Rheinische Post - Xanten and Moers
Der Kongress strauchelt
Der Republikaner Kevin McCarthy hat schon jetzt fast alle Forderungen der rechten Parteirebellen erfüllt – und so die Kammer fast unregierbar gemacht.
WASHINGTON Am zweiten Jahrestag des gescheiterten Sturms auf den US-Kongress haben die Sympathisanten der Aufständischen vom 6. Januar in der Fraktion der Republikaner einen Erfolg verbucht. Die Trump-nahen Rechtsaußen konnten zwar nicht Joe Biden im Weißen Haus verhindern, stehen aber kurz davor, die Kontrolle im Repräsentantenhaus zu übernehmen. Als Hebel nutzten die 20 Rebellen des ultrarechten „Freedom Caucus“den Ehrgeiz Kevin McCarthy’s, zum Sprecher des 118. Kongresses gewählt zu werden.
Als erster Kandidat seit 100 Jahren war seine Wahl bei der Eröffnung des neuen Kongresses am Dienstag gescheitert. In insgesamt elf Runden verlor er jede weitere Abstimmung. Beim Zusammentreffen am Freitag gewann er zwar 14 Stimmen von Republikanern dazu, die zuvor gegen ihn votiert hatten. Für die nötige Mehrheit reichte das aber nach wie vor nicht. Dennoch gab sich McCarthy für die weiteren Wahlen optimistisch. „Es kommt nicht darauf an, wie sie beginnen, sondern wie sie aufhören,“sagte er.
Eine Aussage, die die Insider der US-amerikanischen Tageszeitung „Politico“zu der ketzerischen Beobachtung veranlasste, dass sich McCarthy in eine Situation hineinmanövriert habe, „in der es etwas Schlimmeres gibt, als das SpeakerAmt zu verlieren: es unter Bedingungen wie diesen zu gewinnen“. Bei den Verhandlungen hatte er zuletzt drei Zugeständnisse gemacht, die den Kongress nach Ansicht von Analysten unregierbar machen.
Erstens soll künftig ein einziger Abgeordneter in der Mehrheitsfraktion
ein Misstrauensvotum gegen den Sprecher erzwingen können. Zweitens erhält der „Freedom Caucus“Zugriff auf die Besetzung von zwei Positionen in dem mächtigen „House Rules Committee“, das bestimmt, welche Gesetzentwürfe in das Plenum eingebracht werden. Und drittens kann bei der Vergabe von Haushaltsmitteln jeder Abgeordnete künftig Änderungsanträge einbringen.
Der moderate Republikaner Don Bacon aus Nebraska erkennt darin ein Damoklesschwert über dem Sprecher. „Ich möchte bei schwierigen Abstimmungen weder von einer noch fünf Personen in Geiselhaft genommen werden.“Fünf war die bereits zuvor zugestandene Mindestzahl an Abgeordneten, die ein Misstrauensvotum erzwingen konnten.
Existenziell für die USA könnte dies in dem Moment werden, wenn der Kongress später im Jahr die Schulden-Obergrenze anheben muss. Eine gesetzgeberische
Routine, ohne die
Amerika der Staatsbankrott
droht. Die rechten Rebellen haben bereits angekündigt, es darauf ankommen zu lassen. Ob McCarthy mit seinen Zugeständnissen jetzt auch die fehlenden Stimmen noch gewinnen kann, war noch nicht klar, als diese Zeitung gedruckt wurde. Sollte er weiterhin scheitern, blieben seine Zugeständnisse an die Rebellen der Startpunkt von Verhandlungen mit jedem anderen Bewerber für das dritthöchste Amt im Staat.