Rheinische Post - Xanten and Moers
Immobilien für Flüchtlinge gesucht
Der Bund hat dem Land Nordrhein-Westfalen 39 Objekte zur Unterbringung angeboten. Doch davon sind offenbar nur drei überhaupt denkbar. Die Städte rufen nach Hilfe. Der Flüchtlingsrat warnt davor, Standards zu senken.
DÜSSELDORF Rund 220.000 Menschen sind bislang vor dem Krieg in der Ukraine nach NRW geflohen. Immer mehr kommen hinzu, ebenso wie Schutzsuchende aus anderen Ländern. Eines der drängendsten Probleme ist der Mangel an Unterkünften für all diese Menschen: Das Land sucht händeringend nach bewohnbaren Immobilien. Der Bund hatte dabei Hilfe zugesagt: Er wollte eigene Immobilien bereitstellen. Damit sieht es nun allerdings nicht so aus, wie das Land NRW es sich wünschen würde.
Die Bundesanstalt für Immobilien (Bima) habe NRW insgesamt 39 Liegenschaften zur Prüfung übermittelt, erklärte das Landesflüchtlingsministerium. Von diesen 39 Objekten aber „eignen sich nur drei für eine vertiefte Prüfung, der Rest kommt für eine Nutzung als Geflüchtetenunterkunft nicht in Betracht.“NRW-Flüchtlingsministerin Josefine Paul (Grüne) zeigt sich enttäuscht. „Wir stehen zu unserer humanitären Verantwortung, Menschen, die bei uns Schutz vor Verfolgung und Gewalt suchen, diesen Schutz zu bieten. Dafür braucht es die gemeinsame Anstrengung von Bund, Land und Kommunen“, sagte sie unserer Redaktion. „Es wäre daher wünschenswert und wichtig, wenn wir vom Bund Unterkünfte und Flächen genannt bekämen, mit denen wir schnell etwas anfangen könnten. Leider ist in den meisten Fällen das Gegenteil der Fall. Zum Teil dauert die Instandsetzung von Bima-Objekten ein halbes Jahr.“
Die Bundesanstalt halte für den Großteil der Gebäude eine „kurzfristige Inbetriebnahme innerhalb von drei Monaten“für möglich, heißt es in den Ausführungen ihres Ministeriums. Jedoch werde der bauliche Zustand häufig als mittelmäßig oder renovierungs- und sanierungsbedürftig deklariert. „Einige Liegenschaften – darunter auch solche, die von der Kapazität her für das Land geeignet sein können, wie die Kaserne ,Mansergh Barracks‘ in Gütersloh
– bedürften einer grundlegenden Ertüchtigung mit Ver- und Entsorgungsleitungen (Strom, Wasser, Abwasser) und Heizungssystemen, was in der Regel mehrerer Monate Vorlauf bedarf.“Man erhoffe sich, so heißt es aus dem Ministerium, „weitere Anstrengungen“des Bundes.
Ein Areal des Bundes, das kurzfristig zur Unterbringung von Geflüchteten
genutzt werden kann, ist das sogenannte Musikerviertel in Bielefeld. Welche Immobilien darüber hinaus noch in eine engere Auswahl kommen könnten, gab das Land nicht bekannt: Man befinde sich noch in einem zu frühen Stadium der Prüfungen.
Unterdessen erhöhen die Kommunen den Druck auf die Landesregierung, mehr Einrichtungen zu schaffen. „Wenn das Land seine Kapazitäten auf mindestens 70.000 Aufnahmeplätze steigert, kommen wir über den Winter“, sagte der Landesvorsitzende des Städtetags Thomas Kufen der Deutschen Presse-Agentur. Damit fordern die Kommunen wiederholt mehr als die Verdopplung der Aufnahmemöglichkeiten des Landes. Dieses wiederum hat ebenfalls bereits wiederholt erklärt, dass man mit Hochdruck nach geeigneten Immobilien suche.
Der Flüchtlingsrat NRW warnt davor, unter dem aktuellen Druck von wichtigen Standards abzurücken. „Man muss sich im Klaren darüber sein, dass Landesunterkünfte nie eine wirklich gute Unterbringung bieten können, weil es eben Sammelunterkünfte sind“, sagte Geschäftsführerin Birgit Naujoks. Es gebe immer zu wenig Privatsphäre, abgelegene Liegenschaften seien oft zu abgeschottet. Gewisse Kriterien dürften nicht angetastet werden, wenn man eine Unterbringung überhaupt in Erwägung ziehen wolle: Die Bauten müssten schimmelfrei sein und abtrennbare Wohnbereiche bieten, es müsse ein gewisses Maß an Lärmschutz und Verdunkelungsmöglichkeiten geben, sanitäre Anlagen, Freiflächen, Gemeinschaftsbereiche und W-Lan.
Der Flüchtlingsrat wirft dem Land vor, nicht frühzeitig vorgesorgt zu haben. „Wegen der Fluchtbewegung durch den Ukraine-Krieg haben wir ein gewisses Verständnis dafür, dass die Situation jetzt sehr angespannt ist“, so Birgit Naujoks. Aber die Flüchtlingszahlen seien schon Ende 2021 gestiegen. „Natürlich hätte das Land sich schon vorher darum kümmern müssen, Kapazitäten aufzustocken.“