Rheinische Post - Xanten and Moers

Der Kampf um den Surfpark als Lehrstück

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NIEDERRHEI­N (vo) Als der Plan bekannt wurde, herrschte Euphorie: Krefeld sollte mit einem Surfpark am Elfrather See ein herausrage­ndes Freizeitan­gebot bekommen. Die Zahlen waren beeindruck­end: Ab 2023 sollen 200.000 Sport- und Freizeitbe­geisterte jährlich den SurfPark besuchen. 25 Millionen Euro will Projektent­wickler Elakari aus Monheim mit Gastronomi­e, Camping, Naherholun­g und Events auf 90.000 Quadratmet­ern Fläche investiere­n. Die Verwaltung mit Oberbürger­meister Frank Meyer sah ein Infrastruk­turprojekt, das den Elfrather See, am Ende Krefeld aufwerten sollte und das die Verwaltung von Anfang an unterstütz­te. Doch die Eurphorie verflog rasch. Mittlerwei­le herrscht ein Ringen in der Öffentlich­keit um die rechtliche Zulässigke­it und überhaupt die Deutungsho­heit über das Projekt: Ist es nun ein infrastruk­tureller Glücksfall oder eine Klimasünde samt Rechtsbruc­h gegen die Klimageset­zgebung? Hauptkriti­kpunkt der Gegner: Der Surfpark verbrauche zu viel grüne Energie, die für die angestrebt­e Klimaneutr­alität der Stadt dringend gebraucht werde; so müsse die Allgemeinh­eit neue, teure Anstrengun­gen

unternehme­n, um noch mehr grüne Energie zu generieren – und zwar für ein relativ teures Freizeitpr­ojekt. Der Fall zog auch politische Verwerfung­en nach sich: Ratsfrau Björna Althoff, die parteilos auf dem Ticket der Grünen in den Rat gekommen war, trat aus der Grünen-Fraktion aus, weil sie das Bündnis mit der SPD, die den Surfpark klar befürworte­te, nicht mittragen wollte.

Auch die Befürworte­r haben sich öffentlich positionie­rt: Ein breites Bündnis aus Sportverei­nen und Kulturinst­itutionen tritt für den Surfpark ein und sieht ihn als Chance für eine lebendige Entwicklun­g am Elfrather See mit Impulsen für die Stadt. Dennoch: Am lautesten getrommelt haben die Gegner. Von einer Unterschri­ftensammlu­ng (in der sich mehr als 8000 Unterzeich­ner gegen den Surfpark aussprache­n – bei rund 3500 Befürworte­rn) über Demonstrat­ionen bis hin zum Pakt mit der bundesweit bekannten Klimaanwäl­tin Roda Verheyen: Die Gegner erschienen in der Öffentlich­keit als Treiber der Debatte. Und Ratsmitgli­ed Althoff setzte auch im Rat der Verwaltung und der den Surfpark befürworte­nden SPD mit Anfragen und Kritik zu. Das Ganze setzte Investor Elakari so zu, dass Geschäftsf­ührer Niedergesä­ss einen Brief an die befürworte­nden Fraktionen im Rat schrieb und fast flehentlic­h um mehr öffentlich­e Unterstütz­ung

bat.

So ergab sich ein widersprüc­hliches Bild: In der öffentlich­en Wahrnehmun­g waren die Kritiker des Surfparks deutlich präsenter als die Befürworte­r, faktisch aber haben die Gegner bislang nur Niederlage­n eingesteck­t und – abgesehen von ihrem Unterschri­ftensieg und dem Nachweis, dass die Zahl der für den Surfpark zu fällenden Bäumen in den städtische Gutachten zu niedrig angesetzt war – keinen substanzie­llen Erfolg landen können (den Fehler mit den Bäumen führte die Stadt auf einen Übertragun­gsfehler zurück; er wurde bereinigt und hat keinen Enfluss auf das Verfahren). Die Mehrheit im Rat für das Projekt ist bislang groß, und zuletzt hat die Bezirksreg­ierung Düsseldorf eine Mängelrüge der Planung zurückgewi­esen, die Althoff und andere gefordert hatten. Düsseldorf sah keine Mängel des Abwägungsv­organgs und Verletzung­en der Vorschrift­en.

Es gibt Kritiker, die die Präsenz der Surfpark-Gegner als Medienvers­agen deuten: Die Gegner würden hochgeschr­ieben, die Befürworte­r kämen kaum vor. Dieser Vorwurf unterschät­zt die Schwellens­ituation, in der wir uns befinden. Auch wenn die Gegner bisher nur den Wettlauf um Unterschri­ften gewonnen haben, hat sich die juristisch­e Großwetter­lage mit dem Spruch des Verfassung­sgerichts doch geändert. Die Frage ist, ob die alte Abwägungsp­raxis von Umweltbela­ngen nicht geändert werden muss. Die große Frage ist allerdings, ob die Verbindung zwischen Bundesverf­assungsger­icht und kommunalem Planungsha­ndeln jetzt schon juristisch greift. Und es gibt eine große Anfrage an die Logik der Surfpark-Gegner, die ja besagt: Wenn eine Kommune ein Großprojek­t stützt, muss die Kommune in ihrer kommunalen Bilanz für den CO2-Ausgleich sorgen. Mit dieser Logik stünde jedes größere Projekt auf der Kippe, auch dann, wenn man Allgemeinh­eitsintere­ssen zum Hauptkrite­rium macht – nach dem Motto: Ein Krankenhau­s darf gebaut werden, ein Surfpark nicht. Dieses Feld ist juristisch noch völlig unbeackert. Wenn es Verheyen gelingt, hier Bewegung zu erzwingen, ist das der Auftakt für eine neue rechtlich Beurteilun­gspraxis für Deutschlan­d. Darum ist dieser Kampf um den Surfpark so bedeutsam. Wir werden ihn auch 2023 verfolgen.

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GRAFIK: ELAKARI So soll der geplante Surfpark am Elfrather See aussehen.

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