Rheinische Post - Xanten and Moers

Luka Doncic lässt Dirk Nowitzki vergessen

- VON TOBIAS JOCHHEIM

Der erst 23-jährige Nachfolger des Deutschen bei den Dallas Mavericks schreibt fast wöchentlic­h Basketball-Geschichte. Mit einem Lachen im Gesicht begeistert der Slowene Fans und Kollegen und bringt die Gegner zur Verzweiflu­ng.

DÜSSELDORF/DALLAS Man muss es sich auf der Zunge zergehen lassen: Vor wenigen Tagen gelang den Dallas Mavericks ein Kunststück, an dem NBA-Teams in den 20 Jahren zuvor nicht weniger als 13.884 Mal in Folge gescheiter­t waren – doch nach Ende des fraglichen Spiels sprach fast niemand davon. Und schon gar nicht von der Statue von Dirk Nowitzki, die jüngst vor der Arena enthüllt worden war.

Denn eines war noch spektakulä­rer gewesen als jene Aufholjagd eines Rückstands von neun Punkten in den letzten 33 Sekunden (!) der Partie, grob vergleichb­ar mit einer Differenz von zwei, vielleicht eher drei Toren in derselben Zeit vor dem Schlusspfi­ff im Fußball. Und dieses noch größere Gesprächst­hema war die persönlich­e Leistung eines jungen Mannes, der unter all den muskelbepa­ckten Musterathl­eten immer irgendwie klein und dicklich und langsam wirkt. „Ich weiß es nicht“, sagte Luka Doncic auf die Frage, wie ihm sein jüngstes Meisterstü­ck gelungen sei. Und: „Ich bin höllisch müde. Ich brauche ein Erholungs-Bier.“

Sagenhafte 60 Punkte hatte er erzielt, und dazu 21 Rebounds (also Ballgewinn­e nach Fehlwürfen) sowie 10 Korbvorlag­en. Eine solche Kombinatio­n aus enorm hoher PunkteAusb­eute und glänzendem AllroundSp­iel

war in der NBA-Historie noch nie jemandem gelungen. Nicht Nowitzki, dessen Statistike­n aus 21 Jahren in Dallas eigentlich noch für Jahrzehnte als Goldstanda­rd gelten sollten. Nicht LeBron „King“James. Nicht dem über jede Schmerzgre­nze hinaus wurffreudi­gen Kobe Bryant, der einmal 81 Punkte erzielte. Nicht Wilt Chamberlai­n, dem in grauer Vorzeit 1962 einmal unglaublic­he 100 Punkte gelungen waren. Und nicht dem großen Michael

Luka Doncic Basketball­spieler Dallas Mavericks

Jordan.

Eine der Pointen des Abends war, dass Doncic die Großtat nicht gelungen wäre, wenn seine Überzeugun­g zum Spielstand bei Ablauf der regulären Spielzeit gestimmt hätte. Seinen Freiwurf in letzter Sekunde nämlich hatte Doncic absichtlic­h vergeben; er spekuliert­e auf die Chance auf einen normalen Korbwurf aus dem Spiel heraus, der zwei statt nur einen Punkt wert ist.

Irgendwie gelang es ihm tatsächlic­h, den zurückspri­ngenden Ball zu fangen und in einer fließenden Bewegung final in Richtung Korb zu befördern, während er selbst rückwärts zu Boden fiel. Doncic sprang auf und führte im Rausch der Emotionen ein Jubeltänzc­hen auf. Bis er realisiert­e, dass das Spiel gegen die New York Knicks zwar nicht verloren, aber auch noch lange nicht gewonnen war. „Ich dachte zuerst, wir hätten gesiegt“, erklärte er später. „Dann sah ich, dass der Spielstand ausgeglich­en war – und dachte mir nur ‚Uff‘. Ich wusste nicht recht, was ich tun sollte.“

Also machte er in der Verlängeru­ng weiter, wo er aufgehört hatte. Mit unwiderste­hlichen Dribblings, kühl verwandelt­en

Freiwürfen, genialen

Pässen, cleveren

Abschlüsse­n.

Entspreche­nd überforder­t war sein Verteidige­r. „Ich schwöre, ich habe es wirklich versucht“, sagt Quentin Grimes nach Spielende. „Aber er ist ja in jeden Spielzug eingebunde­n. Am Ball ist er raffiniert, und abseits des Balls nicht weniger.“Fazit: „Ich ziehe meinen Hut.“

Im zarten Alter von nur 23 Jahren zählt Doncic bereits zu jenem kleinen Kreis von Spielern, die jeder Sport-Fan in den USA und jeder Basketball-Fan auf dem Planeten nur beim Vornamen nennt. Und innerhalb dieser Elite zeichnet er sich dadurch aus, was er verkörpert. Nicht Besessenhe­it wie Michael Jordan oder pure Konzentrat­ion wie Dirk Nowitzki. Je größer die Bühne und je höher die Hürden, desto mehr läuft Doncic zu Hochform auf – und desto lauter lacht er. Nicht aus Respektlos­igkeit vor dem Gegner, sondern aus purer Freude, wie ein Kind.

Das eine oder andere „ErholungsB­ier“hat er sich allemal verdient. Die slowenisch­e Brauerei Laško nahm die Steilvorla­ge gern auf – und kündigte an, eigens eine entspreche­nde Sorte zu produziere­n. Als Frührentne­r auf einem Bauernhof in seiner Heimat sieht sich Doncic übrigens deutlich vor Ablauf von 21 Saisons in Dallas à la Nowitzki. In der Gegenwart aber identifizi­ert er sich voll mit seiner Mannschaft. Zum Spiel an Weihnachte­n erschien Doncic stilecht in einem CowboyOutf­it inklusive maßgeschne­iderter Stiefel. Und als Haustier halte er neuerdings eine texanische Krötenechs­e, schwor er.

Weshalb das?, fragte ein Reporter. Antwort: „Weil ich Texaner bin.“

„Ich bin höllisch müde. Ich brauche ein Erholungs-Bier.“

„Ich dachte zuerst, wir hätten gesiegt. Dann sah ich, dass der Spielstand ausgeglich­en war“

Luka Doncic nach dem Rekordspie­l

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