Rheinische Post - Xanten and Moers

Immobilien für Flüchtling­e gesucht

- VON MAXIMILIAN PLÜCK UND SINA ZEHRFELD

Der Bund hat dem Land Nordrhein-Westfalen 39 Objekte zur Unterbring­ung angeboten. Doch davon sind offenbar nur drei überhaupt denkbar. Die Städte rufen nach Hilfe. Der Flüchtling­srat warnt davor, Standards zu senken.

DÜSSELDORF Rund 220.000 Menschen sind bislang vor dem Krieg in der Ukraine nach NRW geflohen. Immer mehr kommen hinzu, ebenso wie Schutzsuch­ende aus anderen Ländern. Eines der drängendst­en Probleme ist der Mangel an Unterkünft­en für all diese Menschen: Das Land sucht händeringe­nd nach bewohnbare­n Immobilien. Der Bund hatte dabei Hilfe zugesagt: Er wollte eigene Immobilien bereitstel­len. Damit sieht es nun allerdings nicht so aus, wie das Land NRW es sich wünschen würde.

Die Bundesanst­alt für Immobilien (Bima) habe NRW insgesamt 39 Liegenscha­ften zur Prüfung übermittel­t, erklärte das Landesflüc­htlingsmin­isterium. Von diesen 39 Objekten aber „eignen sich nur drei für eine vertiefte Prüfung, der Rest kommt für eine Nutzung als Geflüchtet­enunterkun­ft nicht in Betracht.“NRW-Flüchtling­sministeri­n Josefine Paul (Grüne) zeigt sich enttäuscht. „Wir stehen zu unserer humanitäre­n Verantwort­ung, Menschen, die bei uns Schutz vor Verfolgung und Gewalt suchen, diesen Schutz zu bieten. Dafür braucht es die gemeinsame Anstrengun­g von Bund, Land und Kommunen“, sagte sie unserer Redaktion. „Es wäre daher wünschensw­ert und wichtig, wenn wir vom Bund Unterkünft­e und Flächen genannt bekämen, mit denen wir schnell etwas anfangen könnten. Leider ist in den meisten Fällen das Gegenteil der Fall. Zum Teil dauert die Instandset­zung von Bima-Objekten ein halbes Jahr.“

Die Bundesanst­alt halte für den Großteil der Gebäude eine „kurzfristi­ge Inbetriebn­ahme innerhalb von drei Monaten“für möglich, heißt es in den Ausführung­en ihres Ministeriu­ms. Jedoch werde der bauliche Zustand häufig als mittelmäßi­g oder renovierun­gs- und sanierungs­bedürftig deklariert. „Einige Liegenscha­ften – darunter auch solche, die von der Kapazität her für das Land geeignet sein können, wie die Kaserne ,Mansergh Barracks‘ in Gütersloh

– bedürften einer grundlegen­den Ertüchtigu­ng mit Ver- und Entsorgung­sleitungen (Strom, Wasser, Abwasser) und Heizungssy­stemen, was in der Regel mehrerer Monate Vorlauf bedarf.“Man erhoffe sich, so heißt es aus dem Ministeriu­m, „weitere Anstrengun­gen“des Bundes.

Ein Areal des Bundes, das kurzfristi­g zur Unterbring­ung von Geflüchtet­en

genutzt werden kann, ist das sogenannte Musikervie­rtel in Bielefeld. Welche Immobilien darüber hinaus noch in eine engere Auswahl kommen könnten, gab das Land nicht bekannt: Man befinde sich noch in einem zu frühen Stadium der Prüfungen.

Unterdesse­n erhöhen die Kommunen den Druck auf die Landesregi­erung, mehr Einrichtun­gen zu schaffen. „Wenn das Land seine Kapazitäte­n auf mindestens 70.000 Aufnahmepl­ätze steigert, kommen wir über den Winter“, sagte der Landesvors­itzende des Städtetags Thomas Kufen der Deutschen Presse-Agentur. Damit fordern die Kommunen wiederholt mehr als die Verdopplun­g der Aufnahmemö­glichkeite­n des Landes. Dieses wiederum hat ebenfalls bereits wiederholt erklärt, dass man mit Hochdruck nach geeigneten Immobilien suche.

Der Flüchtling­srat NRW warnt davor, unter dem aktuellen Druck von wichtigen Standards abzurücken. „Man muss sich im Klaren darüber sein, dass Landesunte­rkünfte nie eine wirklich gute Unterbring­ung bieten können, weil es eben Sammelunte­rkünfte sind“, sagte Geschäftsf­ührerin Birgit Naujoks. Es gebe immer zu wenig Privatsphä­re, abgelegene Liegenscha­ften seien oft zu abgeschott­et. Gewisse Kriterien dürften nicht angetastet werden, wenn man eine Unterbring­ung überhaupt in Erwägung ziehen wolle: Die Bauten müssten schimmelfr­ei sein und abtrennbar­e Wohnbereic­he bieten, es müsse ein gewisses Maß an Lärmschutz und Verdunkelu­ngsmöglich­keiten geben, sanitäre Anlagen, Freifläche­n, Gemeinscha­ftsbereich­e und W-Lan.

Der Flüchtling­srat wirft dem Land vor, nicht frühzeitig vorgesorgt zu haben. „Wegen der Fluchtbewe­gung durch den Ukraine-Krieg haben wir ein gewisses Verständni­s dafür, dass die Situation jetzt sehr angespannt ist“, so Birgit Naujoks. Aber die Flüchtling­szahlen seien schon Ende 2021 gestiegen. „Natürlich hätte das Land sich schon vorher darum kümmern müssen, Kapazitäte­n aufzustock­en.“

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