Rheinische Post - Xanten and Moers
Hyper, hyper!
Der Kinofilm „FCK 2020“zeigt, wie die Band Scooter durch die Pandemie gekommen ist. Am Ende verliert der sonst besonnene Frontmann die Fassung.
DÜSSELDORF Es gibt so viel Faszinierendes in dieser Kino-Dokumentation, aber das erste, was auffällt, ist der gediegene Lebensstil, den Scooter-Frontmann H. P. Baxxter pflegt. Er residiert wie ein englischer Adliger: Vor seinem weißen Haus stehen ein Jaguar E-Type und ein RollsRoyce-Cabrio, und drinnen sieht es aus wie in einem Gentlemen‘s Club mit dunklen Möbeln und Tigerfell auf dem Boden. „Schlabbersachen“sind an diesem Ort nicht erlaubt: „Jeder zieht sich an, als würde er zum Ball gehen.“
Die Regisseurin Cordula KablitzPost, die zuletzt die Toten Hosen für den Film „Weil Du nur einmal lebst“auf Tournee porträtierte, hat den 58-Jährigen und seine Band Scooter zweieinhalb Jahre durch die Pandemie
begleitet. „FCK2020“heißt die Produktion, in der H. P. Baxxter über rund 100 der 113 Minuten Spielzeit hinweg wie ein Stoiker wirkt: ausgeglichen, in sich ruhend und wohltemperiert. Dann allerdings knallt es, die Pandemie hat an der Künstlerpersönlichkeit genagt, jetzt fällt sie auseinander. Emotionaler Ermüdungsbruch.
H. P. Baxxter ist das einzige verbliebene Gründungsmitglied der Band, die 1994 mit „Hyper, Hyper“berühmt wurde. Zunächst verachteten viele Menschen die Gruppe für ihren Billigtechno mit den bescheuerten Lyrics („I am the horseman / I’m mentally mad“). Im Laufe der Jahre jedoch erkannte man den genialen Dadaismus, der zwischen den prasselnden Beats hervorstrahlte. H. P. Baxxter las gar ein Hörbuch mit Texten seines Lieblingsautors
Thomas Bernhard ein. Scooter wurde daheim zum Kult, im Ausland zum Exportschlager.
Das Kerngeschäft von H. P. Baxxter und seiner Band, die zum Zeitpunkt der Dreharbeiten außerdem aus Sebastian Schilde und Michael Simon bestand, sind der Wechsel von Studioarbeit und ausgedehnten Tourneen. 2020 konnte das Trio seine Pyrotechnik-gespickte Show plötzlich nicht mehr auf die Bühne bringen. „FCK 2020“dokumentiert, wie Künstler leiden, wenn sie daheimsitzen müssen, obwohl sie eigentlich in Polen oder Tschechien vor 10.000 Menschen auftreten würden.
So begleitet man H. P. Baxxter zu seiner Mama, die Fotos von früher zeigt, als ihr Sohn eine Frisur trug, die ihn wie – Selbstzitat – einen „Knappen aus der Ritterzeit“aussehen ließ. Er sitzt bei „Il Barbiere
Marcello“und lässt sich das leuchtend blonde Haar stutzen. Man sieht, dass H. P. Baxxter im Bad länger braucht als seine Lebensgefährtin: Haarspray, Kajal und der große Satz: „Mein neues Parfum hat eine ähnliche Wirkung wie der Rattenfänger von Hameln.“
95 Prozent der Einnahmen brechen weg, heißt es. Aus Verzweiflung tritt Scooter in Autokinos auf. Zwischendurch geht es zu einem Großkonzert in England, weil dort wieder geöffnet wird. Und immer ist da der Tross von Mitarbeitern, die um H. P. Baxxter herumschwirren. Seine Laune wird schlechter. Er trennt sich von seiner Freundin und schimpft im verregneten Tallinn über Fahrer ohne Ortskenntnis, kalte Hotelzimmer und den falschen Backstageraum. Als sie am Computer neues Material anhören, wirft er einem
Bandkollegen vor, bloß zu lachen und sich seit Jahren nicht kreativ eingebracht zu haben. Empörung, Türenknallen.
Als sie endlich wieder touren dürfen, degradiert H. P. Baxxter seine Kompagnons wegen einer Kleinigkeit zu einfachen Mitarbeitern. Er bereitet sich nun alleine auf Konzerte vor. Zu bumslautem Techno samt Lichteffekten sitzt er backstage und groovt sich mit einem Glas WodkaRed-Bull auf den Auftritt ein. Nie sah man einen einsameren Menschen. „Yeah, aaa, aaa, aah, yeah I feel hardcore“, wird er später auf der Bühne ins Mikro rufen.
Es ist nicht leicht, H. P. Baxxter zu sein. Aber einer muss den Job ja machen.
Info „FCK2020. Zweieinhalb Jahre mit Scooter“läuft ab 12. Januar im Kino.