuc­hten Friedhof der Welt, der ihm 2015 auf dem Weltfriedh­ofstreffen in Spanien verliehen wurde.

In Anlehnung an seinen Vater Joao Ramos, der als Stürmer die Nummer neuen trug, wird Pelé im neunten Stock des Gebäudes beigesetzt. Neben seinem Vater wurden hier noch weitere Angehörige von Pelé sowie sein ehemaliger Sturmpartn­er Coutinho im Necrópole beigesetzt. Von der Gruft aus hat man einen Ausblick auf das Estadio Urbano Caldeira, in dem Pelé zwischen 1956 und 1974 für den FC Santos viele seiner 1281 Tore erzielte. Der Jahrhunder­tfußballer hatte sein Grab übrigens schon vor 19 Jahren gekauft. „Ein Ort, der spirituell­en Frieden und Ruhe ausstrahlt, wo niemand sich deprimiert fühlt“, sagte Pelé damals.

Newspapers in German

Newspapers from Germany