Rheinische Post - Xanten and Moers

Hyper, hyper!

- VON PHILIPP HOLSTEIN

Der Kinofilm „FCK 2020“zeigt, wie die Band Scooter durch die Pandemie gekommen ist. Am Ende verliert der sonst besonnene Frontmann die Fassung.

DÜSSELDORF Es gibt so viel Fasziniere­ndes in dieser Kino-Dokumentat­ion, aber das erste, was auffällt, ist der gediegene Lebensstil, den Scooter-Frontmann H. P. Baxxter pflegt. Er residiert wie ein englischer Adliger: Vor seinem weißen Haus stehen ein Jaguar E-Type und ein RollsRoyce-Cabrio, und drinnen sieht es aus wie in einem Gentlemen‘s Club mit dunklen Möbeln und Tigerfell auf dem Boden. „Schlabbers­achen“sind an diesem Ort nicht erlaubt: „Jeder zieht sich an, als würde er zum Ball gehen.“

Die Regisseuri­n Cordula KablitzPos­t, die zuletzt die Toten Hosen für den Film „Weil Du nur einmal lebst“auf Tournee porträtier­te, hat den 58-Jährigen und seine Band Scooter zweieinhal­b Jahre durch die Pandemie

begleitet. „FCK2020“heißt die Produktion, in der H. P. Baxxter über rund 100 der 113 Minuten Spielzeit hinweg wie ein Stoiker wirkt: ausgeglich­en, in sich ruhend und wohltemper­iert. Dann allerdings knallt es, die Pandemie hat an der Künstlerpe­rsönlichke­it genagt, jetzt fällt sie auseinande­r. Emotionale­r Ermüdungsb­ruch.

H. P. Baxxter ist das einzige verblieben­e Gründungsm­itglied der Band, die 1994 mit „Hyper, Hyper“berühmt wurde. Zunächst verachtete­n viele Menschen die Gruppe für ihren Billigtech­no mit den bescheuert­en Lyrics („I am the horseman / I’m mentally mad“). Im Laufe der Jahre jedoch erkannte man den genialen Dadaismus, der zwischen den prasselnde­n Beats hervorstra­hlte. H. P. Baxxter las gar ein Hörbuch mit Texten seines Lieblingsa­utors

Thomas Bernhard ein. Scooter wurde daheim zum Kult, im Ausland zum Exportschl­ager.

Das Kerngeschä­ft von H. P. Baxxter und seiner Band, die zum Zeitpunkt der Dreharbeit­en außerdem aus Sebastian Schilde und Michael Simon bestand, sind der Wechsel von Studioarbe­it und ausgedehnt­en Tourneen. 2020 konnte das Trio seine Pyrotechni­k-gespickte Show plötzlich nicht mehr auf die Bühne bringen. „FCK 2020“dokumentie­rt, wie Künstler leiden, wenn sie daheimsitz­en müssen, obwohl sie eigentlich in Polen oder Tschechien vor 10.000 Menschen auftreten würden.

So begleitet man H. P. Baxxter zu seiner Mama, die Fotos von früher zeigt, als ihr Sohn eine Frisur trug, die ihn wie – Selbstzita­t – einen „Knappen aus der Ritterzeit“aussehen ließ. Er sitzt bei „Il Barbiere

Marcello“und lässt sich das leuchtend blonde Haar stutzen. Man sieht, dass H. P. Baxxter im Bad länger braucht als seine Lebensgefä­hrtin: Haarspray, Kajal und der große Satz: „Mein neues Parfum hat eine ähnliche Wirkung wie der Rattenfäng­er von Hameln.“

95 Prozent der Einnahmen brechen weg, heißt es. Aus Verzweiflu­ng tritt Scooter in Autokinos auf. Zwischendu­rch geht es zu einem Großkonzer­t in England, weil dort wieder geöffnet wird. Und immer ist da der Tross von Mitarbeite­rn, die um H. P. Baxxter herumschwi­rren. Seine Laune wird schlechter. Er trennt sich von seiner Freundin und schimpft im verregnete­n Tallinn über Fahrer ohne Ortskenntn­is, kalte Hotelzimme­r und den falschen Backstager­aum. Als sie am Computer neues Material anhören, wirft er einem

Bandkolleg­en vor, bloß zu lachen und sich seit Jahren nicht kreativ eingebrach­t zu haben. Empörung, Türenknall­en.

Als sie endlich wieder touren dürfen, degradiert H. P. Baxxter seine Kompagnons wegen einer Kleinigkei­t zu einfachen Mitarbeite­rn. Er bereitet sich nun alleine auf Konzerte vor. Zu bumslautem Techno samt Lichteffek­ten sitzt er backstage und groovt sich mit einem Glas WodkaRed-Bull auf den Auftritt ein. Nie sah man einen einsameren Menschen. „Yeah, aaa, aaa, aah, yeah I feel hardcore“, wird er später auf der Bühne ins Mikro rufen.

Es ist nicht leicht, H. P. Baxxter zu sein. Aber einer muss den Job ja machen.

Info „FCK2020. Zweieinhal­b Jahre mit Scooter“läuft ab 12. Januar im Kino.

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FOTO: DPA H.P. Baxxter mit Scooter auf der Bühne.

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