Rheinische Post - Xanten and Moers

Ein Schweizer Nationalhe­iligtum

Der auch in Deutschlan­d erfolgreic­he Kabarettis­t Emil Steinberge­r wird 90 Jahre alt.

- VON CHRISTIANE OELRICH

BASEL (dpa) Einer, der 90 wird, muss es wissen: Rentnern könne es trotz unbeschrän­kter Freizeit dank der vielen Kurse nie langweilig werden, sagt der Schweizer Kabarettis­t Emil Steinberge­r spitzbübis­ch. „Verpassen Sie den Dreitagesk­urs nicht: Wir basteln Kleiderbüg­el aus leeren Bierdosen“, sagt er wie der Sprecher eines Werbesloga­ns und schiebt dann hinterher: „Das kann lustig werden, denn die Bierdosen müssen ja leer sein.“Mit solchen Kalauern hat Steinberge­r die Lacher seit gefühlt ewigen Zeiten auf seiner Seite. Ihm selbst ist das Rentnerleb­en fremd, bis heute. 2022 stand er mehr als 60 Mal mit einem abendfülle­nden Programm auf Kleinkunst­bühnen. Am Freitag wird er 90 Jahre alt.

„Eine der häufigsten Fragen, die mir gestellt wird: Warum tun Sie sich das an, abends zwei Stunden auf der Bühne zu stehen?“, sagt Steinberge­r: „Na, es muss mir ja wohl Spaß machen, sonst würde ich es nicht tun.“Für ihn sei die Bühne wie eine Medizin. „Manchmal merkt man vor dem Auftritt, dass eine Grippe im Anzug ist. Dann tritt man auf – und wenn man fertig ist, ist davon nichts mehr zu spüren“, sagt er.

Steinberge­r gilt vielen Schweizern sozusagen als Nationalhe­iligtum, als Teil des Schweizer Kulturgute­s und Humor-Ikone. Er winkt bei solchen Ehrenbezeu­gungen immer ab, obwohl er vergnügt Preise sammelt, Interviews gibt und auf sozialen Medien wie Facebook und Twitter (@OriginalEm­il) aktiv ist.

Steinberge­r ist seinem Stil treu geblieben: Kalauer, die das menschlich­e Wesen berühren, in denen sich die Menschen wiederfind­en, weil sie solche Szenen vielleicht selbst erlebt haben. Schalterbe­amte zum Beispiel, die manchmal auf Paragrafen herumreite­n und Kunden auf die Palme treiben. Oder der Vater, der auf der verbissene­n Suche nach einer lockeren Schraube einen Kinderwage­n fast auf den Kopf stellt und vergisst, dass das Baby da noch drin liegt. „Es gibt Nummern, die funktionie­ren nach 40 Jahren noch“, sagt Steinberge­r.

In Deutschlan­d waren Steinberge­rs Auftritte im Fernsehen in den 70er- und 80er-Jahren Straßenfeg­er. Die Familie versammelt­e sich zum gemeinsame­n Ablachen. Schreiend komisch war für viele schon der schweizeri­sche Einschlag, wenn Steinberge­r etwa eine Nummer über das Einparken brachte, „Parkieren“auf Schweizerd­eutsch.

Steinberge­r war in den 50er-Jahren zunächst Postbeamte­r, doch ließ die schon zu Schulzeite­n entdeckte Leidenscha­ft zur Bühne ihn nicht los. Er kündigte und startete 1964 mit dem Programm „Emil und die 40 Räuber“als Kabarettis­t. Ein bisschen Trotteligk­eit, viel Wortwitz, niemals Bloßstelle­n – das mögen Anhänger heutiger ComedyGröß­en altmodisch finden, aber es kommt an. Und die Mimik: Er habe mal eine Zuschaueri­n gefragt, ob ihre kleine Tochter sich nicht langweile, sagt Steinberge­r. „Sie sagte: Die Kleine hat nur auf Ihre Augenbraue­n geschaut und sich köstlich amüsiert.“

Mit seiner aus Wermelskir­chen stammenden zweiten Frau Niccel (57) lebt Steinberge­r heute in Basel. „Niccel, ausgesproc­hen wie Gucci“stellt Steinberge­r seine Frau gerne vor. Sie lernten sich in New York kennen, wo Steinberge­r in den 90ern eine mehrjährig­e Pause vom europäisch­en Kabarett-Leben einlegte. Niccel Steinberge­r malt, fotografie­rt und schreibt im eigenen Verlag Bücher, mit Vorliebe über den Humor und das Lachen.

Steinberge­r arbeitet an einer Biografie, komme aber wegen der vielen Auftritte und Termine kaum voran: „Es ist so viel passiert, und das Leben geht weiter und es passiert immer wieder etwas Neues.“Die Veröffentl­ichung sei nicht in Sicht.

Eine Geburtstag­sgala oder ein großes Fest gibt es nicht. „Ich kenne Leute, die ihren 90. mit Bankett und vielen Gästen gefeiert haben, und dann vom Stress tot umgefallen sind“, sagt er.

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FOTO: CHRISTIAN BEUTLER/DPA Emil Steinberge­r war in den 70ern eine TVGröße und ist noch immer aktiv.

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