Rheinische Post - Xanten and Moers
Prinz Harry legt nach
Erst ein Interview mit Oprah Winfrey, dann eine Netflix-Doku, jetzt ein Buch: In seiner Autobiografie, die nächste Woche erscheint, erhebt der zweitgeborene Sohn von König Charles III. einmal mehr schwere Vorwürfe.
LONDON Das Familiendrama bei den Windsors geht weiter. „Ich will meinen Vater zurück“, sagte Prinz Harry in einem Trailer für ein Interview mit dem britischen Fernsehsender ITV, „ich will meinen Bruder zurück“. Das klingt zwar wie ein Hilferuf und nach dem Wunsch nach Versöhnung, doch in dem Trailer schickte der Royal auch voraus: „Sie haben absolut keine Bereitschaft zur Aussöhnung gezeigt.“Er denke, dass seine Familie ihn und seine Frau Meghan gezielt auf Abstand hält, weil „sie meinen, es ist besser, wenn wir die Bösen bleiben“.
Es wird deutlich: Harrys Zerwürfnis mit dem britischen Königshaus ist nicht zu kitten. Stattdessen geht sein Kampf gegen die „Firma“, wie die Institution genannt wird, jetzt in die nächste Runde, denn, so Harry: „Ich will eine Familie, keine Institution.“Der 38-Jährige sieht sich auf einer Mission. Zuerst war es im März 2021 ein Interview mit Oprah Winfrey, in dem das Herzogspaar von Sussex erklärte, warum man sich von den royalen Aufgaben in Großbritannien zurückgezogen habe und nach Kalifornien gezogen sei. Dann folgte im Dezember eine sechsteilige Fernseh-Dokumentation auf dem Streamingportal Netflix, in der die beiden in aller Ausführlichkeit ihre Seite der Geschichte erzählen konnten. Und in der nächsten Woche, am 10. Januar, will Prinz Harry seine Autobiografie vorstellen. „Reserve“heißt sie in der deutschen Übersetzung, „Spare“im Original. Der Titel spielt auf eine britische Redensart an: „The heir and the spare“, womit Thronfolger und Zweitgeborener gemeint sind, also Stammhalter und der „Ersatz“. Die sorgfältig geplanten Medienauftritte werden in Großbritannien als ein Kreuzzug gegen das Königshaus verstanden.
Die PR-Maschine für das Buch ist schon angelaufen: Am Sonntag werden zwei Fernsehinterviews die Veröffentlichung vorbereiten. Neben dem britischen Sender ITV hat die amerikanische Station CBS den Zuschlag bekommen. In deren Trailer spricht der abtrünnige Prinz davon, wie der Buckingham-Palast die Medien manipuliere. Das reiht sich ein in frühere Anschuldigungen bei Winfrey oder Netflix: Meghan sei kurz nach ihrer Heirat mit Harry einer feindlichen Presse ausgesetzt gewesen, aber der Palast habe sie nicht schützen wollen, ihre psychischen Probleme ignoriert und sogar aktiv gegen sie gearbeitet. Am schlimmsten wog wohl ein Rassismusvorwurf: Ein ungenannt bleibendes Mitglied des Königshauses habe sinniert, welche Hautfarbe wohl ein Kind von Harry und Meghan, die ja mütterlicherseits afroamerikanischer Abstammung ist, haben würde.
Jetzt fragen sich die Briten, mit welch schwerem Geschütz Harry in seiner Autobiografie aufwarten wird. Die „Sunday Times“kündigt an: Es geht vor allem gegen den Bruder und Thronfolger, Prinz William. Die Sonntagszeitung hat mit einem namentlich ungenannt bleibenden Insider gesprochen, der das Buch kennt. „Es ist besonders
Prinz Harry im Interview mit dem TV-Sender ITV hart mit William“, wird die Quelle zitiert, „und selbst seine Frau Kate bekommt eine Breitseite ab. Da gibt es diese minutiösen Details und die Beschreibung eines Kampfes zwischen den Brüdern. Ich persönlich kann nicht sehen, wie Harry und William sich danach wieder aussöhnen könnten.“
Schon in der Netflix-Doku hatte Harry davon erzählt, wie ihn William angeschrien habe. Und er sah den Grund, warum Meghan und er angefeindet wurden, in einer Störung der Machtbalance innerhalb der Königsfamilie, als die Sussexes in der Öffentlichkeit beliebter wurden als das Herzogspaar von Cambridge, Prinz William und seine Frau Kate. „Wenn jemand, der nur eine Nebenrolle spielt“, sagte Harry, „auf einmal den Job besser macht als jemand, der dazu geboren ist, verärgert das Leute und verschiebt die Macht.“
Daher sei in der Palastmaschinerie etwas in Gang gekommen: ein aktives Briefing gegen Meghan, ein Intrigieren und ein Durchstechen von negativen Informationen an die Medien. „Es ist ein schmutziges Spiel“, sagte Harry. „Es gibt undichte Stellen und fingierte Geschichten.“Besonders schmerzte ihn, dass das Pressebüro von William solche Sachen
gemacht habe, „die wir uns gegenseitig versprochen haben niemals zu tun – das war herzzerbrechend.“Der Bruderzwist wirkt also tief.
Im Königreich tut sich Harry keinen Gefallen mit den Angriffen gegen seine Familie. Schon nach der Netflix-Doku hagelte es Kritik in den Medien an der als heuchlerisch empfundenen Selbstdarstellung der Sussexes. „Aufwieglerisch“, also nah am Landesverrat, fand die „Times“das Verhalten der beiden, und die „Sun“titelte: „Harrys Krieg gegen William“.
Der konservative Abgeordnete Bob Seely brachte sogar einen Gesetzesantrag im Unterhaus ein, um den „Nestbeschmutzern“die royalen Titel zu entziehen. Wie eine jüngste Umfrage demonstriert, spiegelt das durchaus die Stimmung in der Öffentlichkeit: 44 Prozent der Befragten sprachen sich dafür aus, dass Harry seinen Herzogstitel aufgeben sollte, während nur 32 Prozent dagegen sind.
„Ich will eine Familie, keine Institution“