Rheinische Post - Xanten and Moers
Böller-Attacken auf Beamte entfachen Integrationsdebatte
Einsatzkräfte berichten nach den Ausschreitungen von vielen Tätern mit Migrationshintergrund. Die Linken warnen vor Pauschalurteilen.
BERLIN Die Krawalle in der Silvesternacht sorgen weiter für Aufsehen. Während die gewaltsamen Übergriffe auf Einsatzkräfte grundsätzlich verurteilt werden, gehen die Meinungen über Ursachen und Konsequenzen auseinander. Viele Einsatzkräfte äußerten den Eindruck, dass es sich bei den Randalierern vor allem um junge Männer mit Migrationshintergrund gehandelt habe. Das hat eine Debatte über Migration und Rassismus ausgelöst.
Nach der Auswertung der Einsätze hat die Berliner Polizei nun erstmals Details zu den Tätern bekannt gegeben. Demnach wurden in Berlin 145 Tatverdächtige vorübergehend festgenommen. Dabei handelt es sich allerdings um die Zahl derjenigen, die insgesamt in der Silvesternacht festgenommen wurden. Die Zahl umfasst dementsprechend auch Delikte, die nicht unmittelbar im Zusammenhang mit den Angriffen auf Einsatzkräfte stehen. Insgesamt wurden 355 Straf- und Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen die Tatverdächtigen eingeleitet.
Neben Angriffen auf Vollstreckungsbeamte werden ihnen unter anderem gefährliche Körperverletzung, Verstoß gegen das Sprengstoffgesetz und das Waffengesetz vorgeworfen. Die Tatverdächtigen hatten mindestens 18 verschiedene Staatsangehörigkeiten. Bei 13 Personen war die Staatsangehörigkeit noch unklar. Neben 45 Deutschen waren unter den Festgenommenen unter anderem 27 Afghanen, 21 Syrer und neun Menschen aus dem Irak. Zahlen aus anderen Städten liegen bislang noch nicht vor. Alle Verdächtigen seien nach Abschluss der polizeilichen Maßnahmen wieder auf freien Fuß gekommen.
Eine Tatsache, die den Präsidenten des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Uwe Brandl (CSU), „beschämt“, wie er am Mittwoch in Berlin sagte. Er sieht keinen Bedarf
für härtere Gesetze. Aber: „Der Rechtsstaat muss die Mittel, die ihm zur Verfügung stehen, auch konsequent anwenden“, so Brandl. Anderenfalls würden der Frieden und die Sicherheit in Deutschland auf Dauer gefährdet. Er forderte eine Analyse der Ausschreitungen und eine offene Diskussion über den Umgang mit Migranten, die gegen die Rechtsordnung verstoßen. Gleichzeitig müssten Länder und Kommunen mehr für die Prävention tun, zum Beispiel durch verstärkte Sozialarbeit. „Wegschauen wird uns nicht weiterbringen“, kritisierte der Präsidenten des Städte- und Gemeindebundes.
Für Jens Spahn (CDU) ist der
Grund für die Ausschreitungen klar: Der Unionsfraktionsvize macht eine gescheiterte Integrationspolitik mitverantwortlich für die Eskalation. Die stellvertretende Parteivorsitzende der Linken, Katina Schubert, kritisiert die Erklärung: „Von einer gescheiterten Integration zu sprechen, weil im Vergleich zur Gesamtbevölkerung einzelne völlig inakzeptabel handeln, ist nur Wasser auf die Mühlen der Rechtsextremen“, sagte sie unserer Redaktion.
Schubert zufolge muss sich die Mehrheitsgesellschaft fragen, warum vor allem junge Männer so respektlos agieren und wie gegenseitiger Respekt zu einem Grundpfeiler des gesellschaftlichen Zusammenlebens werden könne. Straftäter müssten verurteilt werden, aber: „Pauschalverurteilungen und Pauschalverdächtigungen sind fehl am Platz“, so Schubert.
Sie fordert zum Beispiel Kampagnen über die Verdienste von Sanitätsund Feuerwehrkräften sowie ein Verkaufsverbot für Böller. „Wer den dramatischen Folgen des Böller-Wahnsinns künftig wirklich Einhalt gebieten will, erreicht das nicht mit rassistischen Pauschalurteilen, sondern muss sich ernsthaft mit einem bundesweiten Verkaufsverbot für Böller auseinandersetzen“, sagte die Linken-Politikerin.