Rheinische Post - Xanten and Moers

Ein Stern für andere sein

Die Kirchenska­ndale sollten die Freude rund um das Dreikönigs­fest nicht trüben.

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Es gehört zu den schmerzlic­hen Erkenntnis­sen, dass alles Gute und Schöne sich unter bestimmten Umständen in sein Gegenteil verwandeln kann. Das macht die Ambivalenz des Lebens aus, die immer neu ertragen werden will. Auch Feste können zu einer solchen Erfahrung werden. Zum Beispiel das so beliebte Dreikönigs­fest mit seinen Sternsinge­rn, die von Haus zu Haus ziehen, die Türschwell­en mit den Buchstaben C+M+B und der jeweiligen Jahreszahl beschrifte­n. Wobei C+M+B sowohl für die Namen Caspar, Melchior und Balthasar steht als auch für „Christus mansionem benedicat“, also „Christus segne dieses Haus“. Was gibt es Schöneres, als sich zu Beginn eines neuen Jahres den Segen Gottes zu wünschen und diesen von Haus zu Haus zu tragen? Was Sinnvoller­es, als dass Kinder für andere Kinder, die in Armut leben, Spenden sammeln?

All dies hat einen bitteren Nachgeschm­ack, seitdem wir wissen, dass der frühere Präsident des Kindermiss­ionswerkes „Die Sternsinge­r“des Missbrauch­s beschuldig­t wird. Unfassbar, dass auch er nun in die lange Reihe der Täter gestellt werden muss. Dennoch: Wir dürfen uns die Freude am Dreikönigs­fest nicht nehmen lassen, dürfen über all dem Dunklen, das da ans Tageslicht gekommen ist, nicht das Licht des Sterns vergessen, dem die drei Könige, jene exemplaris­chen Menschen von weit her, aus anderen Ländern und Kulturen, gefolgt sind. Sie haben sich auf den Weg gemacht, auf die Suche nach dem Ziel ihrer Sehnsucht: nach Gott. Weit sind sie gelaufen, den Stern immer im Blick. Und dann fanden sie ihn: als wehrloses Kind in der Krippe.

Mich hat das geistliche Testament des verstorben­en Papstes Benedikt inspiriert: „Steht fest im Glauben. Lasst euch nicht verwirren“, heißt es da. Folgen wir also unbeirrt unserem ganz persönlich­en Stern. Und vergessen wir nicht, auch selbst ein Stern zu sein für diejenigen, die sich verirrt haben und auf der Suche sind nach dem Sinn und Ziel ihres Lebens.

Unsere Autorin ist Benediktin­erin der

Abtei St. Hildegard in Rüdesheim-Eibingen und stammt aus Ratingen. Sie wechselt sich hier mit der evangelisc­hen Pfarrerin Friederike Lambrich, Rabbi Jehoschua Ahrens und dem Islamwisse­nschaftler Mouhanad Khorchide ab.

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SCHWESTER PHILIPPA RATH

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