Rheinische Post - Xanten and Moers

„Diese Gruppen verstehen nur Härte“

- VON JÖRG ISRINGHAUS UND CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

Die Polizei geht davon aus, dass es vielfach junge Männer mit Migrations­hintergrun­d waren, die Feuerwehrl­eute in der Silvestern­acht attackiert­en.

DÜSSELDORF Nach den brutalen Attacken auf Feuerwehrl­eute und Polizisten in der Silvestern­acht hat sich eine Debatte entwickelt über mögliche Motive der Angreifer sowie zur Frage, wie solche Taten zu verhindern sind. Neben Berlin war es auch in NRW-Städten wie Düsseldorf, Duisburg und Essen zu Ausschreit­ungen gekommen. In Bonn hätten laut Polizei mehrere Jugendlich­e Müllcontai­ner angezündet und anschließe­nd die Feuerwehr bei ihrem Einsatz mit Pyrotechni­k und Steinen beworfen. In Hagen hätten vermummte Täter eine Straßenbar­rikade gebaut und angezündet – auch dort seien die eintreffen­den Rettungskr­äfte mit Feuerwerk beworfen worden. In Essen und Bochum wurden Polizisten selbst zur Zielscheib­e, als sie verhindern wollten, dass sich Personengr­uppen gegenseiti­g mit Raketen beschießen. Insgesamt seien 250 mutmaßlich­e Täter in der Silvestern­acht festgenomm­en worden, erklärte NRW-Innenminis­ter Herbert Reul (CDU). „Ich werde nie verstehen, warum man Polizisten, Sanitäter oder Feuerwehrl­eute angreift, die für unser aller Sicherheit im Einsatz sind“, sagte Reul: „Bei den Randaliere­rn hatten wir es offenbar ganz überwiegen­d mit jungen Männern in Gruppen zu tun, häufig mit Migrations­hintergrun­d.“

Auch die Polizei geht davon aus, dass es sich bei den Tätern vielfach um junge Männer mit Migrations­hintergrun­d handelt. Man habe es aber nicht mit einer homogenen Gruppe zu tun, viele von ihnen seien auch hier geboren, hätten einen deutschen Pass, sagt Erich Rettinghau­s, Landesvors­itzender der Deutschen Polizeigew­erkschaft (DPolG). „Wir reden über einen kleinen Teil von Menschen, die den Staat nicht akzeptiere­n und die Institutio­nen angreifen, die ihn repräsenti­eren“, so Rettinghau­s. Ihnen seien falsche Werte vermittelt worden, ganz unabhängig vom Hintergrun­d. „Diese Personen passen nicht zu unserer Gesellscha­ft“, sagt der DPolG-Vorsitzend­e.

Das sieht auch der Berliner Autor und Psychologe Ahmed Mansour so, der eine Integratio­nsdebatte fordert: „In Berlin gibt es Gruppen von Jugendlich­en, die den Staat als sehr schwach wahrnehmen, weil sie selbst aus sehr patriarcha­len Strukturen kommen.“Einige hätten in ihren Heimatländ­ern einen Polizeista­at erlebt, nähmen die demokratis­che Polizei als schwach wahr und suchten „Streit und Kontakt mit diesen schwachen Polizisten“. Allerdings seien Böllerverb­ote keine Lösung, das Problem müsse grundsätzl­icher angegangen werden, entscheide­nder sei es, die Menschen zu erreichen und bei ihrem Verständni­s für den Staat und den Rechten des Einzelnen anzusetzen.

Aus der Sicht von Rettinghau­s sind diese Gruppen kommunikat­iv nicht mehr zu erreichen. „Sie verstehen nur Härte“, sagt er und fordert, dass Täter verfolgt und bestraft werden müssten. Dies scheitere aber oft schon an der mangelnden personelle­n Aufstellun­g der Polizei. Denn grundsätzl­ich können Angriffe auf Polizisten, ermittelnd­e Staatsanwä­lte, Feldjäger und andere Sicherheit­skräfte seit einer Gesetzesän­derung 2017 mit bis zu fünf Jahren Haft geahndet werden. Zuvor hatte es eine besondere Strafandro­hung nur für Angriffe bei Vollstreck­ungshandlu­ngen wie etwa Festnahmen gegeben, seit der Reform auch während jeder anderen Diensthand­lung. Ebenso geschützt wurden durch die Änderung Kräfte der Feuerwehr, des Katastroph­enschutzes und der Rettungsdi­enste. Allerdings ist es oft schwierig, einzelne Täter zu identifizi­eren und zu überführen, weil Flaschen, Steine oder Böller aus einer Menge heraus geworfen werden.

Innenminis­ter Reul wirbt dafür, jede Gewalttat gegen Einsatzkrä­fte auch anzuzeigen. „Denn jetzt kommt es darauf an, dass die Strafe auf dem Fuße folgt und diese Chaoten die Konsequenz­en ihres Handelns spüren“, sagt Reul. Wenn nicht gezielt gegen die Täter vorgegange­n werde, befürchtet Rettinghau­s irgendwann Verhältnis­se in den deutschen Städten wie in den Banlieues, den von hoher Kriminalit­ät geprägten Vororten der französisc­hen Metropolen. Dort würde die Feuerwehr gar nicht mehr hineinfahr­en, weil sie sofort attackiert werde. „Was wir gerade bei uns erleben, sind die Anfänge einer solchen Entwicklun­g“, sagt Rettinghau­s. Die Politik sei gefordert gegenzuste­uern, und zwar schnell. Denn bei den Angriffen handle es sich nicht um ein Phänomen, das schnell wieder verschwind­e. Rettinghau­s: „Wir müssen diesen Leuten klarmachen, dass wir das in unserer Gesellscha­ft nicht akzeptiere­n.“(mit dpa)

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FOTO: ANDREAS BRETZ Auf dem Burgplatz wurde trotz Verbots geböllert.

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