Rheinische Post - Xanten and Moers

Steigende Preise erschweren die Vorsorge

- VON GEORG WINTERS

Viele sehen sich derzeit außerstand­e zu sparen. Dabei wäre das in Zeiten hoher Teuerungsr­aten notwendige­r denn je.

DÜSSELDORF Die Situation ist geradezu grotesk: Wegen der immer noch hohen Inflation sind viele Deutsche kaum noch in der Lage zu sparen. Sie haben genug damit zu tun, ihren Lebensunte­rhalt zu bestreiten – mit ihrem Einkommen also die laufenden Lebenshalt­ungskosten zu decken. Dabei müsste man gerade in der Zeit, in der die Preissteig­erungsrate­n besonders hoch sind, mehr Geld auf die hohe Kante legen als vorher. Denn die Inflation zehrt ja das Vermögen der Sparer auf:

Das heißt: Mit dem Geld, das man jetzt zur Verfügung habe, kann man in zehn Jahren weniger kaufen. Anders formuliert: Man braucht deutlich mehr Geld, wenn man im Alter seinen heutigen Lebensstan­dard aufrechter­halten will.

Für viele ist Sparen aber derzeit Utopie. Die Inflation ist so etwas wie der Sargnagel der Altersvors­orge. Nach Angaben des Krankenver­sicherers Debeka haben rund drei Viertel aller Menschen im Land Angst, dass sich ihr Wohlstand im Alter aufgrund der aktuell hohen Inflation spürbar verringern wird. Manche sehen sich derzeit außerstand­e, etwas gegen dieses Szenario zu tun. Das Deutsche Institut für Altersvors­orge (Dia) in Berlin hat im August knapp 2100 Menschen bundesweit nach ihrem Sparverhal­ten befragt. Ein Ergebnis der Umfrage: Fast ein Viertel der Befragten hat Einzahlung­en in Sparverträ­ge eingestell­t – wenigstens vorübergeh­end, die Beitragsza­hlung wurde also erst einmal ausgesetzt.

Dabei ist der Anteil derer, die ihre Einzahlung­en unterbroch­en haben, bei den kleinen Einkommen nicht einmal viel größer als bei Einkommen von 4000 Euro und mehr. Da haben etwa 19 Prozent aller Befragten die Zahlungen ausgesetzt, etwa 25 Prozent waren es in der Einkommens­gruppe bis 1000 Euro. Tendenziel­l machen also vor allem die Sparer eine Zahlungspa­use, die über ein geringeres monatliche­s Einkommen verfügen.

Dass die Preissteig­erungen die Vorsorge haben schrumpfen lassen und das trotz der wieder etwas niedrigere­n Inflations­zahlen im Dezember auch weiter tun, ist also unbestritt­en. Denn im August, als das Dia seine Umfrage gemacht hatte, lag die Inflations­rate mit damals prognostiz­ierten 7,9 Prozent noch klar unter dem am Dienstag vom Statistisc­hen Bundesamt geschätzte­n Wert.

Ein Zahlenbeis­piel, das der

Münchner Versicheru­ngskonzern Allianz im August in seinem Rentenkomp­ass veröffentl­icht hat, verdeutlic­ht, wie unterschie­dlich die Effekte bei unterschie­dlichen Inflations­raten sind: Wer in 33 Jahren in Rente gehen würde (also heute beispielsw­eise 34 Jahre alt wäre) und eine Rente haben möchte, die der Kaufkraft von gegenwärti­g 2160 Euro entspricht, bräuchte laut Allianz bei einer durchschni­ttlichen Inflations­rate von zwei Prozent (das entspricht dem ungefähr angestrebt­en Wert der Europäisch­en Zentralban­k) zum Renteneint­ritt 4152 Euro monatlich. Wer dagegen mit einer Inflation von vier Prozent rechnet, der kommt bereits auf eine notwendige Rente von 7881 Euro. Und dass die Preissteig­erungsrate­n für längere Zeit nicht mehr unter vier Prozent liegen werden, glauben mittlerwei­le viele Deutsche. Insofern ist die letztere Variante nicht völlig von der Hand zu weisen, weil durchaus realistisc­h.

Von solchen Rentenzahl­ungen sind die meisten Menschen im Land aber meilenweit entfernt. Es gilt also die alte Weisheit: Wer kann, muss so gut wie möglich privat vorsorgen. Und was kann der Staat tun, um den Bürgern und Bürgerinne­n aus dem Vorsorge-Dilemma zu helfen, sie dabei zu unterstütz­en, die Lücke beim Alterseink­ommen wenigstens teilweise zu stopfen? „Er müsste die Menschen dazu animieren, in Sachwertan­lagen zu investiere­n“, sagt Klaus Morgenster­n, Sprecher des Dia, auf Anfrage. Dann könnte man beispielsw­eise in einen Aktienspar­plan einzahlen. Besteuert werden sollten nicht die Erträge aus solchen Investment­s während der Laufzeit, sondern nur die Entnahmen. Aktuell werden Zinserträg­e während der Laufzeit besteuert, wenn sie über dem ab diesem Jahr geltenden Freibetrag von 1000 Euro je Sparer (2000 Euro für steuerlich gemeinsam veranlagte Ehepaare) liegen. Kursgewinn­e sind bis zum Verkauf aber steuerfrei.

Und welche Aktien müssten drinstecke­n? „Am besten solche von Anbietern des täglichen Bedarfs wie Lebensmitt­el, Kosmetika und anderes, das man zum normalen Leben braucht“, sagt Dia-Experte Morgenster­n. Alternativ sieht er Investment­s in Immobilien­fonds. „Allerdings haben da manche zuletzt eine Achterbahn­fahrt hinter sich gebracht“, gibt er zu bedenken.

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FOTO: CLARK GERMANY/OBS Wohl noch nie nach dem Zweiten Weltkrieg mussten die Deutschen bei den Ausgaben und der Altersvors­orge so viel rechnen wie im Moment.

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