Rheinische Post - Xanten and Moers
Steigende Preise erschweren die Vorsorge
Viele sehen sich derzeit außerstande zu sparen. Dabei wäre das in Zeiten hoher Teuerungsraten notwendiger denn je.
DÜSSELDORF Die Situation ist geradezu grotesk: Wegen der immer noch hohen Inflation sind viele Deutsche kaum noch in der Lage zu sparen. Sie haben genug damit zu tun, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten – mit ihrem Einkommen also die laufenden Lebenshaltungskosten zu decken. Dabei müsste man gerade in der Zeit, in der die Preissteigerungsraten besonders hoch sind, mehr Geld auf die hohe Kante legen als vorher. Denn die Inflation zehrt ja das Vermögen der Sparer auf:
Das heißt: Mit dem Geld, das man jetzt zur Verfügung habe, kann man in zehn Jahren weniger kaufen. Anders formuliert: Man braucht deutlich mehr Geld, wenn man im Alter seinen heutigen Lebensstandard aufrechterhalten will.
Für viele ist Sparen aber derzeit Utopie. Die Inflation ist so etwas wie der Sargnagel der Altersvorsorge. Nach Angaben des Krankenversicherers Debeka haben rund drei Viertel aller Menschen im Land Angst, dass sich ihr Wohlstand im Alter aufgrund der aktuell hohen Inflation spürbar verringern wird. Manche sehen sich derzeit außerstande, etwas gegen dieses Szenario zu tun. Das Deutsche Institut für Altersvorsorge (Dia) in Berlin hat im August knapp 2100 Menschen bundesweit nach ihrem Sparverhalten befragt. Ein Ergebnis der Umfrage: Fast ein Viertel der Befragten hat Einzahlungen in Sparverträge eingestellt – wenigstens vorübergehend, die Beitragszahlung wurde also erst einmal ausgesetzt.
Dabei ist der Anteil derer, die ihre Einzahlungen unterbrochen haben, bei den kleinen Einkommen nicht einmal viel größer als bei Einkommen von 4000 Euro und mehr. Da haben etwa 19 Prozent aller Befragten die Zahlungen ausgesetzt, etwa 25 Prozent waren es in der Einkommensgruppe bis 1000 Euro. Tendenziell machen also vor allem die Sparer eine Zahlungspause, die über ein geringeres monatliches Einkommen verfügen.
Dass die Preissteigerungen die Vorsorge haben schrumpfen lassen und das trotz der wieder etwas niedrigeren Inflationszahlen im Dezember auch weiter tun, ist also unbestritten. Denn im August, als das Dia seine Umfrage gemacht hatte, lag die Inflationsrate mit damals prognostizierten 7,9 Prozent noch klar unter dem am Dienstag vom Statistischen Bundesamt geschätzten Wert.
Ein Zahlenbeispiel, das der
Münchner Versicherungskonzern Allianz im August in seinem Rentenkompass veröffentlicht hat, verdeutlicht, wie unterschiedlich die Effekte bei unterschiedlichen Inflationsraten sind: Wer in 33 Jahren in Rente gehen würde (also heute beispielsweise 34 Jahre alt wäre) und eine Rente haben möchte, die der Kaufkraft von gegenwärtig 2160 Euro entspricht, bräuchte laut Allianz bei einer durchschnittlichen Inflationsrate von zwei Prozent (das entspricht dem ungefähr angestrebten Wert der Europäischen Zentralbank) zum Renteneintritt 4152 Euro monatlich. Wer dagegen mit einer Inflation von vier Prozent rechnet, der kommt bereits auf eine notwendige Rente von 7881 Euro. Und dass die Preissteigerungsraten für längere Zeit nicht mehr unter vier Prozent liegen werden, glauben mittlerweile viele Deutsche. Insofern ist die letztere Variante nicht völlig von der Hand zu weisen, weil durchaus realistisch.
Von solchen Rentenzahlungen sind die meisten Menschen im Land aber meilenweit entfernt. Es gilt also die alte Weisheit: Wer kann, muss so gut wie möglich privat vorsorgen. Und was kann der Staat tun, um den Bürgern und Bürgerinnen aus dem Vorsorge-Dilemma zu helfen, sie dabei zu unterstützen, die Lücke beim Alterseinkommen wenigstens teilweise zu stopfen? „Er müsste die Menschen dazu animieren, in Sachwertanlagen zu investieren“, sagt Klaus Morgenstern, Sprecher des Dia, auf Anfrage. Dann könnte man beispielsweise in einen Aktiensparplan einzahlen. Besteuert werden sollten nicht die Erträge aus solchen Investments während der Laufzeit, sondern nur die Entnahmen. Aktuell werden Zinserträge während der Laufzeit besteuert, wenn sie über dem ab diesem Jahr geltenden Freibetrag von 1000 Euro je Sparer (2000 Euro für steuerlich gemeinsam veranlagte Ehepaare) liegen. Kursgewinne sind bis zum Verkauf aber steuerfrei.
Und welche Aktien müssten drinstecken? „Am besten solche von Anbietern des täglichen Bedarfs wie Lebensmittel, Kosmetika und anderes, das man zum normalen Leben braucht“, sagt Dia-Experte Morgenstern. Alternativ sieht er Investments in Immobilienfonds. „Allerdings haben da manche zuletzt eine Achterbahnfahrt hinter sich gebracht“, gibt er zu bedenken.